18.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 76 / Tagesordnungspunkt 17

Gabriele Hiller-OhmSPD - Sozialversicherungsmitgliedschaft von Gefangenen

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, kann es sein, dass Ihnen die Themen ausgehen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Nein!)

Ich frage Sie das, weil Sie uns heute einen Antrag vorlegen, der fast wortgleich mit einem Antrag ist, den wir 2013 bereits am Ende der letzten Legislaturperiode behandelt haben.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Diskontinuität!)

Es geht um die Einbeziehung von Strafgefangenen in die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Wir haben unsere Argumente ausgetauscht, und wir haben Ihrem Antrag nicht zugestimmt.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wir halten Sie für lernfähig!)

Das werden wir jetzt genau so wiederholen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Dafür gibt es gute Gründe. Uns allen ist bekannt, dass bereits im Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 Regelungen zu einer Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherungen enthalten waren. Diese Regelungen sind jedoch größtenteils seit nunmehr 38 Jahren nicht in Kraft getreten. Und warum ist das so? Haben wir Bundestagsabgeordneten oder die Bundesregierung daran Schuld? Tragen wir die Verantwortung? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, nicht wir, sondern die Bundesländer haben es verbockt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da regiert ihr doch auch!)

Sie müssten nämlich die anfallenden Sozialversicherungsbeiträge für die Strafgefangenen zahlen. Das wollen sie nicht, und deshalb stehen sie seit 38 Jahren auf der Bremse.

Die Haltung der Bundesregierung in dieser Angelegenheit ist seit Jahren ebenso gleich wie klar. Exemplarisch zitiere ich hier die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken von 2008 zu diesem Thema:

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir bleiben hartnäckig!)

Damit ist eigentlich schon alles gesagt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

In der letzten, der 17. Wahlperiode haben Sie, meine Damen und Herren von der Linken, aber dennoch am 17. April 2013 einen inhaltlich, vom Titel und Wortlaut identischen Antrag zu dem heute vorliegenden gestellt.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Auf uns ist Verlass!)

Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung hat in gleicher Weise argumentiert und geantwortet wie das sozialdemokratisch geführte Arbeits- und Sozialministerium im Jahre 2008.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Woran das wohl liegt!)

Man kann nun denselben Antrag immer wieder neu stellen; das ist das Recht der Opposition.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das hat beim Mindestlohn auch funktioniert!)

Es stellt sich aber doch die Frage: Ist so etwas zielführend? Klar ist: Der Bundestag ist nicht der richtige Ansprechpartner. Warum – so frage ich Sie – versuchen Sie es also nicht über die Bundesländer?

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, ich frage Sie: Was soll diese Schaufensterpolitik hier im Deutschen Bundestag? Verwenden Sie Ihre Energien doch lieber sinnvoller. Überzeugen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen in den beiden Bundesländern, in denen Sie mitregieren, also in Brandenburg und Thüringen, eine Bundesratsinitiative zur Einbeziehung der Strafgefangenen in die Sozialversicherung zu starten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Brandenburg hat die Arbeitspflicht schon abgeschafft!)

Das wäre doch ein sinnvoller Vorschlag.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

An Ihrem Antrag stört uns aber nicht nur die falsche Adressierung. Es gibt noch weitere Ablehnungsgründe. Es ist grundsätzlich richtig, den Resozialisierungsgedanken vor Augen zu haben. Es ist auch richtig, den Strafgefangenen sinnvolle Arbeitsmöglichkeiten zu bieten.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Aber?)

Die Forderung in Ihrem Antrag nach einem individuell einklagbaren Recht auf Arbeit für Gefangene, also einer staatlichen Garantie auf Arbeit für Strafgefangene, geht uns zu weit. Warum – das muss man sich doch fragen – sollen Strafgefangene dieses Recht erhalten, obwohl es so etwas für die Allgemeinheit nicht gibt?

Zudem haben die Länder seit der Föderalismusreform 2006 die Zuständigkeit für die Gesetzgebungskompetenz beim Strafvollzug. Das Bundes-Strafvollzugsgesetz ist auch nur noch gültig, sofern die Länder nicht eigene Landesstrafvollzugsgesetze erlassen. Soweit mir bekannt ist, haben dies bereits – oder erst; je nachdem, wie man es sieht – elf Länder getan. Die Länder können also durch ihre Zuständigkeit eigene Arbeitsregelungen im Strafvollzug festlegen. Sie können auch auf die in Ihrem Antrag kritisierte Arbeitspflicht verzichten. Einige Bundesländer tun das bereits.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ja, Brandenburg zum Beispiel!)

Auch hierfür wären die Länder also die richtigen Ansprechpartner.

Schauen wir uns doch einmal die Landesjustizvollzugsgesetze in den Ländern mit linker Regierungsbeteiligung, also in Brandenburg und Thüringen, an: In keinem gibt es das von Ihnen geforderte einklagbare Recht auf Arbeit für Gefangene.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)

In Thüringen steht sogar noch die von Ihnen ebenfalls in Ihrem Antrag kritisierte Arbeitspflicht im Landesjustizvollzugsgesetz. Zugegeben: In Thüringen, meine Damen und Herren von der Linken, sind Sie erst seit zwei Wochen an der Regierung.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aha!)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Aber in Brandenburg hat die Linke seit 2009 das Justizministerium inne.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und die Arbeitspflicht abgeschafft!)

Ein einklagbares Arbeitsrecht findet sich im 2013 neu gefassten brandenburgischen Justizvollzugsgesetz auch nicht. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss doch zu denken geben und sagt einiges über die Politik der Linken aus.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ein Unsinn! Das liegt an euch!)

Unglücklich finde ich in dem Antrag aber auch die Vermengung von Täter- und Opferangelegenheiten. Für die Verbesserung der Rechtsstellung der Opfer hätte ich mir einen gesonderten Antrag gewünscht.

(Zuruf von der LINKEN: Wie heißt denn der Ministerpräsident von Brandenburg?)

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass im Koalitionsvertrag eine Reform der Opferentschädigung und des Rechts der Sozialen Entschädigung vereinbart ist. Wir werden den Opferschutz also schon bald gemeinsam mit der Union verbessern.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Denken Sie bitte an Ihre Redezeit?

Ja. – Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich kann schon nachvollziehen, dass es Ihnen schwerfällt, sich als Opposition kraftvoll einzubringen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind einfach zu gut und räumen Ihre Themen Stück für Stück ab, zum Beispiel: Mindestlohn, Rente mit 63, Frauenquote, Mietpreisbremse, Doppelpass usw.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der LINKEN)

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende!

Das muss wehtun! Trotzdem: Fröhliche Weihnachten!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bei aller Freundlichkeit: Angesichts der Weihnachtsfeiern wäre es gut, wenn Sie Ihre Redezeiten einhalten würden. – Nächster Redner: Matthias W. Birkwald von der Linken.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4293377
Wahlperiode 18
Sitzung 76
Tagesordnungspunkt Sozialversicherungsmitgliedschaft von Gefangenen
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