Hubert HüppeCDU/CSU - Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für das letzte Jahr meldete das Deutsche IVF-Register 84 051 erfasste Behandlungszyklen, davon 80 955, so heißt es, plausible Behandlungszyklen. Das ist neuer Rekord. 15 Jahre früher, 1998, gab es gerade einmal 45 459 Behandlungszyklen. Das war zu einer Zeit, als die künstliche Befruchtung noch voll finanziert wurde, vier statt drei Zyklen bezahlt wurden und es noch keine Altersbeschränkungen gab. Einschränkungen sind erst 2003 beschlossen worden, übrigens unter einer rot-grünen Bundesregierung. Hier muss man auch einmal erwähnen, dass diese Einschränkungen nicht von uns stammen.
Berücksichtigt man, dass seit 1998 die Zahl der Frauen im Alter zwischen 25 und 40 Jahren drastisch zurückgegangen ist und dass sich die Zahl der künstlichen Befruchtungen fast verdoppelt hat, dann stellt man fest: Heute werden pro Frau rund 2,6-mal so viel IVF-Behandlungen durchgeführt. Wenn man die Zahlen des IVF-Registers auswertet, kommt man 2013 bei über 80 000 Behandlungszyklen gerade einmal auf rund 10 000 Geburten. Das heißt, die Geburt eines Kindes nach einem IVF-Zyklus ist nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme.
Das ist der Hintergrund, vor dem wir heute den Vorschlag der Grünen diskutieren, die die IVF als Kassenleistung ausweiten wollen. Es geht also nicht darum – das muss man einmal sagen –, ob etwas verboten oder erlaubt ist, sondern es geht darum, ob wir etwas für so förderungswürdig halten, dass es unbedingt von den Kassenmitgliedern bezahlt werden soll.
Ausgangspunkt des grünen Gesetzentwurfes ist, dass durch die derzeitige Regelung manche Personen „bei der Chance auf Elternschaft“, so heißt es in Ihrem Gesetzentwurf – Sie haben es auch gerade gesagt –, benachteiligt werden, weil nur Verheiratete für eine homologe künstliche Befruchtung Kassenleistungen bekommen.
Allerdings, auch das darf man sagen, hat bereits 2007 das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das mit dem Grundgesetz sehr wohl vereinbar ist und es eben kein Verstoß, wie es gerade dargestellt worden ist, gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist. Ein solcher Verstoß würde nur dann vorliegen, so sagt das Bundesverfassungsgericht, wenn es um die Beseitigung einer Krankheit ginge.
Aber die künstliche Befruchtung ist eben keine Krankheitsbehandlung. Das Bundesverfassungsgericht hat auch Gründe genannt, warum diese Regelung einsichtig ist: Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht die Ehe als auf Lebenszeit angelegte Gemeinschaft an. Die Eheleute sind gesetzlich – das ist der wichtige Punkt: gesetzlich – angehalten, füreinander Verantwortung zu tragen. In der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, so das Bundesverfassungsgericht, kann die Verantwortung nur freiwillig wahrgenommen werden, und sie kann auch jederzeit beendet werden.
Ich frage mich wirklich, warum ein Paar, das einen so extremen Kinderwunsch hat, nicht auch heiraten will und damit auch die soziale Absicherung des zukünftigen Kindes haben möchte? Das ist doch die Frage.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Mann, ist das konservativ!)
Oder will man die Ehe grundsätzlich infrage stellen?
(Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Sie sagen, es muss eine auf Dauer angelegte Partnerschaft sein. – Herr Beck wollte etwas fragen.
Herr Kollege Hüppe, ich bin gerade dabei, Ihre Uhr anzuhalten und Sie zu fragen, ob Sie eine Bemerkung oder Frage des Kollegen Beck zulassen?
Gerne.
Bitte, Kollege Beck.
Herr Hüppe, ich nehme Ihr Argument einmal ernst: Verstehe ich es richtig, dass Sie dafür plädieren, die lesbischen Lebenspartnerinnen in das Gesetz einzubeziehen, aber bei den nichtehelichen darauf zu warten, dass diese sich unterhaltsrechtlich lebenslang verpflichten? Ist das richtig so, oder haben Sie noch einen weiteren Diskriminierungsgrund?
Es geht doch gar nicht um Diskriminierung. Es wird ausdrücklich gesagt, dass das keine Diskriminierung ist. Das ist ja nicht nur meine Meinung, sondern das hat auch unser Bundesverfassungsgericht gesagt. Ich komme gleich noch zu diesem Thema. Das ist wirklich ein Randthema, Herr Beck, nicht für Sie, aber was die Zahlen angeht.
(Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Ich weiß, dass das für Sie ideologisch ein ganz wichtiges Thema ist; das verstehe ich auch. – Ich halte einmal fest: Die Anzahl derer, die das betreffen würde, ist so gering, dass das eigentlich nicht der wichtigste Punkt des Antrages ist. Aber ich komme gleich noch einmal dazu.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Entschuldigung, ich darf fortfahren.
Sie schreiben in Ihrem Antrag auch nicht, dass jedem oder jeder eine künstliche Befruchtung zusteht, sondern, man müsse, so heißt es, in einer auf Dauer angelegten Partnerschaft leben. Jetzt frage ich Sie einmal: Wie wollen Sie das eigentlich belegen? Was heißt denn „auf Dauer angelegt“? Wie viele Jahre sollen es denn sein: bis das Kind in die Schule kommt oder länger? Was heißt für Sie „auf Dauer angelegte Partnerschaften“?
(Zuruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Die nächste Frage, die sich mir stellt, ist: Wer prüft das denn? Wer soll das denn prüfen? Prüft das die Kasse, ob die Partnerschaft auf Dauer angelegt ist? Prüft das der Arzt, oder prüft das das Standesamt? Muss man eine Bescheinigung haben? Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie haben das nicht richtig durchdacht. Aber vielleicht bekomme ich ja noch eine Antwort auf meine Fragen.
Wohlgemerkt: Die Einschränkungen – das darf ich hier noch einmal sagen – geschahen unter einer Koalition, an der die Grünen beteiligt waren. Ich darf die ehemalige gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Birgitt Bender, zitieren – da sieht man einmal, wie die Grünen in ihrer Meinung hin und her schwanken –, die 2008 zu Protokoll gab: „Wir stehen … zu den Grundzügen des damals gefundenen Kompromisses“. Gleichzeitig haben die Grünen sich bei der Abstimmung über einen Antrag der Linken, der vorsah, das auch nichtverheirateten Paaren zu genehmigen, enthalten. Sie wollten es also einmal, jetzt wollen Sie es nicht. Jetzt will ich Ihnen auch einmal die Begründung der Grünen nennen.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Hören Sie doch einmal zu! Es ist doch auch für Sie ein Informationsgewinn. – Im Ausschussbericht steht dann, dass die Grünen es deswegen ablehnen, weil es sich um eine Ausweitung versicherungsfremder Leistungen handeln würde und sie es angesichts der mit der IVF verbundenen Belastungen für die Frau und einer „Erfolgsquote von lediglich 15 von 100 behandelten Frauen, die in der Folge tatsächlich ein Kind hätten“, als sehr bedenklich ansehen würden. Was ist denn jetzt noch wahr?
Heute wollen die Grünen auch verpartnerten Personen die künstliche Befruchtung finanzieren; das ist richtig. Aber auch da soll es so sein, dass man verpartnert ist und dass es eine medizinische Notwendigkeit gibt. Das heißt: Da Sie die Eizellenspende im Gegensatz zur Samenspende ablehnen, kämen ja dann nur lesbische Paare infrage, die medizinische Gründe hätten. Da stellt sich in der Tat die Frage, Herr Beck, wie viele lesbische Paare im Alter von 25 bis 40 Jahren es gibt, die ein Kind haben wollen und von denen beide infertil sind.
(Mechthild Rawert [SPD]: Viele! Einladung ins Regenbogenfamilienzentrum! Kann ich organisieren! Kein Problem!)
Das ist, glaube ich, eine nicht einmal dreistellige Anzahl.
Meine Damen und Herren, der viel problematischere Punkt ist aber, dass man auch die generelle Finanzierung der künstlichen Befruchtung mit Fremdsamenspende möchte. Das hätte natürlich wesentlich größere finanzielle Auswirkungen: IVF mit Samenspende als Kassenleistung für alle!
Was mich dabei am meisten überrascht, ist, dass dieselben Grünen, die traditionell skeptisch gegenüber der Technisierung der Fortpflanzung sind, die traditionell die medizinischen Risiken hervorheben und die dafür sind, die Folgen der IVF für Frauen und Kinder zu erforschen, alle Bedenken zurückstellen, wenn es um IVF für nichtkonventionelle Partnerschaften geht.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Gleichbehandlung!)
Im April haben wir im Gesundheitsausschuss – einige von Ihnen waren ja dabei; Herr Terpe, Frau Scharfenberg und andere –, übrigens auch von Ihrer Seite sehr kritisch, den Technikfolgenabschätzungsbericht beraten, der den Titel trägt: „Fortpflanzungsmedizin – Rahmenbedingungen, wissenschaftlich-technische Entwicklungen und Folgen“.
Dieser Bericht basierte auf einem Vorschlag der Grünen, weil – so sagte damals auch Biggi Bender – man eher eine kritische Sicht auf IVF und ICSI habe. Diese Zeiten sind vorbei.
(Zuruf von der SPD: Ja!)
Biggi Bender gab damals zu Protokoll – ich zitiere –:
– jetzt wird es wichtig –
Sie sagt dann:
Nun liegt dieser Bericht vor. Er besagt unter anderem – ich zitiere –:
– also Fremdsamenspendern –
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie zu unserem Gesetzentwurf!)
Soweit der auf einem Vorschlag der Grünen basierende TAB-Bericht.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber darum geht es doch hier jetzt gar nicht!)
Was machen hingegen die Grünen? Führen sie eine ernsthafte Diskussion? Nein, sie unternehmen einen Vorstoß zur GKV-Finanzierung der künstlichen Befruchtung auch bei Verwendung von Spendersamen.
Die Hauptwirkung des heute vorliegenden Gesetzentwurfs wird die neue GKV-Leistung „IVF bzw. ICSI mit Spendersamen“ für heterosexuelle Paare sein, eben nicht für homosexuelle Paare, also sozusagen ein Konjunkturprogramm für kommerzielle Samenbanken, die mit dem Hinweis auf schnell verdientes Geldes um Spender werben.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen Sie besser! – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)
Meine Damen und Herren von den Grünen, wenn Sie selbst diese großen Bedenken haben – inzwischen gibt es sogar Selbsthilfegruppen von Kindern, die mithilfe von Fremdsamenspende gezeugt worden sind –, dann sollten wir doch wirklich erst einmal darüber reden, welche familienrechtlichen Dinge wir klären müssen, bevor wir in die Finanzierung gehen. Das haben Sie nicht getan, das haben Sie versäumt.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es nicht!)
Letzter Punkt: Aus meiner Sicht, aus unserer Sicht darf ein Kind nicht zu einem bestellten und hergestellten Produkt gemacht werden, sondern wir müssen dabei auch daran denken, was hinterher mit diesen Kindern geschieht und wie ihre soziale Absicherung ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Kathrin Vogler für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4291744 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung |