17.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 75 / Zusatzpunkt 1

Christoph SträsserSPD - Aktuelle Stunde zu Folter durch die USA und Folgen für den Kampf um Menschenrechte

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Thema, über das wir heute diskutieren, muss man nicht so weit in die Geschichte zurückgehen. Denn fast auf den Tag genau vor 30 Jahren ist die Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen angenommen worden. Vor knapp 20 Jahren haben die Vereinigten Staaten von Amerika die Anti-Folter-Konvention ratifiziert. Das heißt, wir reden über geltendes Recht, über geltendes Völkerrecht und geltendes nationales Recht. Ich will jetzt gar nicht aus der Konvention zitieren. Aber eines ist völlig klar: All das, was in den Artikeln 1 und 2 der Anti-Folter-Konvention definiert ist, sind gültige und wirkende Menschenrechte. Diese stehen nicht in irgendeiner konkreten Situation zur Disposition. Sie werden auch nicht von einem Staat verliehen, sondern sie kommen jedem Menschen zu: aufgrund seiner Geburt, aufgrund seiner Würde, aufgrund seines Menschseins. Das ist der Charakter der Menschenrechte.

(Beifall im ganzen Hause)

Wenn man die Zusammenfassung des 6 700-seitigen Senatsberichts zur Folterpraxis der CIA auch nur in Teilen liest, dann stockt einem in der Tat der Atem. Wenn dort minutiös dargestellt wird, wie ein Staat – ein Staat, der unser Freund ist und das auch bleiben soll; worauf wir auch viel Wert legen –, der sich selbst als ein Hort der Menschenrechte und der Demokratie versteht, systematisch gegen die eigenen Prinzipien verstößt, dann stockt einem der Atem. Das muss man so deutlich und auch in Richtung unserer Freundinnen und Freunde sagen.

Es ist wirklich schwer erträglich, von Praktiken wie Rektalfütterung zu lesen oder davon, wie Gefangene mit der Schusswaffe am Kopf oder durch Drohungen gegen ihre Kinder zum Reden gebracht werden sollen. Es ist ebenfalls erschreckend, zu beobachten, dass es selbst nach Kenntnis des Berichts immer noch Diskussionen darüber gibt, ob die euphemistisch „enhanced interrogations“, also verschärfte Befragungen genannten Verhörmethoden als Folter bezeichnet werden können oder nicht.

Die passende Antwort – Herr Ströbele, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie darauf hingewiesen haben – hat die Senatorin Dianne Feinstein gegeben. Als sie den Bericht vorgestellt hat, hat sie gesagt – ich zitiere –:

Ich schließe mich dem ausdrücklich an. Diese mutige Frau hat unseren Respekt verdient.

(Beifall im ganzen Hause)

Ja, wir reden über eine Situation in den Vereinigten Staaten, die sich viele von uns vielleicht nicht vorstellen konnten. Ja, der 11. September 2001 hat diese Welt verändert; das ist so, und keiner von uns kann ermessen, was das für die amerikanische Gesellschaft bedeutet hat.

(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Ja!)

Aber gerade – und das ist doch die Botschaft, die von der Anti-Folter-Konvention ausgeht – allen Staaten, die die westlichen Werte zu Recht hochhalten und nach außen tragen, muss doch auch klar sein: Es gibt keinen Grund für Folter, und es darf keinen Grund für Folter geben. Es gibt keinerlei Veranlassung dafür, zu sagen, dass man Schäden in der Gesellschaft durch Folter ermitteln kann. Das ist grundsätzlich verboten, und zwar in jeder Situation.

Wer das Folterverbot aufweicht, der schafft es gleichzeitig ab; denn es schafft die Legitimation für Gesellschaften, wo und wie und warum auch immer zu foltern. Wir müssen an dieser Stelle klipp und klar sagen: Nein, Folter ist kein Instrument der Wahrheitsfindung! Folter ist das exakte Gegenteil. Deshalb müssen wir politisch und auch rechtlich damit umgehen. Wir müssen das gegenüber unseren Freundinnen und Freunden klar und deutlich verurteilen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ja, es ist richtig: Die Folterpraxis muss Konsequenzen haben, sie muss aber auch – das sage ich ohne jedes Wenn und Aber – Konsequenzen für die Aufklärung in Deutschland haben. Es ist völlig klar: Wenn wir weltweit für ein allgemein geltendes Folterverbot kämpfen, dann muss auch hier vor Ort Aufklärung stattfinden. Auch daran gibt es aus meiner Sicht keinen Zweifel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wer glaubt, dass es Hindernisse geben sollte, dem müssen wir klar sagen: Wir brauchen Aufklärung. Wir brauchen nicht nur eine politische Diskussion, sondern wir brauchen auch eine rechtliche, eine strafrechtliche Diskussion, um die Verantwortlichkeiten festzustellen. Ich bin bei all denjenigen, die sagen: Wir müssen die Möglichkeiten ausschöpfen, die das internationale Recht bietet.

Wir alle wissen, dass die Vereinigten Staaten – auch das hat einen Hintergrund – das Römische Statut nicht ratifiziert haben. Es wird also keine Verhandlung vor dem Internationalen Strafgerichtshof geben. Aber uns stehen die Instrumentarien des Völkerrechts zur Verfügung. Das Völkerstrafrecht gibt auch deutschen Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, zu ermitteln. Ich kann sie nur dringend dazu auffordern, dies zu tun. Es handelt sich um ein Offizialdelikt. Deshalb müssen wir auch an dieser Stelle für Aufklärung sorgen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Dr. Bernd Fabritius.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4287219
Wahlperiode 18
Sitzung 75
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Folter durch die USA und Folgen für den Kampf um Menschenrechte
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