18.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 76 / Tagesordnungspunkt 12

Gerold ReichenbachSPD - Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob man sich im politischen Geschäft bestimmter Themen annimmt und sich über bestimmte Dinge aufregt, ist nicht davon abhängig, ob man gleichzeitig Schaum vor dem Mund hat.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Sie schläfern immer alle ein!)

Der nun vorliegende Gesetzentwurf stellt einen wichtigen Schritt für den Datenschutz in Deutschland dar. Wir setzen mit diesem Gesetz um, was wir Sozialdemokraten seit Jahren fordern – natürlich haben die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs uns dabei geholfen –, nämlich eine völlige Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten. Lassen Sie mich dazusagen: Es ist nicht so, als wäre der Datenschutzbeauftragte bisher nicht unabhängig gewesen. Kein anderer als der Amtsvorgänger Peter Schaar hat deutlich gemacht, dass er durchaus in der Lage war, unabhängig zu agieren, und keinen Maulkorb hatte, obwohl das Gesetz damals noch eine Reihe restriktiverer Formulierungen enthielt, die der EuGH später moniert hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit dem Gesetz, dessen Entwurf vorliegt, machen wir die Datenschutzbeauftragte auch formal unabhängig, etwa mit § 23 BDSG. Es tut mir leid, Kollege Korte, da waren Sie offenbar auf einem anderen Sportplatz.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Aber die Sachverständigen von Ihnen haben das gesagt! Sie haben gesagt: „Streichen“!)

Alle Sachverständigen haben darauf hingewiesen, dass die Einvernehmensregelung in europarechtlicher Hinsicht schwierig ist. Deswegen haben wir das geändert. Aber alle Sachverständigen haben auch deutlich gemacht, dass damit, egal ob dort „kann“ oder „könnte“ steht, ein Abwägungstatbestand beschrieben ist, also nicht das, was Sie gerade versucht haben zu insinuieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Alle Sachverständigen haben ebenfalls deutlich gemacht, dass das, was der geplante § 23 Absatz 6 beinhaltet, nämlich den Hinweis auf „Nachteile für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder ihre Beziehungen zu anderen Staaten“, ohnehin bindende Wirkung für die Datenschutzbeauftragte hat, unabhängig davon, ob das in diesem Gesetz so formuliert ist oder nicht. Sicherlich kann man darüber diskutieren, ob das Gesetz solche Formulierungen unbedingt beinhalten muss, wenn sie nicht notwendig sind. Aber wir formulieren nichts von dem, was Sie gerade insinuiert haben, dass es nicht existieren würde, wenn es nicht im Gesetz stehen würde. Es handelt sich nämlich um ein Prinzip unserer Grundrechtsordnung. Wenn sie Ihnen nicht passt, müssen Sie es sagen. Aber dann können Sie es nicht daran festmachen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Nun kommen wir zum Kernbereich des Regierungshandelns. Es ist völlig unbestritten – das ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht ausgeurteilt –, dass der Kernbereich des Regierungshandelns verfassungsrechtlichen Schutz genießt.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das bestreitet niemand!)

Wir haben den Genehmigungsvorbehalt herausgenommen; auch das wurde in der Anhörung thematisiert. Die Bundesbeauftragte muss in die Lage versetzt werden, Erkenntnisse, die ihrer Behörde nicht vorliegen, von der Bundesregierung einzuholen, die es ihr ermöglichen, in eigener Verantwortung zu beurteilen, ob der Kernbereich des Regierungshandelns tangiert ist oder nicht. Das ist Sinn und Zweck dieser Benehmensregelung, nichts anderes. Wenn ich mir das Urteil betreffend Österreich anschaue, bei dem es um die Kontrolle laufender Verfahren geht, bin ich mir ganz sicher, dass dies in europarechtlicher Hinsicht in Ordnung ist. Letztendlich entscheidet die Bundesbeauftragte oder der Bundesbeauftragte eigenständig. Mit anderen Worten: Mit der jetzigen Formulierung ist der Maulkorb weg, wie es in den Medien tituliert worden ist.

Nun komme ich zu der von Ihnen geforderten Festlegung des Dienstsitzes. Dazu fällt mir nur ein: Wenn man nichts mehr zu meckern hat, geht man halt auf den Dienstsitz ein.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben doch nicht wir zitiert!)

Am Ende stellt sich wirklich die Frage, ob die Stellung der Bundesbeauftragten zum Parlament – das betrifft die Symbolik – abhängig vom Dienstsitz ist. Beim Bundesverfassungsgericht gibt es das Problem nicht; das sitzt in Karlsruhe. Beim Bundesverwaltungsgericht gibt es das Problem nicht; das sitzt in Leipzig.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da sitzt es gut!)

Beim Bundesrechnungshof sehen Sie das Problem auch nicht; der sitzt auch in Bonn. Also, wo liegt ausgerechnet beim Sitz der Bundesdatenschutzbeauftragten das Problem? Ich habe den Eindruck, dass es da nur nach dem Prinzip geht: Irgendetwas muss ich ja zum Meckern gefunden haben. – Mehr steckt nicht dahinter.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ebenso verhält es sich mit der Frage der Ausstattung. Wir alle wissen, dass die völlige Unabhängigkeit 2016 in Kraft tritt. Die Frage, wie eine angemessene Sachausstattung auszusehen hat, entscheidet wie immer in diesem Parlament der Haushaltsgesetzgeber, nämlich der des Jahres 2016. Sie können sich sicher sein, dass die Koalitionsfraktionen bei der Aufstellung des Haushalts 2016 darüber beraten werden – wir haben das schon einmal im Ausschuss deutlich gemacht –, welche Sachausstattung der neuen Aufgabe angemessen ist. Sie wären doch der Erste, der gesagt hätte: Jetzt kommen die Koalitionsfraktionen und schreiben in das Gesetz, dass bestimmte Ausgaben für das Jahr 2016 getätigt werden sollen. Daran sieht man wieder einmal, welchen Respekt die bräsige Große Koalition vor dem Haushaltsgesetzgeber 2016 hat. – Was beliebt Ihnen denn jetzt?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir gehen Stück für Stück und sachlich vor.

Das Gleiche gilt übrigens auch für das dritte Thema, das in der Anhörung behandelt wurde, nämlich die Sanktionen. Es ist richtig: Ein Teil dessen, was die Bundesdatenschutzbeauftragte überwacht, ist der Bereich des Telekommunikationsgesetzes. Da hat sie keine eigenen Sanktionsmöglichkeiten. Aber wir sagen: Bis 2016 wird die europäische Datenschutz-Grundverordnung vorliegen. Dann werden wir im Rahmen dieser Grundverordnung, die ohnehin eigene Sanktionsmöglichkeiten für die Datenschutzbeauftragten vorsieht, dieses Thema diskutieren. Es macht keinen Sinn, das heute mitregeln zu wollen.

Ich sage aus voller Überzeugung: Wir haben hier ein Gesetz vorgelegt, insbesondere mit den Änderungen, die wir im Ausschuss vorgenommen haben, das zu einer vollständigen Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Datenschutzbeauftragten führt.

Ich sage Ihnen auch: Wir machen Ihr Spiel nicht mit. Es ist erstens nicht redlich und zweitens sachlich falsch, zu behaupten, dass jeder, der den Anträgen der Grünen oder der Linkspartei nicht zustimmt, gegen die Unabhängigkeit des oder der Datenschutzbeauftragten ist. Diese Unabhängigkeit ist auch mit unserem Gesetzentwurf gegeben. Deswegen werden wir Ihnen in einer namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf am Ende die Gelegenheit geben, deutlich zu machen, ob es Ihnen wirklich um die Sache oder nur um eigene parteipolitische Profilierung und Klamauk geht.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Ihre Zustimmung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Dr. Konstantin von Notz das Wort.

(Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4293289
Wahlperiode 18
Sitzung 76
Tagesordnungspunkt Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes
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