Ulla SchmidtSPD - Aktuelle Stunde zu Folter durch die USA und Folgen für den Kampf um Menschenrechte
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich den Titel dieser Aktuellen Stunde gelesen hatte, hatte ich zunächst die Befürchtung, dass wir nicht zu einer differenzierten Diskussion kommen werden. Im Gegensatz zu Ihrer Fraktion, die das so betitelt hat, haben Sie das sofort ausgeräumt, Herr Gehrcke. Ich finde, dass die Diskussion, die wir hier geführt haben, sehr differenziert gewesen ist und auch dem Anlass gerecht geworden ist, weil sie mehrere Aspekte aufgegriffen hat.
Erstens sind wir uns in diesem Parlament alle einig, dass wir das, was als sogenannte erweiterte Verhörmethode bezeichnet wird, als elementare Verletzung von Menschenrechten, als etwas, das gegen unsere gesamten Werte gerichtet ist, und letztlich als Folter ansehen. Wenn Menschen gewaltsam zu etwas gezwungen werden, dann ist das Folter. Das ist auch so in den Konventionen festgelegt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Das Gute an der Debatte ist, dass wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier sehr gut daran tun, dass wir die Männer und Frauen im amerikanischen Kongress, die in den vergangenen Jahren sehr viel Engagement aufbringen mussten, dass wir unsere Kolleginnen und Kollegen unterstützen, damit sie diese Aufklärung weiter betreiben können, sodass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden; denn Aufklärung geschieht vorher und In-Rechenschaft-Ziehen hinterher.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
In diesem Zusammenhang fallen mir die Nürnberger Prozesse ein. Dabei wurde deutlich, dass sich niemand darauf verlassen kann, dass er im Falle von Menschenrechtsverletzungen nicht bestraft wird, wenn er im staatlichen Sinne oder im staatlichen Auftrag gehandelt hat. Das entspricht auch den Prinzipien des Völkerrechts. Darauf müssen wir achten, und dabei müssen wir unsere Kolleginnen und Kollegen unterstützen.
Zweitens müssen wir darüber nachdenken, dass wir heute über dieses Thema debattieren können, weil die USA eine parlamentarische Demokratie sind und weil in einer parlamentarischen Demokratie mit den Mitteln des Parlaments Transparenz durchgesetzt werden kann. Es gibt Menschen, die diese Praktiken genauso verurteilen wie wir. Deshalb hat der Geheimdienstausschuss mit Dianne Feinstein darum gekämpft, dass der Bericht veröffentlicht wird. Natürlich hat man zum Schluss Kompromisse eingehen müssen. Aber ich habe Verständnis dafür. Was wäre denn gewesen, wenn es im Dezember nicht veröffentlicht worden wäre? Im Januar, mit einer anderen Mehrheit im amerikanischen Kongress, wäre es nicht mehr dazu gekommen. Deswegen musste der Bericht auch mit den Kompromissen veröffentlicht werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])
Dianne Feinstein hat das sehr genau beschrieben. Sie hat einen Satz gesagt, der mich sehr bewegt hat. In der Los Angeles Times – wir waren letzte Woche in den USA – hat sie geschrieben: „Torture goes against the very soul of our country.“ „ Folter verstößt gegen die ureigene Seele unseres Landes.“ Das sagt mehr aus als das, was manche Berichte sagen können. Es zeigt nämlich die Motive, warum man dafür kämpft, warum man dagegen klagt und warum man sich nicht mit dem zufriedengegeben hat, was die CIA und der Bericht immer nur unzulänglich benannt haben. Weder in der Anzahl noch in dem, was geschehen ist, hat die CIA das entsprechend deutlich gemacht.
Für mich bedeutet das, dass wir als Parlamentarier und Parlamentarierinnen daraus eine Lehre ziehen müssen. Denn unsere Aufgabe ist es, klarzumachen, dass der Rechtsstaat nicht nach dem Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ verfährt, auch wenn die Volksseele das oft anders sieht. Kennzeichen des Rechtsstaates ist nämlich, dass wir mit den Mitteln des Rechtsstaates unter Wahrung der Menschenwürde auch für Täter die Taten bekämpfen. Das sollten wir auch nach außen tragen, und dafür sollten wir werben. Ich habe das in einer Diskussion mit amerikanischen und deutschen Schülerinnen und Schülern gemacht.
Das, was gestern in Peschawar an Gräueltaten passiert ist, wirkt sich sicherlich entsprechend auf die Umfragen aus. Die Menschen haben oft den Wunsch, dass wir mehr tun müssen, oder sie wollen, dass wir manches anders machen. Aber das ist das Wesen unserer Demokratie. Dafür müssen wir kämpfen. Das ist der Rechtsstaat, in dem wir weltweit für Menschenrechte eintreten. Ohne diesen Rechtsstaat und ohne Transparenz werden wir die Menschenrechte nicht einhalten können. Deswegen müssen wir uns dafür einsetzen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Wir hatten ein Gespräch mit dem Sonderbeauftragten für Afghanistan, der unter anderem für die Bekämpfung der Korruption dort zuständig ist. Er hat gesagt: „Sunlight is the best disinfectant.“ Darum geht es: Licht in die Dunkelheit zu bringen, gibt uns erst die Voraussetzung dafür, dass wir über solche Gräueltaten reden können und dass wir klar differenzieren und vielleicht verstehen können, warum jemand so gehandelt hat. Wir müssen aber kein Verständnis für dieses Handeln aufbringen, sondern wir müssen uns unter Freunden klar sagen, was geht und was nicht geht. Das, was dort passiert ist, geht nicht.
Lassen Sie uns weiter dafür kämpfen, dass wir das, was wir an Mitteln haben, zum Beispiel in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, weiter ausbauen, beispielsweise unsere Mittlerorganisationen. Denn wir haben noch eine ganze Menge zu tun, damit diese Auffassung von Rechtsstaat, Demokratie und demokratischen Prinzipien umgesetzt wird. Deswegen sollten wir auch in Soft Power investieren. Das ersetzt nicht die Hard Power, aber ohne Soft Power ist Hard Power überhaupt nichts.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Johann Wadephul, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4287308 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 75 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Folter durch die USA und Folgen für den Kampf um Menschenrechte |