Sonja SteffenSPD - Versorgungsausgleichsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin die letzte Rednerin. Deshalb erlaube ich mir, die Dinge etwas vereinfacht darzustellen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU])
Ich glaube, wir alle in diesem Hause sind uns einig: Der Versorgungsausgleich soll für Gerechtigkeit im Alter sorgen. Wir haben den Versorgungsausgleich in Deutschland übrigens seit 1977; davor gab es das Schuldprinzip, das vom Zerrüttungsprinzip abgelöst worden ist. In Ostdeutschland gibt es den Versorgungsausgleich erst seit der Wende. Das ist übrigens ein großer Nachteil für sehr viele geschiedene Frauen, die dadurch finanzielle Nachteile haben. Aber das ist ein anderes Thema, über das heute hier nicht diskutiert werden soll.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es auch eine Baustelle! Sehr richtig!)
Jedenfalls wurde 1977 nur jede fünfte Ehe geschieden; inzwischen ist es traurigerweise jede dritte Ehe. Das verpflichtet uns natürlich, immer wieder einen kritischen Blick auf die Gesetzgebung und die Gesetzeslage zu werfen. Ich denke, wir haben 2009 eine gute Reform verabschiedet; Herr Wunderlich hat sie ja dargestellt. Allerdings müssen wir uns trotzdem immer wieder aufs Neue fragen: Ist der Versorgungsausgleich wirklich an allen Stellen gerecht?
Wir haben heute schon verschiedentlich gehört – das ist, glaube ich, auch allgemein bekannt –: Eine Ehescheidung ist fast immer oder zumindest oft mit großen finanziellen Einschnitten verbunden, die sich häufig erst im Alter bemerkbar machen. Es ist tatsächlich so: Im Rahmen einer Ehescheidung wird viel über die Höhe des Unterhalts diskutiert. Weniger Augenmerk wird auf den Versorgungsausgleich gelegt. Das dicke Ende bzw. das böse Erwachen kommt erst zum Schluss, nämlich dann, wenn es um die Rente geht und man feststellt, wie unterschiedlich hoch die Anwartschaften sind. Wir haben hier schon entsprechende Beispiele gehört; Frau Keul etwa hat Äpfel mit Birnen verglichen.
Auch ich möchte das Wesentliche ganz kurz am Beispiel zweier Ehen darstellen: Nehmen wir die Eheleute Müller, die ganz normal gesetzlich rentenversichert sind. Ehemann Müller hat 1 000 Euro Rentenanwartschaften, seine Ehefrau hat 500 Euro Rentenanwartschaften. Unter dem Strich ist es nach einer komplizierten Verrechnung dann so, dass die geschiedene Ehefrau später 250 Euro mehr Rente bekommt und der Ehemann 250 Euro abgeben muss, sodass beide mit Anwartschaften in Höhe von 750 Euro, die sie während der Ehe erworben haben, rechnen können. Das ist übrigens gerecht. Das gilt aber nur im Hinblick auf die gesetzliche Rente, die Beamtenversorgung und die berufsständischen Versorgungswerke. Was die Betriebsrenten betrifft, ist es nicht so. Hier gibt es die Sonderregelung des § 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes, über die wir heute reden.
Auch hierzu ein kurzes Beispiel. Nehmen wir die Eheleute Berger. Bei den Eheleuten Berger ist es so, dass der Ehemann neben seinen gesetzlichen Anwartschaften noch 800 Euro Betriebsrente bekommt. Davon nimmt man ihm 400 Euro weg – dieser Betrag würde dann im Grunde genommen für seine Ehefrau zur Verfügung stehen –, und er behält 400 Euro. Aber die Ehefrau erhält im Alter eben nicht diese 400 Euro. Aufgrund der derzeitigen Zinssätze bekommt sie – auch dazu haben wir schon Berechnungen gehört – vielleicht 250 Euro, vielleicht 300 Euro, vielleicht auch nur 200 Euro, jedenfalls nicht die hälftigen Anwartschaften. Das ist in der Tat nicht gerecht.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deshalb muss ich Ihnen sagen, dass ich den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für gar nicht so schlecht und für nicht unvernünftig halte.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es mag vielleicht andere Wege geben. Darüber werden wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens reden.
Im Übrigen ist das auch haushalterisch nicht unvernünftig. Im Gegenteil: Es belastet nicht den Steuerzahler und auch nicht die Rentenkassen.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)
Es sind nur die Unternehmen, die dann anders rechnen müssen, und zwar im Grunde genommen so, als ob ihr Arbeitnehmer eben nicht geschieden worden wäre.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Gabriel wird es knicken, weil es die Unternehmen belastet!)
Ich erlaube mir in der restlichen Zeit noch ganz kurz, ein weiteres Anliegen vorzubringen, das ich aus dem Petitionsbereich kenne. Auch das betrifft die Betriebsrenten.
Gehen wir vom Normalfall aus, den gesetzlichen Anwartschaften, und erinnern wir uns an die Eheleute Müller: Wenn die geschiedenen Eheleute Müller Rente bekommen, dann erhalten sowohl der geschiedene Ehemann als auch die geschiedene Ehefrau 750 Euro. Das ist gerecht verteilt. Wenn nun die Ehefrau innerhalb von 36 Monaten nach dem Beginn des Rentenbezuges bedauerlicherweise stirbt, dann erhält der Ehemann – hierfür gibt es eine Härtefallregelung – wieder die volle Rente. Das finden wir auch sehr gut. Wir haben das hier so beschlossen und die Frist sogar von zwei auf drei Jahre verlängert.
Bei den Betriebsrenten gibt es das aber nicht. Unser Herr Berger erhält im Falle der Scheidung 400 Euro statt 800 Euro. Wenn seine Ehefrau in Rente geht und ein halbes Jahr nach dem Beginn des Rentenbezugs stirbt, dann bleibt es bei seinen 400 Euro. Er hat dann 30 Jahre lang oder noch länger gearbeitet, um eine Betriebsrente von 800 Euro zu erhalten, erhält aber auch im Falle des Todes seiner früheren Ehefrau für den Rest seines Lebens nur noch 400 Euro. Ich finde, man müsste auch darüber nachdenken, ob man das nicht auch ändern sollte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum Schluss will ich noch ein kleines, aber sehr dickes Brett bohren – ich hoffe, das wird mir erlaubt –: Wir könnten auch einmal darüber nachdenken, dass wir bei einer Ehe von Anfang an zwei getrennte Konten bilden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir teilen die Anwartschaften also von Anfang an. Jeder Ehegatte erhält sein eigenes Konto. Dann brauchen wir gar keinen Versorgungsausgleich, und dann brauchen wir uns auch über die Witwenrente keine Sorgen mehr zu machen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])
Vielleicht ist das etwas für die Zukunft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4293237 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Versorgungsausgleichsgesetz |