18.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 76 / Tagesordnungspunkt 3

Michael FuchsCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Sarrazin, eines muss richtiggestellt werden: Die Liste, von der Sie die ganze Zeit gesprochen haben, ist eine Liste, die von den Finanzministern angefordert wurde mit dem Ziel, baureife Projekte, obendrein auch noch möglichst im Rahmen von PPP, also mit privaten Investitionen, so schnell wie möglich umzusetzen. Das haben Sie in Ihren Ausführungen vielleicht vergessen. Es geht also darum, mit diesen Projekten so schnell wie möglich voranzukommen. Dass dies Projekte sind, die es schon länger gibt – sonst könnten sie nicht baureif sein –, liegt natürlich auf der Hand.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt aber gar nicht! Das Terminal 3 wird gerade von der Hessischen Landesregierung daraufhin überprüft, ob es ökonomisch sinnvoll ist!)

Meine Damen und Herren, Deutschland ist und war in den vergangenen Jahren der Stabilitätsanker in der Europäischen Union. Wir sind das einzige Land, das es fertiggebracht hat, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben eine Verschuldungsquote von 75 Prozent!)

Und: Wir haben das Vertrauen in die Euro-Zone gestärkt. Gott sei Dank ist uns das gelungen. Da bedanke ich mich vor allen Dingen bei der Bundeskanzlerin und beim Bundesfinanzminister. Denn sie sind diejenigen gewesen, die dafür gesorgt haben, dass dieses Vertrauen wieder da ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass sich das gelohnt hat, sieht man daran – die Bundeskanzlerin hat es eben erwähnt –, dass Portugal, Irland und Spanien aus der Krise raus sind und aus den Rettungsprogrammen ausgestiegen sind; genau das war unser Ziel. Dass Griechenland in diesem Jahr voraussichtlich sogar einen Primärüberschuss erzielt, kann man ja wohl wirklich nur als Erfolg dieser Politik bezeichnen. Darauf sollten wir stolz sein.

Aber es liegen nach wie vor zahlreiche Herausforderungen vor uns, die noch nicht bewältigt sind. Wenn man sich das schwache Wachstum in Europa vor Augen führt – die EZB hat verkündet, dass es etwa 1 Prozent betragen wird – und es in Relation zum Wachstum in den USA setzt – dort wird es 3 Prozent Wachstum geben –, dann wird deutlich, dass wir noch ein gutes Stück zu gehen haben.

Die Bundeskanzlerin nennt immer drei Zahlen, nämlich: In Europa leben ungefähr 7 Prozent der Weltbevölkerung, wir haben einen Anteil am Weltinlandsprodukt von etwa 25 Prozent, und 50 Prozent der weltweiten Sozialausgaben werden in Europa getätigt. Dass wir uns dies à la longue ohne Wachstum leisten können, wage ich zu bezweifeln. Deswegen muss es unsere Aufgabe sein, für ein vernünftiges Wachstum zu sorgen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das gilt mit Sicherheit auch im Hinblick auf das 315- Milliarden-Euro-Programm, das Jean-Claude Juncker aufgelegt hat. Damit wird das Ziel verfolgt, Investitionen zu fördern, die sinnvoll sind, und nicht irgendwelche Projekte durchzuführen, die kein Mensch braucht.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So wie die Bundesregierung!)

Das gilt auch im Hinblick auf die Billionen Euro von Herrn Draghi. Hier habe ich allerdings Bedenken, wenn ich an die „Dicke Bertha“ und an „Bazooka“ denke, in deren Rahmen mittlerweile 3 Billionen Euro für den Aufkauf von Anleihen – im Wesentlichen von Staatsanleihen; denn so viele Unternehmensanleihen gibt es auf dem europäischen Anleihemarkt überhaupt nicht – aufgewendet wurden. Das zeigt mir, dass da irgendetwas in die falsche Richtung läuft. Hier sollten wir sehr gut aufpassen.

Entscheidend ist aber, dass wir in Europa eine Strukturreform hinbekommen, die den Wettbewerbsvorteil Europas ausweitet bzw. die Wettbewerbsfähigkeit Europas steigert. Es gibt eine Reihe von Programmen und Dingen, die dafür sorgen, dass wir in Europa weiterkommen, und dafür müssen wir uns einsetzen.

An allererster Stelle sei hier eine nachhaltige Stabilitätspolitik genannt. An zweiter Stelle muss es auch eine europäische Energiekostenregelung geben. Wir müssen in Energiefragen in Europa gemeinsam und über die Grenzen hinaus handeln, wir müssen uns auch mit der demografischen Entwicklung nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa beschäftigen, wir brauchen eine leistungsstarke, moderne Infrastruktur inklusive des Ausbaus von Breitbandnetzen nicht nur in Deutschland, sondern über alle Grenzen hinaus; und last, but not least brauchen wir einen freien Außenhandel.

TTIP ist einer der wesentlichen Faktoren, mit dem wir den freien Außenhandel verstärken können.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)

Wir müssen begreifen, dass wir jetzt weltweite Standards setzen können. Indem wir als Erste ein Abkommen mit den Amerikanern schließen, setzen wir Standards und Normen auf europäischem Niveau.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das haben Sie aber nicht gemacht!)

Nebenbei bemerkt: In vielen Bereichen sind die Standards in den USA deutlich höher als bei uns. Fragen Sie doch einmal in der pharmazeutischen Industrie nach, wie hoch die Zulassungsschranken für Arzneimittel in den USA im Vergleich zu uns sind. Bei uns sind sie wesentlich niedriger als in den USA.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Kanada!)

Das zeigt, dass auf beiden Seiten zum Teil Standards gesetzt wurden, die so hoch sind, dass sie kaum einer erfüllen kann.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: TiSA!)

Wir sollten es gemeinsam so schnell wie möglich hinbekommen, vernünftige Standards mit den beiden großen Blöcken zu vereinbaren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn die Kaufkraft in einem Bereich 800 Millionen Euro beträgt, wird das auch auf andere Bereiche überschwappen. Sie wissen, dass die Doha-Runde vor Jahren zu einem Stillstand gekommen ist. Auf diese Art könnten wir das gesamte Welthandelssystem wiederbeleben. Deswegen muss es unser vorrangiges Ziel sein – hier sind wir alle in diesem Hohen Hause gefordert –, so schnell wie möglich auf den Pfad der Tugend zurückzukehren und dafür zu sorgen, dass TTIP unterzeichnet wird.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Was ist denn mit Kanada? Warum haben Sie das mit Kanada nicht gemacht? – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das mit Kanada ist doch super gelaufen!)

– Ein vor allen Dingen bei Ihnen vorhandener latenter Antiamerikanismus darf hier nicht ausgelebt werden. So wollen wir uns das nicht kaputtmachen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie haben es doch nicht gekonnt! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Höherer Investitionsschutz als bei CETA!)

Ein Punkt sollte noch angesprochen werden, der uns intensiv beschäftigen muss, nämlich der demografische Wandel, der in Deutschland zu heftigen Folgen führt. Im letzten Jahr sind in Deutschland 33 500 Ausbildungsstellen nicht besetzt worden. In diesem Jahr werden es wahrscheinlich noch weit mehr sein. Das zeigt, wie schwierig die Situation in Deutschland ist.

Schauen Sie sich einmal die Altersstruktur der unterschiedlichen Länder an. Mit im Durchschnitt 46,1 Jahren haben wir zusammen mit Japan die älteste Bevölkerung. In Frankreich beträgt das durchschnittliche Alter 40,9 Jahre, in den USA 37,6 Jahre, in China 36,7 Jahre, in Brasilien 30,7 Jahre und in Indien gar nur 27 Jahre. Das zeigt, dass sich hier etwas gewaltig verändert und dass sich bei uns etwas verändern muss.

Deswegen finde ich das, was Thomas Oppermann eben gesagt hat, richtig: Wir brauchen auch ein vernünftiges Einwanderungsmodell bezogen auf Länder außerhalb Europas. Das halte ich für notwendig, und ich glaube, wir können das auch schaffen. Vielleicht denken wir einmal über das kanadische Modell nach, was sicherlich ein Hinweisgeber sein kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Vor kurzem wurde der ifo-Wirtschaftsklimaindex veröffentlicht. Er ist zum zweiten Mal hintereinander positiv. Das zeigt: Auch in der Wirtschaft erwartet man, dass die Situation im nächsten Jahr besser wird. Das ist eine frohe Botschaft kurz vor Weihnachten.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Weihnachtsfest.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Axel Schäfer [Bochum] [SPD])

Vielen Dank, Michael Fuchs. Ich wünsche Ihnen auch ein schönes Weihnachtsfest. – Der nächste Redner ist Christian Petry für die SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4291459
Wahlperiode 18
Sitzung 76
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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