Andreas NickCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Afghanistan (RSM)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast auf den Tag genau 13 Jahre nach dem Petersberger Abkommen geht die Entwicklung Afghanistans in eine entscheidende neue Phase. Im Rahmen der beendeten ISAF-Mission war die Bundeswehr mit insgesamt 135 000 Einsätzen in Afghanistan beteiligt, darunter auch das Lazarettregiment 21 aus Rennerod in meinem Wahlkreis. Unser Dank gilt deshalb zuerst allen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, den Mitgliedern der Bundespolizei, den zivilen Mitarbeitern und ihren Angehörigen; denn ohne sie und ihr unermüdliches Engagement stünde Afghanistan heute nicht dort, wo es ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Natürlich denken wir dabei besonders an die 55 Soldaten, die in diesem Einsatz ihr Leben verloren haben.
Nach 13 Jahren bleibt festzuhalten: Wir haben dieses Land und seine Menschen weder dem Chaos noch der Schreckensherrschaft der Taliban überlassen. Wenn die Linke in ihrem Entschließungsantrag heute so tut, als sei der ISAF-Einsatz die Ursache aller Probleme in Afghanistan, dann zeigt das nicht nur einmal mehr ihre Wirklichkeitsverweigerung und ideologische Verblendung, sondern es ist auch eine unerträgliche Herabsetzung unserer Soldaten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir schulden allen, die sich für das Land engagiert und eingesetzt haben, dass Afghanistan mit dem Ende von ISAF nicht erneut ins Chaos zurückfällt. Die Entwicklung im Irak hat uns doch gerade gezeigt, welche Folgen ein allzu übereilter Abzug aus der Verantwortung haben kann.
Es ist schon darauf hingewiesen worden: Erstmals hat in diesem Jahr eine demokratisch gewählte Regierung in Kabul die Verantwortung für das Land – bei allen damit verbundenen Schwierigkeiten – an eine ebenfalls demokratisch gewählte Nachfolgeregierung übergeben. 2015 beginnt eine neue Dekade der Transformation in Afghanistan mit dem eindeutigen Schwerpunkt auf zivilen und entwicklungspolitischen Zielen. Das heißt auch: Die afghanischen Sicherheitskräfte müssen die Verantwortung für die Sicherheit im Land künftig selbst übernehmen. Dabei werden wir sie aber auch in Zukunft unterstützen. Die militärische Nachfolgemission Resolute Support ist deshalb auch kein Kampfeinsatz mehr, sondern im Kern eine unterstützende Ausbildungs- und Trainingsmission.
Aber täuschen wir uns nicht: Wir werden in Afghanistan einen langen Atem brauchen, damit dort der Übergang hin zu einem langfristig stabilisierten Staat gelingen kann. Dazu gehört auch verstärktes wirtschaftliches Engagement für dieses Land. 65 Prozent der Bevölkerung in Afghanistan sind unter 25 Jahre alt. Diese jungen Menschen brauchen für ihr Leben auch eine persönliche und berufliche Perspektive in ihrer Heimat. Wahr ist auch, dass 80 Prozent des afghanischen Staatshaushaltes heute noch von der internationalen Gemeinschaft finanziert werden, ein dauerhaft nicht haltbarer Zustand.
Unser Engagement in Afghanistan hat aber auch Bedeutung über das Land hinaus; denn eine erneute Destabilisierung hätte unmittelbare Konsequenzen für die gesamte Region, vor allem für das Nachbarland Pakistan. Der Bürgerkrieg in Syrien hat uns doch gezeigt, wie illusorisch die Vorstellung ist, solche Konflikte auf ein Land begrenzen und in ihren Auswirkungen isolieren zu können. Der am Dienstag verübte menschenverachtende Anschlag auf eine pakistanische Schule in Peschawar zeigt im Übrigen eindringlich, wie akut die Bedrohungslage in der gesamten Region weiterhin ist.
Auch für uns in Deutschland gilt: Die Erfahrungen in Afghanistan haben unsere Sichtweise auf militärische Auslandseinsätze nachhaltig verändert. Es ist richtig: Militäreinsätze allein beseitigen keine Konflikte, aber der militärische Beitrag ist dort zentral, wo es zunächst einmal darum geht, Sicherheit wiederherzustellen oder zu gewährleisten sowie lokale Sicherheitskräfte auszubilden. Aber dauerhaft werden sich Konfliktursachen nur mit einem breiten Ansatz von nachhaltiger Entwicklung, vernetzter Sicherheit und ziviler Krisenprävention erfolgreich beseitigen lassen.
Zur politischen Bewertung gehört daher auch eine kritische Überprüfung, was die verschiedenen Einsätze gebracht haben und was man für die Zukunft daraus lernen kann – bei der Zieldefinition ebenso wie bei der Gewichtung der eingesetzten Instrumente. Damit schaffen wir auch die notwendige Grundlage für eine ausreichende strategische Tiefe bei möglichen künftigen Einsätzen. Nur so werden wir es auch erreichen, die strategischen Erfordernisse künftiger Missionen unseren Bürgerinnen und Bürgern plausibel zu vermitteln. Bei diesen Aufgaben kann und muss der Prozess zur Erstellung eines neuen Weißbuchs einen wichtigen Beitrag leisten.
Gestatten Sie mir ein persönliches Wort zum Schluss. Ursprünglich war ich heute nicht als Redner in dieser Debatte vorgesehen;
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das merkt man!)
denn eigentlich hätte für meine Fraktion unser geschätzter Freund und Kollege Andreas Schockenhoff hier stehen sollen. Auch in den Fragen unseres Engagements in und für Afghanistan hat er die außenpolitische Debatte in Deutschland maßgeblich mitgeprägt. Seinem engagierten Wirken in dieser Frage bleiben wir auch mit unserer heutigen Entscheidung verpflichtet.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Wort hat der Kollege Florian Hahn für die CDU/ CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Afghanistan (RSM) |