Norbert BarthleCDU/CSU - Finanzhilfen zugunsten Griechenlands
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich noch lernfähig bin. Lieber Herr Kollege Kindler, angesichts Ihres Alters müsste man eigentlich davon ausgehen können, dass auch Sie noch lernfähig sind. Der Herr Finanzminister hat es Ihnen erklärt, und auch der Kollege Carsten Schneider hat es Ihnen erklärt:
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe es Ihnen gerade auch erklärt!)
Es gibt nirgendwo eine Einschränkung von Parlamentsrechten. Ich erkläre es Ihnen auch noch einmal: Wir stimmen heute zunächst einmal über eine technische Frage ab, über die Verlängerung der Bereitstellungsfrist für das laufende Programm um zwei Monate. Damit waren Sie einverstanden. Zweitens stimmen wir darüber ab – das entspricht dem ESM-Finanzierungsgesetz –, die Bundesregierung zu berechtigen, im ESM-Direktorium über eine vorsorgliche Kreditlinie zu verhandeln. Nach Abschluss dieser Verhandlungen legt die Bundesregierung das Verhandlungsergebnis diesem Parlament vor, und dann können wir darüber abstimmen, ob diese Kreditlinie zustande kommen soll.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollten diese zwei Stufen! Ich wollte die nie! Sie haben sich die zwei Stufen ausgedacht!)
Das entspricht dem Parlamentsbeteiligungsrecht und dem ESM-Vertrag. Vielleicht lernen Sie das auch noch.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt einfach nicht! Ich habe es Ihnen vorhin erklärt! – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit man lehren kann, muss man verstehen!)
Dass Griechenland ein Sonderfall ist, wissen wir alle. Das wurde schon hinlänglich gesagt. Griechenland ist nicht vergleichbar mit den ehemaligen Programmländern Portugal, Spanien und Irland, die den Rettungsschirm bereits verlassen haben. Griechenland hat besondere Bedingungen, die mit der Vorgeschichte zusammenhängen – sie wurden schon angesprochen –: Ich halte es für einen ausschlaggebenden Punkt, dass der griechische Staatsapparat bisher nicht in der Lage war, von allen seinen Bürgerinnen und Bürgern auf gerechter Basis Steuern einzuziehen. Der griechische Staatsapparat war aufgrund von Korruption – „Vetterleswirtschaft“ sagt man auf Schwäbisch – nicht in der Lage, eine prosperierende Wirtschaft auf die Beine zu stellen. Darin liegt das Hauptproblem.
Wenn man sich den jetzigen Stand der Dinge anschaut, muss man doch feststellen: Griechenland ist auf dem richtigen Weg; es geht vorwärts. Die wichtigsten Kenndaten wurden schon genannt: Seit 2013 erwirtschaftet Griechenland einen Primärüberschuss. Lieber Klaus-Peter Willsch, niemand will die Situation in Griechenland schönreden; aber man muss doch zur Kenntnis nehmen, dass es vorangeht, dass die Rahmenbedingungen heute deutlich besser aussehen. Der Arbeitsmarkt wurde flexibilisiert, die Überstundenvergütung wurde um 20 Prozent reduziert, der Mindestlohn wurde deutlich abgesenkt, und das effektive Renteneintrittsalter wurde um zwei Jahre auf 65 Jahre angehoben. Diese Anhebung des Renteneintrittsalters ist im europäischen Vergleich nicht übertrieben, sondern angemessen. Man muss nachweisen, dass man 40 Jahre Rentenversicherungsbeiträge geleistet hat, um Anspruch auf die volle Rente zu haben. Bei uns sind das 45 Jahre. Angesichts dessen ist diese Anhebung doch nicht mehr als angemessen. Das müsst auch ihr einmal zur Kenntnis nehmen.
Außerdem hat sich die Wettbewerbsfähigkeit des Landes deutlich verbessert. Ich mache das immer an einer Kennzahl fest, die für jeden relativ leicht nachzuvollziehen ist. Ich zeige dazu heute einmal ein Schaubild, was ich sonst nie mache. – Sie sehen hier die Entwicklung der Lohnstückkosten; das sind die Lohnkosten in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das kann keiner lesen!)
Auf diesem Schaubild ist das vereinfacht dargestellt: Hier war die Einführung des Euro, hier war die Krise und der Beginn der Rettungsprogramme. Gelb unterlegt ist der Anstieg der Lohnstückkosten in Griechenland.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, ein bisschen höher vielleicht! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen näher vielleicht! Das üben wir noch einmal! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ein bisschen mehr nach links, bitte!)
Aufgrund der Konditionalität und nach den Strukturreformen gingen die Lohnstückkosten in Griechenland rapide nach unten. Die untere Linie, die stabil bleibt, zeigt übrigens die Entwicklung in Deutschland.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frau Präsidentin hat das noch nicht gesehen!)
Ich kann Ihnen an diesem Schaubild gerne auch noch die Entwicklung der Lohnstückkosten in Frankreich und Italien verdeutlichen, wo die Lohnstückkosten immer noch steigen.
Wir hier oben dürfen es nachher auch sehen, ja?
Das lassen wir jetzt einmal außen vor. Allein die Entwicklung der Lohnstückkosten – das bestätigen Ihnen alle Volkswirte – sagt sehr viel aus über die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Dieser Blick auf die Lohnstückkosten zeigt – das sage ich auch an die Linken gewandt –: Griechenland hat vor der Krise über seine Verhältnisse gelebt, und das gilt für alle, nicht nur für die Reichen. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Das gehört zur Wahrheit dazu.
(Zurufe von der LINKEN)
Die Probleme, die wir zu bewältigen haben, liegen nicht am Euro, sondern in aller Regel an einem Mangel an Reformbereitschaft in den betroffenen Ländern.
Heute, an einem Tag, an dem wir an Andreas Schockenhoff denken, der ein in hohem Maße frankophiler Kollege, ein Freund Frankreichs war – wir alle sind Freunde Frankreichs –, möchte ich darauf hinweisen, dass es uns Sorge macht, dass es auch dort mit der Wettbewerbsfähigkeit, mit der wirtschaftlichen Entwicklung nicht richtig vorangeht. Deshalb erlaube ich mir an dieser Stelle die klare Aussage: Es liegt nicht an uns, es liegt nicht an Deutschland, sondern an Frankreich selbst. Frankreich muss die entsprechenden Entscheidungen treffen. Dann geht es auch dort wieder voran. Frankreich verbittet sich immer jede Einflussnahme von außen. Das respektieren wir. Genauso nehmen wir aber für uns in Anspruch, dass wir unsere Investitionsentscheidungen selbst treffen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Blick auf die bisherigen Programmländer, auch der Blick auf Griechenland zeigt uns klar und eindeutig: Der bisherige Weg, nämlich Solidarität für Solidität zur Verfügung zu stellen, war der richtige, ist der richtige und bleibt der richtige. Dort, wo sich Länder um solides Wirtschaften und Haushalten bemühen, herrscht auch europäische Solidarität. Deshalb bin ich überzeugt: Wir werden jetzt zunächst einmal abwarten, bis Griechenland das laufende Programm ordentlich beendet. Wenn es ordentlich beendet wird, gibt es grünes Licht für ein Anschlussprogramm, also für eine vorsorgliche Kreditlinie.
Damit keine Irrtümer entstehen: Auch diese vorsorgliche Kreditlinie mit erweiterten Bedingungen – oder Enhanced Conditions Credit Line – hat wieder Bedingungen. Es sind Bedingungen zu erfüllen. Dies wird von der Europäischen Kommission, von der Europäischen Zentralbank und – das ist uns wichtig – auch vom Internationalen Währungsfonds überprüft werden. Deshalb ist das aus unserer Sicht tragbar. Über die weiteren Einzelheiten werden wir ja noch rechtzeitig informiert werden.
Ganz wichtig ist mir noch, darauf hinzuweisen, dass sich auch dann, wenn diese erweiterte Kreditlinie gezogen werden sollte, das bisherige Risikopotenzial für Deutschland nicht erhöht. Das ist, glaube ich, eine wesentliche und wichtige Aussage. Das ist bereits in den bisherigen Programmen abgebildet. Der Kollege Carsten Schneider hat darauf hingewiesen, der Finanzminister hat darauf hingewiesen. Ich will es noch einmal betonen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie diesem Antrag frohen Herzens zu! Denn dieser Antrag ist nicht nur gut für Griechenland, sondern auch gut für Europa und damit auch gut für uns.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Kollege Barthle. Jetzt haben wir Ihr Bild gar nicht gesehen. Nächstes Mal zeigen Sie es uns bitte auch. Wir hier oben sind nämlich auch neugierig.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ich zeige es Ihnen dann auch! Wir machen einen persönlichen Termin, Frau Präsidentin!)
– Persönlicher Termin, gut. Das kommentiere ich jetzt nicht weiter.
Nächster Redner in der Debatte ist Dr. Diether Dehm für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4291648 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Finanzhilfen zugunsten Griechenlands |