18.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 76 / Tagesordnungspunkt 5

Dirk HeidenblutSPD - Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hüppe, zunächst einmal zu Ihnen: Ich möchte vermeiden, dass Sie den Anteil der CDU/CSU an Gesetzesvorhaben zu klein reden. Sicher, Sie haben recht: Das Gesetz ist damals unter Rot-Grün verabschiedet worden. Aber was Sie ein wenig verschwiegen haben, ist, dass das Gesetzesvorhaben in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesrat und insbesondere in sehr enger Zusammenarbeit mit der CDU/CSU behandelt wurde.

(Zuruf des Abg. Hubert Hüppe [CDU/CSU])

Insofern ist Ihr Anteil daran nicht ganz unerheblich. Das verringert den Anteil der Grünen nicht, wir wollen den Anteil der CDU aber auch nicht zu klein reden.

(Beifall bei der SPD)

Die bisherigen Debattenbeiträge haben mich verblüfft – das gilt auch für den vorangegangenen Redebeitrag –: Dies ist keine Debatte über grundsätzliche Fragen der Gleichstellung. Herr Petzold, diese Debatte hätte auch Ihrer Freundin nicht geholfen. Frauen in gleicher Situation würde nur geholfen werden, wenn sie aufgrund medizinischer Notwendigkeiten Unterstützung benötigen würden. Übrigens wird an dieser Stelle auch Ehepaaren ohne medizinische Notwendigkeit nicht geholfen. Da gibt es also durchaus eine Gleichstellung; das ist unstrittig. Wir können uns jetzt darüber streiten, ob diese Gleichstellung gut oder schlecht ist. Das wäre aber eine gesellschaftspolitische Frage, weil es dabei darum geht, wie wir dem Kinderwunsch nachkommen.

Wir reden heute auch nicht über die Frage, was gute und was schlechte Eltern sind; wobei zu fragen ist, ob eine solche Frage überhaupt sinnvoll ist. Für unsere Fraktion ist völlig klar: Es gibt heutzutage sehr unterschiedliche Formen von Lebensgemeinschaften, und überall gibt es gute und schlechte Eltern. In jedem Fall müssen wir uns über Kinderrechte und das Kindeswohl unterhalten. Aber auch das ist heute nicht die Frage.

Heute lautet die Frage: Was soll die Krankenkasse, was soll die Gemeinschaft der Versicherten zahlen und für wen soll die Behandlung bezahlt werden? Diesbezüglich hat der Gesetzgeber eine Einschränkung vorgenommen und gesagt: Wir wollen, dass zunächst einmal nur im Fall einer Ehe gezahlt wird. – Diese Einschränkung ist keine Diskriminierung, sondern sie ergibt sich aus ganz vielen Gründen, die damals eine Rolle gespielt haben.

Auch wenn ich dafür stehe und sehr deutlich sage: „Wir finden es gut und richtig, dass es ganz viele unterschiedliche Formen von Lebensgemeinschaften gibt“, muss ich als jemand, der seit 21 Jahren sehr glücklich in einer Beziehung mit Trauschein lebt, einem Einwand entgegentreten: Ich halte Trauscheine nicht für nicht mehr zeitgemäß. Ich glaube, sie sind das durchaus noch.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat niemand gesagt!)

Ich halte allerdings alle anderen Formen auch für zeitgemäß.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Warum geben Sie dann den anderen nicht das Recht, auch einen Trauschein zu haben?)

– Ich habe nur gesagt, dass ich mich dagegen wehre, dass eine Form nicht mehr zeitgemäß ist. Alle anderen sind selbstverständlich auch zeitgemäß.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kollege Heidenblut, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Vogler?

Selbstverständlich.

Bitte.

Herr Kollege Heidenblut, weil Sie mich so schrecklich missverstanden haben, möchte ich bemerken, dass ich überhaupt nicht gesagt habe, dass der Trauschein an sich unzeitgemäß ist. Meinetwegen sollen alle, die das gerne wollen, heiraten. Ich bin selbst seit 20 Jahren glücklich verheiratet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Glückwunsch!)

Aber angesichts der Vielfalt von Familienformen in diesem Land ist es einfach unzeitgemäß, diese Bescheinigung einer Behörde zur Grundlage von Familienpolitik zu machen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen habe ich mich bei den Grünen für den Gesetzentwurf bedankt. Ich möchte einfach nur, dass Sie das zur Kenntnis nehmen.

Ich nehme das gerne zur Kenntnis und bedanke mich für die Klarstellung. Wir sind ja zumindest, was die Frage der Zeitgemäßheit eines Trauscheins angeht, offensichtlich völlig auf einer Linie. Zu dem Rest komme ich noch. Danke schön.

Kommen wir zurück zu den Problemen, mit denen wir uns heute eigentlich beschäftigen. Sie werfen in Ihrem Gesetzentwurf – ich muss sagen: ganz so klein ist er nicht – zwei ganz wesentliche Fragen auf. Die eine Frage – auch Kollege Hüppe hat sie schon angesprochen – lautet: Was ist eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft? Ja, ich gebe zu, dass wir diese Frage bei den Bedarfsgemeinschaften in einem anderen Sozialgesetzbuch schon einmal angepackt haben; aber wir alle wissen, dass das nicht einfach zu entscheiden ist und dass es ein Problem ist, wie man das am Ende feststellen kann. Über diese Frage muss man sicherlich nachdenken.

Die andere Frage betrifft das Problem, dass für die Lebenspartnerschaft ein weiterer Teil geändert werden muss; sonst bringt das gar nichts. Denn wenn wir die verschiedenen Formen der Lebenspartnerschaften zwar einschließen, aber bei der homologen Insemination – ich musste den Begriff auch erst lernen – bleiben, dann wird das nichts bringen. Das heißt, wir müssen auch eine andere Form der Insemination einschließen, die im Übrigen im Moment für niemanden bezahlt wird; das möchte ich deutlich sagen. Dabei stellen sich dann aber auch ein paar rechtliche Fragen, die die Rechte der Kinder und derjenigen betreffen, die in dem Fall als Dritte zwingend beteiligt sind, also die leiblichen Väter. Das hat deutlich gravierendere Auswirkungen, als es in dem Gesetzentwurf, den Sie uns hier vorlegen, deutlich wird.

Ich will ausdrücklich sagen: Wir sind dafür, dass an dieser Stelle darüber geredet wird. Wir werden versuchen, offen und vernünftig darüber zu diskutieren und es miteinander zu besprechen. Aber ob der Gesetzentwurf, so wie Sie ihn vorlegen, am Ende wirklich zielführend ist, muss sich in der Diskussion erst noch zeigen. Das wird sich zeigen, wenn wir die Fragen angehen, die mit dem Gesetzentwurf aufgeworfen werden.

Ich will zumindest noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der durchaus eine Rolle spielt. Es geht um die Frage – Sie haben das selbst mit der Verschärfung des Begriffs „medizinisch“ deutlich gemacht –: Für was soll eigentlich die Versichertengemeinschaft zahlen? Wir reden hier über die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen, also die Versichertengemeinschaft, für bestimmte Leistungen. Auch das müssen wir uns an der Stelle durchaus noch einmal anschauen.

Das hat natürlich auch mit der Frage, wie es funktioniert und welche Erfolgsaussichten es gibt, zu tun. Da komme ich noch einmal auf das zurück, was Herr Hüppe zum Schluss gesagt hat. Diese Diskussion ist tatsächlich nicht neu. Sie wurde schon mehrfach geführt, und zwar mit dem Hinweis darauf, dass eine Abwägung der Erfolgsaussichten – auch das habe ich jetzt lernen müssen; der Begriff dafür ist Baby-take-home-Rate – und der gleichzeitig vorhandenen Risiken, die eine solche Behandlung mit sich bringt – das kann man nicht wegdiskutieren –, erfolgen muss, um zu entscheiden, ob es wirklich sinnvoll ist, den Kreis auszuweiten.

Wir werden das betrachten. Wir freuen uns auf die Diskussionen im Ausschuss und auf die sicherlich anstehenden Anhörungen. Für uns ist völlig klar, dass wir dem grundsätzlichen Ziel, keine Diskriminierung von gewählten Lebensgemeinschaften, Lebenspartnerschaften näher kommen müssen. Ob dieser Gesetzentwurf der richtige Ansatz ist, bleibt durchaus fraglich.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Dr. Harald Terpe für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4291829
Wahlperiode 18
Sitzung 76
Tagesordnungspunkt Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung
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