15.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 79 / Zusatzpunkt 2

Gerda HasselfeldtCDU/CSU - Regierungserklärung zu den Terroranschlägen in Frankreich

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anschläge in Paris haben uns alle erschüttert und fassungslos gemacht. Unsere Gedanken sind in diesen Tagen bei den Opfern und deren Familien. In dieser Debatte ist schon zum Ausdruck gekommen – ich will es auch meinerseits unterstreichen –: Unbestritten ist: Diese Anschläge waren Anschläge auf unsere Freiheit, auf unsere Werte, auf die Art und Weise, wie wir zusammenleben, wie wir miteinander umgehen. Es waren Anschläge auf die offene Gesellschaft in der westlichen Welt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

So groß die Trauer und die Betroffenheit auch sind, die Reaktion der Menschen in Paris, in Berlin, in vielen anderen Städten Europas, ja in der ganzen Welt macht auch Mut. Sie haben Solidarität mit Frankreich gezeigt und zeigen sie nach wie vor über die Grenzen hinweg. Sie stehen auf, sie gehen auf die Straße für unsere Werte, für Freiheit, für Demokratie, für Toleranz und gegen Fanatismus, gegen Fundamentalismus und gegen Terror. Am Dienstagabend nahmen Tausende von Menschen an der Mahnwache der Muslime für Toleranz und Weltoffenheit in Berlin teil. Ich danke den Organisatoren für die rasche Reaktion auf die schrecklichen Ereignisse in Paris. Im gemeinsamen Manifest der großen Religionsgemeinschaften in Deutschland wird auch deutlich: Im Namen Gottes darf nicht getötet werden. Daran, dass 50 Staats- und Regierungschefs in Paris auf die Straße gehen, dass sich Millionen von Menschen zum Marsch der Freiheit aufmachen und dass ein muslimischer Arbeiter in dem von Terroristen heimgesuchten jüdischen Geschäft vier Menschen rettet, wird deutlich: Unsere Werte sind stärker als der Terror.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Reaktionen der Menschen, der Politiker zeigen auch: Wir in der freien, offenen Gesellschaft lassen uns nicht auseinanderdividieren, wir lassen uns nicht spalten, und wir lassen uns auch nicht einschüchtern. Im Gegenteil: Wir rücken ein Stück näher zusammen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und in der Welt. Ich hoffe sehr, dass vom Anfang dieses Jahres, so bitter der 7. Januar 2015 für uns alle war, das Signal ausgeht, dass es an der Zeit ist, uns unserer Grundwerte, der Werte, die uns zusammenhalten, wieder bewusster zu werden, als es vielleicht sonst im Alltag der Fall ist, und diese auch aktiv zu verteidigen. Denn die Würde jedes einzelnen Menschen, egal woher er kommt und wie er aussieht, die gegenseitige Toleranz, das Recht auf Leben, die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit, die Glaubensfreiheit – all das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Werte, die uns zusammenhalten, Werte, die uns auch die Kraft geben, gegen Fundamentalismus, gegen Fanatismus und gegen Terror anzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber natürlich stellen sich in so einer Situation auch Fragen, beispielsweise: Kann so etwas auch bei uns passieren? Sind wir gerüstet? Tun wir alles für die Sicherheit? Auch wenn wir wissen, dass nicht alles zu verhindern ist, haben wir die Aufgabe – das ist die originäre Aufgabe des Staates –, für die Sicherheit unserer Bürger zu sorgen.

Wir alle wissen: ISIS und Al-Qaida bedrohen nicht nur einige fremde Staaten weit weg von uns, sondern sie bedrohen auch uns. Wir alle wissen: Wer unsere Werte vernichten will, der greift uns an. Wer unsere französischen Freunde mit Terror und mit Schrecken überzieht, der meint auch uns.

Deshalb war und ist es richtig, dass wir die Kurden in ihrem Kampf gegen die Barbarei der Dschihadisten unterstützen, mit humanitärer Hilfe, mit Ausrüstung und auch mit Waffen. Deshalb war und ist es richtig, dass wir die Menschen in den betroffenen Regionen vor Ort unterstützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist es auch richtig, dass wir die Ausreise der Dschihadisten unterbinden und Rückkehrer genauer beobachten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Unser Kampf gegen den Terrorismus beginnt nicht erst nach den Anschlägen in Paris. Aber diese Anschläge in Paris sind vielleicht Grund und Anlass, noch einmal in aller Ruhe und ohne Aktionismus zu überdenken, ob wir alles getan haben und ob wir unseren Kampf vielleicht noch etwas verstärken müssen. Unser Kompass muss dabei, denke ich, ein zentraler Grundsatz unserer Rechtstradition sein, nämlich die Verhältnismäßigkeit. Es muss gelten: So viel Freiheit wie möglich, so viel Sicherheit wie nötig.

Ich will mich im Wesentlichen auf drei Punkte beschränken:

Erstens. Wir brauchen einen besseren Überblick darüber, woher die Gefährder kommen und wohin sie wollen. Dazu gehört, dass wir an den Außengrenzen der Europäischen Union die Kontrollen intensivieren. Dazu gehört auch ein internationaler Informationsaustausch; dieser muss verbessert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das gilt zum Beispiel auch für die Fluggastdaten.

Zweitens. Wir unterstützen die Bundesregierung bei allen Maßnahmen im Kampf gegen den Extremismus. Das gilt für den Bundesinnenminister – auch für die Maßnahmen, die er gestern wieder eingeleitet hat – genauso wie für den Bundesjustizminister. Ich bin sehr froh, dass nun die Umsetzung der UN-Resolution auf den Weg gebracht wird; denn, meine Damen und Herren, wer terroristische Vereinigungen finanziell unterstützt, der muss strafrechtlich leichter verfolgt werden können als bisher.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Gleiches gilt auch für den Besuch von Terrorcamps.

Ich füge aber bewusst hinzu: Unserer Meinung nach reicht das nicht. Wir sollten auch Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen, wie das früher der Fall war, wieder unter Strafe stellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Botschaft muss sein: Islamistischer Terror hat auf deutschem Boden keinen Platz.

Drittens. Wir müssen die Mindestdauer der Speicherung von Verbindungsdaten neu regeln; das wurde vorhin schon angesprochen. Ich plädiere sehr dafür und bitte darum, das ohne parteipolitische Scheuklappen zu machen und auf den Rat der Sicherheitsleute und der Sicherheitsbehörden, der Polizeigewerkschaften, all derjenigen, die mit der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus zu tun haben,

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Und der SPD-Innenminister!)

zu hören und diese Ratschläge auch ernst zu nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es kann doch nicht sein, dass wir Verbindungsdaten im Bereich der Telekommunikation dann speichern, wenn es um Rechnungen geht, aber dann, wenn es um die Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus geht, nicht. Das ist nicht mein Verständnis von Sicherheit für die Bürger unseres Landes, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist vielmehr unsere Aufgabe – so verstehe zumindest ich meine politische Arbeit, ebenso die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion –, für das Wohlergehen der Bürger und für ein glückliches Leben der Menschen zu sorgen. Zu einem glücklichen Leben gehören Freiheit und Sicherheit; das eine, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, geht nicht ohne das andere. Freiheit und Sicherheit gehören in einem demokratischen Rechtsstaat zusammen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])

Nur aus der Balance dieser beiden Werte schöpft unsere Gesellschaft ihre Kraft.

Lassen Sie uns mit der gebotenen Sorgfalt und Gelassenheit, mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, aber auch mit der notwendigen Entschiedenheit an die Lösung dieser Aufgabe gehen!

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4435053
Wahlperiode 18
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zu den Terroranschlägen in Frankreich
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