Petra Pau - Aktuelle Stunde - Bundeshaushalt 2014 ohne neue Schulden
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war für mich als Haushaltsstaatssekretär bei Wolfgang Schäuble schon ein etwas ungewöhnliches Schriftstück, das Dienstagfrüh von mir versandt wurde. Ich habe den Haushaltsausschuss im Namen der Bundesregierung davon unterrichtet, dass wir zum ersten Mal seit 1969 einen Haushalt ohne neue Nettokreditaufnahme abschließen können. Dieses Schriftstück habe ich zum ersten Mal mit freudigen Grüßen unterzeichnet. Ich finde, das war wirklich ein Tag der Freude.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Abweichungen vom Haushaltsansatz hat es schon immer gegeben. Schulden in Höhe von 6,5 Milliarden Euro haben wir nicht aufgenommen. Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einer um rund 20 Milliarden Euro geringeren Nettokreditaufnahme. Ein bisschen technischer formuliert – so schreiben es einem die Experten auf –: Wir haben in Deutschland sogar einen strukturellen Überschuss. Für einen strukturellen Überschuss kann man sich vielleicht nicht unmittelbar etwas kaufen. Dieser Umstand zeigt aber, dass wir nicht nur nominal bei null sind, sondern dass wir in Deutschland auch bereinigt um konjunkturelle Effekte einen recht soliden Bundeshaushalt haben.
Auch im Hinblick auf das Maastricht-Kriterium, das über viele Jahre in aller Munde war, haben wir einen Überschuss von 0,5 Prozent. Auch wenn das öffentlich noch nicht so sehr beachtet worden ist: Wir haben im abgelaufenen Jahr aufgrund des überschießenden Bundesbankgewinns und anderer Effekte sogar 2,5 Milliarden Euro der Bundesschuld aktiv getilgt. Das ist zwar nicht die Welt, aber ich will es einmal so sagen: Die Richtung stimmt. Wir dürfen jetzt nur nicht nachlassen. Wachstumsorientierte Konsolidierung zahlt sich aus.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ich finde, Johannes Kahrs hat einen richtigen Punkt angesprochen: dass wir uns zunächst einmal bei den Menschen bedanken müssen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Was? Nur einen?)
– Ja, einmal hat Johannes Kahrs etwas Richtiges gesagt. Darf ich das nicht feststellen?
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Petra Hinz [Essen] [SPD]: Wir wollten ja klatschen, aber so geht es nicht!)
Wir sollten uns bei denjenigen Menschen bedanken, die mit ihrer Hände und Köpfe Arbeit diese wirtschaftliche Leistung erbracht und damit die hohen Steuereinnahmen ermöglicht haben. Es sind weit über 40 Millionen Menschen, die in Deutschland in unterschiedlichen Strukturen arbeiten. Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir in erster Linie danken. Der hohe Beschäftigungsstand und der Fleiß der Menschen, die dieses Land jeden Tag aufs Neue nach vorne bringen, sind die Grundfundamente dieses ausgeglichenen Haushalts.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die Grünen unterhalten sich, anstatt zu klatschen, wenn ich sage, dass die Menschen in diesem Land fleißig sind. Das sagt über diese Opposition mehr als alles andere.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, nicht so weinerlich heute!)
Mein zweiter Dank richtet sich an die Unternehmen: an die Tüftler, die Dienstleister und die industriellen Produzenten, die im In- und Ausland darum kämpfen, wettbewerbsfähig zu sein. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft im In- und Ausland, die daran deutlich wird, dass deutsche Produkte und Dienstleistungen in Deutschland und im Ausland gekauft bzw. nachgefragt werden, hat dazu geführt, dass wir nicht nur bei der Einkommensteuer, sondern auch bei den Unternehmensteuern ein sehr respektables Ergebnis vorzuweisen haben. Danke an den Wirtschaftsstandort Deutschland! Danke an die Tüftler und Unternehmer, die Risiken übernehmen und dazu beigetragen haben, dass wir ein solides Steuerergebnis hatten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ja, es ist richtig: Es gab auch einen Sondereinfluss. Die Kernkraftindustrie wollte eine Steuer nicht zahlen und hat deshalb geklagt. Das war ihr gutes Recht. Wir haben aber Recht bekommen. Auch aus der Energiewirtschaft – auch der Kernenergiewirtschaft – brauchen wir einen Beitrag zur Finanzierung dieses Gemeinwesens; das finde ich nur billig und gerecht. Dass der Bundesfinanzhof unserer Position jetzt Recht gegeben hat, ist ein Beitrag zum ausgeglichenen Haushalt, aber, wie ich glaube, auch ein Beitrag zur Steuergerechtigkeit. Diesen sollten wir, anders als die Fraktion Die Linke, nicht geringschätzen. Deswegen ist das an dieser Stelle nicht zu verschweigen, sondern besonders hervorzuheben.
Wenn man guckt, woher wir kamen: Als Wolfgang Schäuble Bundesfinanzminister wurde, hat er nach einer Großen Koalition – das ist nicht zu kritisieren, sondern war der Wirtschaftskrise geschuldet – einen Haushaltsentwurf mit einer Nettokreditaufnahme von 80 Milliarden Euro vorgelegt.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Das war die Große Koalition!)
Heute, etwa fünf Jahre später, sind wir bei null. Das zeigt, mit welcher Geschwindigkeit diese Entwicklung vorangegangen ist. Das ist schon einigermaßen erstaunlich.
Das, was wir wachstumsfreundliche Konsolidierung nennen, ist ein Erfolgsrezept. Schauen Sie sich einmal andere Länder bei gleichen weltwirtschaftlichen Bedingungen – in Europa beispielsweise – an, die Regierungen haben, die vielleicht auch nicht alle viel schlechter als unsere sind: Da ergeben sich ganz andere Defizitzahlen. Das führt zu meiner Feststellung: Ein ausgeglichener Haushalt ist nicht das Ergebnis von Technik oder von Zufällen, sondern er ist das Ergebnis eines entschlossenen politischen Willens, mit dem Geld auszukommen, das man hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])
Über Politikergenerationen hinweg haben wir das nicht getan. Jetzt machen wir es. Das ist ein Bewusstseinswandel in der deutschen Politik, der an dieser Stelle besonders hervorzuheben ist.
Diese wachstumsfreundliche Konsolidierung – das will ich an dieser Stelle einmal sagen – ist auch ein Investitionsprogramm. In den Defizitländern dieser Welt sinken die Investitionen. In Deutschland, einem Konsolidierungsland, steigen sie – insbesondere im Bereich Bildung und Forschung, aber auch im Bereich Infrastruktur; in der mittelfristigen Finanzplanung haben wir gerade noch einmal einige Milliarden draufgelegt –: von 2005 bis 2013 um durchschnittlich 5 Prozent. Seit 2005 haben wir sie um 44 Prozent erhöht. Wer spart, der investiert: Das ist die Botschaft einer wachstumsfreundlichen Konsolidierung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich höre immer wieder, dass in diesem föderalen System das eine oder andere nicht geleistet werden kann. Ich will sagen: Wir haben die finanzielle Situation des Bundes in den letzten Jahren zugunsten der Länder und Gemeinden erheblich verschlechtert. Hätten wir all diese Solidaritätsleistungen – beispielsweise die Investitionen in die Kinderbetreuung – nicht erbracht, dann hätten wir die schwarze Null schon sehr viel früher liefern können.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: So ist das!)
Das zeigt aber auch, dass unser Konzept, unser Verständnis von Haushaltspolitik auch mit Solidarität im Rahmen des Föderalismus einhergeht. Deswegen finde ich es unangemessen, dass der Kollege Bartsch hier sagt, wir sparen die Länder kaputt.
Im Rahmen des Föderalismus sind zusätzlich Milliardenbeträge vom Bund auf die Länder transferiert worden. Wir stehen zu unserem Wort und sagen deutlich: Der Föderalismus ist ein Geschäft, das wir gemeinsam betreiben. Ich finde, die Tatsache, dass diese Milliardenbeträge auf eine andere Gebietskörperschaftsebene überführt worden sind, muss man ab und zu auch im Deutschen Bundestag erwähnen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auf einen Punkt, den Norbert Barthle schon angesprochen hat, will ich besonders hinweisen: Ich habe mich auch gewundert, dass die Mitteilung über den ausgeglichenen Haushalt 2014 von manchen zum Anlass genommen worden ist, eine Forderungsliste gegenüber dem Bund aufzustellen: Von Verbänden, von einzelnen Personen und selbst innerhalb der Großen Koalition ist eine Wunschliste aufgestellt worden. Ich will eines feststellen: Wir werden auch zukünftig die notwendigen politischen Schwerpunkte dabei setzen, das Wichtige von dem Unwichtigen zu unterscheiden.
(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Dafür haben wir den Koalitionsvertrag!)
Der Haushaltsausgleich ist nur möglich geworden, weil diese Koalition Politik nicht als eine Wunschliste sieht, sondern die Unterscheidung von dem Wichtigen und dem weniger Wichtigen vorgenommen hat. Das ist die Grundlage für eine verlässliche, stabilitätsorientierte Haushaltspolitik. Daran wollen wir und daran werden wir festhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich will zum Schluss noch eines festhalten – ich bin seit Mitte der 90er-Jahre in unterschiedlichen Funktionen im Haushaltsausschuss,
(Johannes Kahrs [SPD]: Sieht man!)
die letzten fünf Jahre rechts vom Vorsitz, davor viele Jahre links vom Vorsitz –: Wir haben über die Parteigrenzen hinweg immer daran gefeilt, diesen Haushalt besser zu machen. Wir haben auch ab und zu davon geträumt, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Ich erinnere mich, dass Carsten Schneider und ich in der letzten Großen Koalition überlegt haben: Wann fordern wir einen ausgeglichenen Haushalt?
Dann kam die große Wirtschaftskrise. Es gab Regierungswechsel und Mentalitätswechsel. Für viele Politiker ist Politik mit Schuldenmachen verbunden. Wir haben den Haushaltsausgleich jetzt geschafft; das darf keine Eintagsfliege sein. Dass ich mich persönlich darüber freue, dass das innerlich ein schönes Gefühl ist, will ich nicht verschweigen. Sie gestatten mir diese Anmerkung; das ist keine Anmerkung der Regierung, sondern ein persönliches Bekenntnis eines Haushälters. Das ist richtig schön; ich muss es Ihnen sagen.
(Heiterkeit und anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)
Das Wort hat der Kollege Michael Leutert für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4430292 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 78 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Bundeshaushalt 2014 ohne neue Schulden |