Ursula von der LeyenCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Afghanistan (RSM)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2015 bringt große Veränderungen für Afghanistan, aber auch für unsere Soldatinnen und Soldaten.
In diesem Sommer hat es zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Afghanistan einen Machtwechsel gegeben, der demokratisch und friedlich war. Es macht Mut, zu sehen, mit welcher Entschlossenheit, aber offensichtlich auch Geschlossenheit sich jetzt die neue Regierung ans Werk macht. Ich habe am letzten Wochenende Gelegenheit gehabt, Präsident Ghani zu sprechen. Er hat mir in unserem Gespräch in Kabul in eindrucksvoller Weise gezeigt, wie klar er den Weg vor sich sieht, wie einen Dreiklang: Das Wichtigste für ihn ist die politische Versöhnung, sowohl nach innen, also innerhalb der Bevölkerung, als auch nach außen, insbesondere mit Pakistan. Er hat sehr klar gesagt, wie wichtig ihm eine starke wirtschaftliche Entwicklung des Landes ist, wissend, dass Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung eng miteinander verflochten sind. Außerdem sieht er seine Aufgabe darin, für eine akzeptable Sicherheitslage zu sorgen. – Damit stehen Präsident Ghani und das Land Afghanistan vor einer großen Aufgabe. Sie haben aber auch die ganz große Chance, die Geschicke dieses Landes in die richtige Richtung zu lenken, und dabei brauchen sie unsere volle Unterstützung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Mit der neuen Resolute Support Mission wird sich unser Auftrag wesentlich ändern. Es ist kein Kampfeinsatz mehr. Es geht künftig um gezielte Beratung. Wir sind jetzt dort, wo wir effektiv ausbilden, wo wir klug beraten, wo wir angemessen unterstützen können. Wir sind dort, wo wir gebraucht werden, und wir werden gebraucht. Die afghanischen Sicherheitskräfte haben bei den Wahlen bewiesen, dass sie in der Lage sind, für eine Sicherheitslage zu sorgen, die Wahlen zulässt. Das heißt, die Grundfertigkeiten sind da, aber jetzt kommt es darauf an, dass dies zu einem Ganzen geformt wird und dass die Fähigkeiten dauerhaft verfestigt und vor allem verfeinert werden.
Ich war im Camp Shaheen, das viele von Ihnen kennen. Dort habe ich General Wesa gesprochen. Er hat – typisch für Afghanistan – das, was vor uns liegt, die gemeinsame Aufgabe, mit einem Bild umschrieben: Wir haben gemeinsam einen Baum gepflanzt, ihn gepflegt und gehegt, und jetzt ist er groß genug, die ersten Früchte zu tragen. Aber dieser Baum braucht weiter die gemeinsame Pflege. – Wenn ich in diesem Bild bleiben darf: Wir treten bei der Pflege dieses Baumes jetzt gewissermaßen in die zweite Reihe, und die Afghanen sind in der ersten Reihe.
Sie sagten mir auch, dass schon die bloße Anwesenheit unserer Polizistinnen und Polizisten, der Soldatinnen und Soldaten wiederum den afghanischen Polizisten, den afghanischen Sicherheitskräften, aber auch der Bevölkerung ein Gefühl von Sicherheit gibt. Das heißt, die Afghanen verlassen sich auf uns. Wir haben einen Ruf zu verteidigen, nämlich den Ruf des zuverlässigen Partners, und auch den Ruf, dass wir das sorgsam zu Ende bringen, was wir angefangen haben.
Wo stehen wir nach 13 Jahren ISAF und jetzt im Übergang? Die Sicherheitslage ist heute wesentlich besser als noch zu Beginn der Mission, aber sie ist ohne Zweifel immer noch fragil. Im Augenblick häufen sich die Anschläge in Kabul. Die Taliban konzentrieren sich vor allem auf die Hauptstadt. Es geht ihnen darum, Angst zu schüren und das Vertrauen der Bevölkerung in die junge Regierung zu desavouieren. Vor wenigen Tagen ist ein deutscher Entwicklungshelfer bei einem perfiden Selbstmordattentat in Kabul ermordet worden. Ja, das ist zweifelsohne die eine Realität dieses Landes.
Aber es gibt eben auch die andere Realität, die ganz viele hier im Raum kennen: junge motivierte Menschen, die bereit sind, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen und ihr Land mit nach vorne zu bringen. Ich hatte die Freude, zehn junge afghanische Frauen, alle um die 20, kennenzulernen, die Rechtswissenschaften in Balkh studieren und fest entschlossen sind, sich auch in Zukunft für die Rechte der Frauen und ihres Landes einzusetzen. Es berührt einen, zu sehen, mit welcher Zukunftsfreude und Entschlossenheit diese jungen Frauen auftreten.
Afghanistan hat die Chance auf eine gute Zukunft, wenn die politisch Verantwortlichen an einem Strang ziehen – im Augenblick sind das maßgeblich Abdullah Abdullah und Ghani –, wenn die Staaten der Region, vor allem Pakistan, einen Versöhnungsprozess mit Afghanistan wagen und wenn wir, die internationale Gemeinschaft, genügend Ausdauer beweisen, um uns weiter für dieses Land zu engagieren.
Wir als Bundesregierung sind bereit, in der Diplomatie und in der Entwicklungszusammenarbeit unsere Beiträge zu leisten. Das gilt für die Polizei, und das gilt auch für die Bundeswehr. Wir wollen uns in Resolute Support Mission künftig mit 850 Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan engagieren. Wir werden wie bisher im Norden die Verantwortung übernehmen, und zwar gemeinsam mit 20 weiteren Nationen. Das Ganze findet grundsätzlich „inside the wire“, also in geschützten Anlagen, statt. Wir werden vor allem für die Speiche Masar-i- Scharif verantwortlich sein, aber eben auch für Kabul. Dort werden wir uns im Verteidigungsministerium engagieren. Damit zeigt sich, dass Resolute Support Mission einen völlig anderen Charakter als ISAF hat. Wir beantragen das Mandat heute für ein Jahr. Dieses Jahr wollen wir maximal ausnutzen. Das heißt, es geht uns jetzt vor allem darum, diese Mission breit mit Leben zu füllen.
ISAF war das umfänglichste Engagement des deutschen Militärs in der Geschichte der Bundesrepublik. 135 000 Soldatinnen und Soldaten haben in Afghanistan ihren Einsatz geleistet. 55 Soldaten haben in diesem Kampfeinsatz ihr Leben verloren, 35 davon sind gefallen, und Hunderte sind verwundet an Leib und Seele zurückgekehrt. All denen, die an diesem Engagement beteiligt waren, gilt unser ganz hoher Respekt und vor allem unsere besondere Dankbarkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch angesichts dieser Opfer sollte es uns Verpflichtung sein, die Mission behutsam und verantwortungsvoll zu Ende zu bringen. Dafür bitte ich Sie um Unterstützung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Als nächster Redner erhält Jan van Aken das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4292574 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Afghanistan (RSM) |