18.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 76 / Tagesordnungspunkt 5

Marcus WeinbergCDU/CSU - Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Terpe, die Zwischenfrage des Kollegen Röspel hat es noch einmal deutlich gemacht. Sie haben versucht, Ihren Gesetzentwurf etwas zu relativieren. Dieser sei quasi wie eine kleine Fußnote, und in den parlamentarischen Beratungen könne man das eine oder andere vielleicht doch noch verändern.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Sie merken, es geht um mehrere Grundsatzfragen: Es geht um die Frage der Gesundheit, um die Frage der Bewertung von Familienleitbildern und um die Frage der Diskriminierung. Außerdem geht es um die Frage, was der Staat leisten kann und leisten soll, wenn es darum geht, diejenigen zu unterstützen, die sich Kinder wünschen, denen dieser Wunsch aus gesundheitlichen Gründen aber nicht erfüllt werden kann.

Frau Dörner, noch einmal zu Ihrer Bewertung der Vielfalt von Familienbildern. Da sind wir gar nicht auseinander.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Da sind wir sehr weit auseinander!)

Die Frage der Übernahme von Verantwortung stellt sich in Ehen und in Nichtehen. Man merkt, dass die Lebensformen von Kolleginnen und Kollegen der einzelnen Fraktionen sehr stark differieren. Das alles hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Wir als Union sind der Auffassung, dass der Staat darauf reagieren muss. Er muss den verschiedenen Familienleitbildern gerecht werden.

Ich finde es gut, dass Sie den Fokus auf das Thema Verantwortung setzen. Insofern werden Sie im Zuge Ihrer Reformbestrebungen sicherlich zu der Erkenntnis gelangen, dass das Ehegattensplitting richtig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es gibt nur eine Form von Gemeinschaft, in der Verantwortung nicht nur freiwillig übernommen wird, sondern in der es eine gesetzliche Verpflichtung mit allen daraus erwachsenden Folgewirkungen gibt, und das ist die Ehe. Diese wird zu Recht durch das Grundgesetz besonders geschützt. Die Ehe ist mit besonderen Rechten und Pflichten versehen. Die Ehe hat gesetzlich eine Verantwortungsübernahme zur Folge.

Das heißt, die Ehe ist die einzige Form, die Paaren einen Anspruch gibt auf gegenseitigen Unterhalt, auf Versorgungsausgleich und auf Erbschaft. Diese ökonomische Sichtweise ist übrigens gar nicht so uninteressant, weil es auch um die Kinder geht. Wenn es eine ökonomische Sicherheit für beide Partner gibt, dann gibt es sie mittelbar auch für die Kinder. Das Kindeswohl steht für uns im Zentrum.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])

Anders als bei Unverheirateten gibt es bei verheirateten Paaren gesetzliche Hürden bei Auflösung der Gemeinschaft. Nun können Sie sagen: Es verändert sich ja alles. – Sie haben in diesem Zusammenhang die Scheidungsraten angesprochen. Frau Dr. Leikert hat vorhin klargestellt, dass es empirisch nachgewiesene Unterschiede gibt zwischen Ehen und Nichtehen.

Politik kann sich aber nicht und sollte sich auch nicht nach irgendwelchen Raten und Quoten richten und danach aktuelle ethisch-moralische Grundsätze formulieren. Wir sollten nicht dem Zeitgeist hinterherlaufen, sondern wir sollten den Wert verbindlicher Verantwortung stärken. Das ist bei der Ehe gegeben. Deswegen ist das ein Leitmotiv unserer Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Dörner, Sie haben unser Regierungsprogramm sicherlich mit großer Freude gelesen.

(Zuruf der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich werde Sie einmal als potenzielle Wählerin in Betracht ziehen. Dabei sind Sie sicherlich auf die Formulierung mit dem Diskriminierungsverbot gestoßen. Unser Programm steht im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 und dem jüngsten Urteil des Landessozialgerichts.

(Mechthild Rawert [SPD]: Wir können alles ändern!)

Die Beschränkung der Kofinanzierung bei künstlicher Befruchtung auf verheiratete Paare ist verfassungsgemäß. Das ist nicht diskriminierend. Das hat das Landessozialgericht bestätigt. Wir begrüßen das ausdrücklich.

Vielleicht sollte man noch einmal deutlich machen, worüber man eigentlich redet. Es geht nicht um die Frage des Verbots oder des Nichtverbots. Es geht nicht um die Frage: Ja oder Nein! Es geht bei der Frage der Unterstützung der künstlichen Befruchtung darum, was der Staat zusätzlich leisten sollte. Es geht also um die Beiträge des Staates und nicht um die Frage, ob wir ein Verbot aufrechterhalten. Dieses Verbot gibt es nicht.

Was das Ziel des Ganzen angeht, muss es doch im Interesse der Kinder sein, in einer stabilen Partnerschaft aufzuwachsen. Sie ist zwar auch möglich, wenn man nicht verheiratet ist, und möglicherweise gibt es auch Ehen, die diese nicht garantieren. Aber in der Frage, wie Kinder aufwachsen, muss der Staat doch danach streben, das höchste Maß an Stabilität zu erreichen. Aufgrund dieses auch verfassungsrechtlich garantierten Schutzgedankens sind die besonderen Privilegien, die Verheirateten zugestanden werden, gerechtfertigt. Hierzu gehört die Begrenzung auf Eheleute nicht nur beim gesetzlichen Anspruch auf künstliche Befruchtung, sondern auch beim gesetzlichen Anspruch beispielsweise auf Familienversicherung.

Wir alle wissen, dass der Leidensdruck derjenigen, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben, groß ist. Weil wir das wissen, halten wir es für angemessen, dass nach der bestehenden Rechtslage Anteile der Kosten für die assistierte Reproduktion durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen werden. Es wurde schon angesprochen, dass die ehemalige Ministerin Schröder die Förderung ausgeweitet hat, nämlich auf 25 Prozent des Eigenanteils, unter der Voraussetzung, dass sich das jeweilige Bundesland beteiligt. Über diese Frage kann man diskutieren. Einige Bundesländer machen das; andere machen es nicht.

(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Wie viele grüne Länder machen es denn?)

– Ich weiß nicht, ob Baden-Württemberg es zurzeit macht.

(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Nein! – Mechthild Rawert [SPD]: Nein, hauptsächlich die Ostländer! Die Flächenländer! Sachsen-Anhalt prüft sogar, noch weitere Kosten zu übernehmen!)

Das ist aber eine interessante Frage des Kollegen Hüppe. – Aber wenn man darüber diskutiert, dies noch weiter auszuweiten, dann muss geklärt werden – das wurde bereits angesprochen –, aus welchem Etat das zu finanzieren ist. Wenn man dafür andere gesetzliche Leistungen oder Familienleistungen kürzen will, dann wäre das sicherlich ein Problem.

Frau Dörner hat darauf hingewiesen, dass nicht jeder die Kosten selber tragen kann, auch weil es beim ersten Versuch häufig nicht klappt und deshalb weitere Versuche notwendig sind. Damit komme ich zu dem Kollegen Röspel, der noch einmal sehr deutlich skizziert hat, worum es bei der Frage der Finanzierung auch geht. Es geht nämlich auch darum, welche Erfolgsaussichten bestehen. Denn wir reden über eine Behandlung, die mit Risiken und gesundheitlichen Problemen verbunden ist.

Ich glaube, Frau Dörner möchte eine Zwischenfrage stellen.

Ich habe die Uhr angehalten. – Die Kollegin Dörner hat das Wort zu einer Bemerkung oder Zwischenfrage.

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Herr Kollege. – Nachdem Ihnen von den Kollegen der unterschiedlichsten Fraktionen schon mehrfach erklärt worden ist, was in unserem Gesetzentwurf steht, wundere ich mich, warum Sie weiter so reden, als hätten Sie die Informationen weder vorher gehabt noch der Debatte entnehmen können.

Mir ist es wichtig, festzuhalten: Die Frage, wie häufig eine künstliche Befruchtung finanziert wird, oder auch der Umfang der Finanzierung haben mit unserem Gesetzentwurf nichts zu tun. Wir haben insofern keine Änderung vorgeschlagen und haben das auch nicht vor, sondern es geht uns ausdrücklich und ganz konkret darum, eine Gleichstellung zwischen verheirateten Paaren, unverheirateten Paaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften zu erreichen. Das ist das Einzige, was unser Gesetzentwurf vorsieht. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen und zum Text unseres Gesetzentwurfs und zum Kern der Debatte zu sprechen, statt immer weiter so zu tun, als hätten wir etwas vorgeschlagen, was aber gar nicht im Gesetzentwurf enthalten ist, und so dazu beizutragen, dass diese Debatte immer unsachlicher wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank für Ihre Erklärung und die damit verbundene Bitte. Wenn Sie die ersten 4 Minuten und 22 Sekunden zugehört hätten, wüssten Sie, dass der Schwerpunkt meiner Argumentation auf der Ausweitung auf nichteheliche Partner lag. Sie haben eine Grundsatzdebatte entfacht,

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das haben wir nicht!)

und dann sollten wir auch grundsätzlich darüber diskutieren – das war auch der Punkt, den Kollege Röspel angesprochen hat –, welche Auswirkungen das hat.

Sie können nicht einfach eine kleine Fußnote skizzieren. Wenn Sie Wind säen, werden Sie Sturm ernten. Also müssen Sie auch eine Debatte aushalten, die grundsätzlich die Frage aufwirft, worum es eigentlich geht, Frau Dörner.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann wollen Sie es für alle verbieten?)

– Sie müssen mir nicht zuhören. Sie können auch parallel dazu unser Regierungsprogramm lesen. Das haben Sie schon einmal gemacht, und das ist nicht schlecht.

Ich will noch einmal darauf verweisen, dass die Baby- take-Home-Rate – allein das Wort ist schrecklich – bei 17,7 Prozent liegt und welche Folgewirkungen das hat. Das heißt, über 80 Prozent der Versuche bleiben erfolglos. Dabei ist die künstliche Befruchtung mit Risiken verbunden, sowohl gesundheitlicher als auch emotionaler Art. Die Folgewirkungen – das zeigt sich auch im persönlichen Umfeld, wenn man Personen kennt, die keinen Erfolg hatten – sind teilweise verheerend.

(Beifall des Abg. Hubert Hüppe [CDU/CSU])

Das ist ein weiterer Punkt, der in dieser Debatte eine Rolle spielt, Frau Dörner, auch wenn er im engeren Sinn nicht im Gesetzentwurf formuliert ist.

Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum von 2011 über die Aufklärung bei Verfahren der künstlichen Befruchtung hat ergeben, dass viele Paare nicht angemessen beraten werden bzw. sich nicht angemessen beraten fühlen. Wenn Sie eine Ausweitung der Kostenübernahme vornehmen, dann erzeugen Sie eine gewisse Erwartungshaltung bei den Menschen.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie es denn für alle verbieten?)

Dies ist nicht ungefährlich und passt nicht zu diesem Thema.

Frau Dörner, im Zusammenhang mit der von Ihnen angestrebten Ausweitung ist auch anzusprechen, dass mit den Methoden der künstlichen Befruchtung in diesem Land viel Geld verdient wird. Eine Behandlung kostet durchschnittlich 3 000 Euro. Bei über 80 000 Behandlungen, die es im Jahr 2013 gab, kommt man auf einen Gesamtbetrag in Höhe von rund 250 Millionen Euro.

(Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Herr Terpe, bei allem Verständnis, ich lasse keine Zwischenfrage mehr zu. – Angesichts dieser Zahlen ist es nicht weltfremd, anzunehmen, dass die Zahl der künstlichen Befruchtungen durch eine Ausweitung der Kostenübernahme zunehmen wird.

Zu dem, was die ehemalige Kollegin Bender von den Grünen gesagt hat, wurde schon viel gesagt. Auch ich wollte sie, ähnlich wie Hubert Hüppe es getan hat, zitieren.

Wir sollten jedenfalls nicht vergessen, dass Kinder das Recht haben, zu erfahren, woher sie kommen. Aus der Adoptionsforschung wissen wir, dass sehr viele Kinder darunter leiden, dass sie nicht wissen, woher sie kommen. Dieser Aspekt sollte in den Diskussionen in den nächsten Wochen und Monaten sowohl in der Familienpolitik als auch in der Gesundheitspolitik berücksichtigt werden. Insofern bedarf Ihr Gesetzentwurf einer ausführlicheren Diskussion, als Sie eigentlich wollten.

Kollege Weinberg, da Sie die letzte Zwischenfrage nicht zugelassen haben, haben Sie nun Ihre Redezeit überschritten.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4291898
Wahlperiode 18
Sitzung 76
Tagesordnungspunkt Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung
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