18.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 76 / Zusatzpunkt 5

Oliver KrischerDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde zur Kritik an der Infrastrukturabgabe

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt in der Verkehrs- und Mobilitätspolitik unglaublich viele Herausforderungen. Aber leider muss man feststellen: Nach einem Jahr Große Koalition haben Sie nicht einmal angefangen, sich diesen Herausforderungen zu widmen. Stattdessen beschäftigen Sie, der Minister, das Ministerium, die gesamte Bundesregierung, sich mit einer Ausländermaut, die Besucher aus dem Ausland diskriminiert, die europarechtswidrig ist, die verfassungsrechtlich fragwürdig ist, die keine ökologische Lenkungswirkung hat, die ein Bürokratiemonster irrsinnigen Ausmaßes ist und die auch noch riesige Datenschutzprobleme aufwirft. Meine Damen und Herren, das ist die Fortsetzung des Betreuungsgeldes in der Verkehrspolitik. Das ist Verkehrspolitik absurd. Eine Große Koalition sollte sich schämen, hier so etwas vorzulegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Lächerlich!)

Ich kann Ihnen hier eines sagen: Wenn man bisher draußen im Lande unterwegs war, dann hatte man bei manchem Christdemokraten – ich sehe Herrn Kollegen Wittke da sitzen – und manchem Sozialdemokraten den Eindruck, dass sie mit dieser Ausländermaut gar nichts zu tun haben, dass das irgendein Projekt von irgendwelchen Bierzeltjunkies der CSU à la Seehofer und Dobrindt ist. Aber jetzt, seit gestern, haben wir eine neue Qualität: Das ist die Ausländermaut der Sozialdemokraten, und das ist das Bürokratiemonster der Christdemokraten. Das werden wir ihnen überall aufs Butterbrot schmieren, wo das zutage tritt, wo die Menschen sich dagegen wehren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich kann Ihnen hier eines sagen: In einer Koalition muss man – das ist richtig – Kompromisse machen; das ist okay. Aber Kompromisse machen heißt nicht, dass man Schwachsinn beschließen muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich appelliere hier an alle Abgeordneten der Großen Koalition: Versenken Sie diesen Unsinn! Lassen Sie diese Ausländermaut!

Außerdem machen Sie noch etwas anderes – das hat ja gestern noch einmal eine ganz neue Qualität bekommen –: Sie schwören Stein und Bein, dass deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer nicht belastet werden sollen. Meine Damen und Herren der Großen Koalition, warum schreiben Sie das dann nicht in die Gesetze, die Sie hier vorlegen? Warum verstecken Sie das in einer Protokollnotiz zur Kabinettssitzung, die Sie noch nicht einmal dem Deutschen Bundestag zur Verfügung stellen? Ich kann Ihnen sagen, warum: Wenn Sie das in ein Gesetz schreiben würden, wäre es europarechtlich nicht konform. Das heißt aber: Sie belügen die deutsche Öffentlichkeit. Am Ende sollen die deutschen Autofahrer zahlen. Das wird das Ergebnis Ihrer Ausländermaut sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich sage Ihnen: Deutsche Autofahrerinnen und deutsche Autofahrer werden sowieso zahlen, weil die Niederlande, Dänemark und Belgien, wo es bisher keine Maut gibt, schon angekündigt haben, dass sie auf die deutsche Ausländermaut reagieren werden. Dann werden deutsche Autofahrer, die in den Niederlanden, zum Beispiel in Zeeland oder in Zuid-Holland, Urlaub machen – das ist ja wahrlich nicht der Jetset in Deutschland –, für Ihre Politik bezahlen müssen. Genau das wird das Ergebnis sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dass Sie sich diesem ganzen Zinnober widmen, könnte ich ja noch verstehen, wenn da Milliarden erlöst würden. Das ist aber überhaupt nicht der Fall. Die Berechnungen, die uns vorliegen, gehen davon aus, dass es ein Nullsummenspiel wird und am Ende der Aufwand genauso hoch wie der Ertrag dieser Maut sein wird. Und da wird es unglaublich: Seit Monaten erzählt Herr Dobrindt von Hunderten von Millionen Euro, die angeblich an Nettoeinnahmen übrig bleiben sollen. Wir haben Dutzende von Fragen nach der Berechnungsgrundlage für diese Zahlen gestellt.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Diese ist uns bis heute nicht vorgelegt worden,

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Skandalös!)

und wer diese Berechnungsgrundlage nicht vorlegt, der sagt nicht die Wahrheit. Die Zahlen sind vom Minister frei erfunden, um hier eine Akzeptanz für das absurde CSU-Projekt, das jetzt ein Projekt der Großen Koalition ist, zu schaffen. Das werden wir nicht hinnehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Was wir tatsächlich brauchen, ist eine Ausweitung der Lkw-Maut. Das wäre verursachergerecht.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Wieder keine Ahnung!)

Über 90 Prozent der Schäden an Brücken und Straßen werden von Lkw verursacht. Das steht selbst in Ihrem eigenen Wegekostengutachten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau, da steht es drin!)

Deshalb wäre es richtig und verursachergerecht, die Lkw-Maut auf alle Straßen und alle Lkw auszuweiten, statt den Lkw-Verkehr über Steuern und eine absurde Ausländermaut zu subventionieren. Das würde 4 Milliarden Euro bringen. Das wäre die richtige Antwort auf die Frage, wie wir die Verkehrsinfrastruktur erhalten. Dazu kommt von Ihnen aber nichts. Im Gegenteil: Sie haben in diesem Sommer die Lkw-Maut noch abgesenkt. Das ist Verkehrspolitik pervers.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Mein Gott!)

Wenn es am Ende so sein sollte, dass die Restvernunft der Großen Koalition in der Verkehrspolitik nicht ausreicht, dann setze ich auf die Europäische Kommission, auf andere Länder wie die Niederlande, die gegen diese Politik klagen werden. Wir werden diese mit allen Mitteln unterstützen, damit dieses Unsinnsprojekt Ausländermaut beerdigt wird, in den Papierkorb kommt, dahin, wo es von Anfang an hätte bleiben sollen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4292112
Wahlperiode 18
Sitzung 76
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Kritik an der Infrastrukturabgabe
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