Katja LeikertCDU/CSU - Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute über einen Gesetzentwurf der Grünen, der weder Hand noch Fuß hat und finanzielle Forderungen an die gesetzliche Krankenversicherung stellt, die die Grünen einfach nicht ernst meinen können. Sicherlich haben sie auch im positiven Sinne wichtige gesellschaftliche Debatten in den letzten Jahren angeregt. Mit diesem Gesetzentwurf jedoch schießen sie aus meiner Sicht eindeutig über jedes Ziel hinaus. Beim Lesen des Gesetzentwurfes habe ich mich gefragt, wann sie die Eizellspende und Leihmutterschaft auf Kassenschein einfordern.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist totaler Blödsinn!)
Man muss schon unterscheiden können, was die Menschheit wirklich nach vorne bringt und wann ein größerer Schaden als Nutzen entsteht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr redet doch immer vom demografischen Wandel! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dabei sprechen wir heute über ein Thema, das einen sehr ernsthaften Hintergrund hat. Der Wunsch nach Kindern ist einer der tiefsten Sehnsüchte der meisten Menschen. Erfüllt sich der Kinderwunsch nicht, sind oft Trauer und Schmerz bestimmend für die Paare. Kinderlosigkeit wird so auch oft zu einer harten Belastungsprobe für eine Partnerschaft. Diejenigen Paare, die sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, haben oft einen sehr langen Weg mit viel persönlichem Leid hinter sich gebracht.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, und was folgt daraus?)
Der Schritt der künstlichen Befruchtung bleibt als letzte Möglichkeit, ein eigenes Kind – im biologischen Sinn – zu bekommen.
Die Behandlung selbst ist für die Frauen sehr fordernd und von hoher Unsicherheit geprägt. Nur knapp ein Fünftel der Behandlungen führt zu einer Lebendgeburt. Insofern hat die moderne Reproduktionsmedizin zwar Fortschritte gebracht; aber das Thema ist mit der nötigen Seriosität und Sensibilität zu behandeln, wenn wir uns mit der Frage beschäftigen wollen, die gesetzlichen Ansprüche auszuweiten. Eine Ausweitung der GKV-Leistungen, die zur Vermehrung zerstörter Hoffnungen führt, lehne ich persönlich ab.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann wollen Sie es bei verheirateten Paaren auch wieder verbieten?)
Worum es geht, wurde von den Vorrednern ja schon ausgiebig erläutert: Der Gesetzentwurf sieht eine Ausweitung des Personenkreises vor, der die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung von der Versichertengemeinschaft der GKV erstattet bekommen soll.
(Mechthild Rawert [SPD]: Oder über den Bundeshaushalt! Das geht auch!)
Es wurde ja bereits erwähnt, dass die entsprechenden GKV-Leistungen unter Rot-Grün eingeschränkt wurden. Seitdem übernimmt die GKV nur noch 50 Prozent der Kosten der ersten drei Versuche der künstlichen Befruchtung.
Jetzt kommen Sie so kurz vor Weihnachten mit einem großen Wunschzettel an und wollen den Rechtsanspruch ausweiten. So ganz nebenbei wollen Sie sich mit Ihrem Gesetzentwurf zu der gesellschaftspolitisch fortschrittlichen Stimme in diesem Land aufschwingen.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Es ist halt so! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eindeutig besetzt!)
– Schreien Sie doch hier nicht so rein!
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist offenbar erwünscht!)
Ich persönlich bin meilenweit davon entfernt, darüber zu urteilen, in welcher Lebensform Kinder am besten gedeihen oder am glücklichsten aufwachsen.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun Sie aber!)
– Das tue ich nicht. – Jeder von uns weiß, wie vielfältig das Leben ist; jeder von uns kennt gute Ehen und weniger gute Ehen, glückliche und unglückliche unverheiratete Paare oder auch verpartnerte Lebensgemeinschaften, die Höhen und Tiefen erleben. Und in all diesen Paarkonstellationen wachsen in diesem Land Kinder auf. In unserer offenen, pluralistischen, demokratischen Gesellschaft ist zum Glück vieles möglich und ein hohes Maß an Toleranz gegenüber den vielfältigen Lebensentwürfen vorhanden.
Dennoch gilt es, politische Entscheidungen zu treffen, vor allem darüber, was in dieser Gesellschaft wie finanziert wird. Und diese Frage stellt sich auch bei der Kinderwunschbehandlung. Die IVF ist keine Behandlung – das hat Herr Hüppe schon deutlich gemacht –, die heilen kann. Die Behandlung wirft viele moralisch-ethische Fragen auf – das können auch Sie nicht verneinen; wenn Sie darüber nachdenken, wird es Ihnen bewusst –
(Zurufe der Abg. Mechthild Rawert [SPD] und Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– so trivial ist das alles nicht –,
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist nicht trivial!)
etwa im Hinblick auf die Selektion von befruchteten Eizellen oder den Umgang mit tiefgefrorenen Eizellen. Und es sind nicht wenige Frauen, die diese Behandlung – das sollten Sie auch ernst nehmen – als eine erniedrigende Erfahrung beschreiben. Reden Sie mal mit den Frauen!
(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das denn mit dem Trauschein zu tun? – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wen schützen Sie denn vor sich selbst? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Hier sind Leitplanken gefragt, die Anhaltspunkte geben, wie mit den Mitteln der modernen Reproduktionsmedizin umgegangen werden soll.
(Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Ganz ruhig! Hören Sie doch noch eine Minute zu!
(Hubert Hüppe [CDU/CSU], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Zuhören! Das ist ja furchtbar!)
Ich bin schon der Meinung, dass der Gesetzgeber eine Lebensform besonders herausstellen darf,
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie hätten einmal den Gesetzentwurf lesen sollen! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie hätten den Gesetzentwurf lesen sollen!)
und zwar die, die höchste Stabilität aufweist. Sie mögen das jetzt vielleicht nicht hören wollen, aber die Statistik besagt auch, liebe Frau Dörner: 65 Prozent aller Ehen halten länger als 25 Jahre, und selbst, wenn Ehen geschieden werden, haben sie im Durchschnitt länger als 14 Jahre gehalten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na und?)
– Nichts „Na und?“! – Ehen sind also auch im 21. Jahrhundert durch eine hohe Belastbarkeit geprägt, durch Verantwortungsübernahme, und das auch im finanziellen Sinne. Wenn die GKV die Ehe als Kriterium definiert, um den Finanzierungsrahmen festzulegen, dann gibt es dafür also plausible Gründe.
Mit der Frage der künstlichen Befruchtung befassen sich aber nicht nur die Gesundheitspolitiker, sondern auch die Familienpolitiker. Die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder hat sich engagiert des Themas angenommen und erreicht, dass in der letzten Legislatur zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt für Maßnahmen der assistierten Reproduktion bereitgestellt wurden – übrigens unter der Voraussetzung, dass sich die jeweiligen Bundesländer an den Kosten beteiligen. Ich habe jetzt gehört, dass Familienministerin Manuela Schwesig die Förderung auf nichtverheiratete Paare ausweiten möchte. Sie hat auch in den letzten Jahren immer wieder betont, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, Paare in ihrem Kinderwunsch zu unterstützen. Insofern bestehen sicherlich Chancen, dass das Familienministerium in Zukunft noch einmal zusätzliche Mittel bereitstellen wird.
Der eigentliche Hammer in Ihrem Gesetzentwurf ist aber Ihre Forderung nach der Finanzierung im Fall von Befruchtung durch Samenspenden von Dritten, der sogenannten heterologen Befruchtung, also nicht durch den Ehemann. Die CDU/CSU – das können wir ganz klar sagen – lehnt diese Forderung ab.
(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht so gar nicht drin! – Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Ich bin mir gar nicht so sicher – Sie brauchen nicht polemisch zu werden –, ob Sie die Tragweite dessen, was Sie da fordern, verstehen.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Sie verstehen den Gesetzentwurf nicht!)
Es geht hier nicht um eine medizinische Fachfrage, sondern um eine Grundfrage des Menschen: Wer ist der biologische Vater? Das sind tiefgehende emotionale Fragen; das können Sie nicht verneinen.
(Mechthild Rawert [SPD]: Tun wir ja auch gar nicht!)
Sie wissen genau, dass im Bereich der Samenspenden von Dritten viele Fragen noch ungeklärt sind, was beispielsweise das Erbschaftsrecht betrifft oder auch die Feststellung der Vaterschaft, woraus sich beispielsweise Unterhaltszahlungen im Nachhinein ergeben könnten. Mit Ihrem Gesetzentwurf setzten Sie einfach einen Schritt vor den anderen. Der gesellschaftlichen Debatte und der juristischen Fragestellung stellen Sie sich nicht.
Jetzt komme ich auf ein Thema zu sprechen, das vorhin am meisten für Aufregung gesorgt hat. Sie fordern darüber hinaus, dass in eingetragenen Partnerschaften lebende lesbische Frauen eine heterologe Insemination auf Krankenschein erstattet bekommen sollen. Ich möchte Sie gerne fragen: Bei wie vielen Paaren in der Bundesrepublik kommt es vor, dass beide Frauen unfruchtbar sind und eine medizinische Indikation vorliegt?
(Mechthild Rawert [SPD]: Eine reicht doch!)
– Wieso eine?
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist verfassungsrechtlich geboten!)
An Ihren Einwürfen sieht man schon, wie problematisch Ihr Gesetzentwurf ist.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie ihn nicht verstanden haben!)
Wir haben den Verdacht, dass Sie aus der Oppositionsrolle heraus Klientelpolitik betreiben und Forderungen stellen, die man in der Opposition leicht stellen kann. Im Falle eines Regierungseintritts könnte man sie aber nicht aufrechterhalten.
(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: So ist es! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Klientel?)
Das wissen die Kolleginnen und Kollegen der Grünen auch. Ich möchte Sie fragen: Sind Sie sich sicher, dass Sie den lesbischen Paaren einen Gefallen tun, wenn Sie die medizinische Schiene wählen?
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht um Gerechtigkeit!)
Ich komme zum Schluss. Ich bleibe dabei: Nicht alles, was medizinisch machbar ist, muss unhinterfragt von der Versichertengemeinschaft der GKV mitgetragen werden. Wir müssen uns schon den ethisch-moralischen Fragen stellen, die mit dem Thema künstliche Befruchtung verbunden sind. Nach dem Motto „Ihr Kinderlein kommet“ – so funktioniert das nicht. Das Thema ist viel zu sensibel, um damit auf diese Art und Weise Oppositionspolitik zu betreiben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Kollege Harald Petzold hat für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4291813 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung |