Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserem Antrag „Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschätzen“ heißt es: „Politik und Staat können und wollen den Menschen keinen bestimmten Lebensstil vorgeben.“
(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Ich denke, es ist richtig, dass wir deutlich machen: Es geht nicht darum, dass wir Menschen vorschreiben, was sie in ihren Einkaufskorb legen oder was sie am Ende essen und trinken sollen, aber es geht schon darum, dass wir hier Mitverantwortung dafür tragen, dass sich die Menschen darauf verlassen können, dass die Lebensmittel, die sie kaufen, auch sicher sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist für uns ein soziales Grundrecht, dass Lebensmittel gesund und bezahlbar sind und dass Menschen die Möglichkeit haben, gesunde Lebensmittel zu erwerben, egal ob sie sie an der Lebensmitteltheke kaufen, ob sie auf den Markt gehen, ob sie unmittelbar beim bäuerlichen Erzeuger einkaufen oder ob sie im Discounter ihre Lebensmittel erstehen. Ich denke, dafür stehen wir in der Verantwortung.
Es gibt erfreulicherweise und Gott sei Dank sehr viele verantwortungsvolle Lebensmittelproduzenten, vor allem auch in der bäuerlichen Landwirtschaft. Wir werden auf der Grünen Woche Gelegenheit haben, viele von ihnen zu treffen und uns davon zu überzeugen, dass in Deutschland Lebensmittel von hoher Qualität produziert werden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Aber es gibt genauso Bereiche, in denen oft schwerwiegende Missstände herrschen. Wir können heute Morgen diese Debatte nicht führen, ohne nicht auch darauf hinzuweisen, dass gerade erst vor drei Tagen wieder eine neue Meldung über den Einsatz von Antibiotika bei der Fleischerzeugung in unseren Gazetten zu lesen war. Ich zitiere aus der Süddeutschen Zeitung: „Ekel für wenig Geld“. So lautete dort eine Überschrift. In einer Untersuchung des BUND wurde festgestellt, dass billiges Fleisch besonders häufig mit antibiotikaresistenten Keimen belastet ist. Das war im Übrigen eine Untersuchung, wie sie von der Stiftung Warentest vor etwa einem Jahr schon einmal durchgeführt worden war – mit leider ähnlich erschreckenden Ergebnissen. Laut Zeitung waren drei von vier Putenfleischproben schwer belastet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch hier sind wir in der Verantwortung, Fehler, die im System liegen, ebenfalls zu beheben. Es leiden hier Verbraucherinnen und Verbraucher. Es leiden hier im Übrigen auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in diesen Betrieben arbeiten und zum Teil ausgebeutet werden, und es leiden nicht zuletzt auch die Tiere, die man unter Bedingungen hält, die nichts mehr mit artgerechter Haltung zu tun haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wenn es um Ernährung und gesunde Lebensmittel geht, spielen viele Faktoren eine Rolle. Durch die Einführung des Mindestlohns haben wir es zum Beispiel geschafft, gerade in der Lebensmittelbranche zumindest bessere Arbeitsbedingungen als solche an der untersten Grenze festzulegen. Was trotzdem noch angepackt werden muss – ich bin froh, dass Ministerin Nahles dieses Thema angeht –, ist das Thema Werkverträge, das gerade im Bereich der Fleischproduktion eine große Rolle spielt. In diesem Bereich werden oft osteuropäische Arbeiterinnen und Arbeiter missbraucht, um billig zu produzieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es geht darum, dass wir das, was der Minister mit der Einrichtung des „Kompetenzkreises Tierwohl“ angestoßen hat, gerade auch in der Lebensmittelproduktion ernst nehmen, dass wir wahrnehmen, dass Tiere, die zusammengepfercht leben, krank werden, dass diejenigen Tiere, die krank werden, mehr Antibiotika brauchen und dass das dann wiederum zu einer Schädigung der Verbraucherinnen und Verbraucher führt. Deshalb sollte man die Haltungsbedingungen den Tieren anpassen und nicht umgekehrt. Auch das ist eine Regelung, die für uns im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf gute und sichere Lebensmittel notwendig ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für uns gehört dazu, dass wir uns der Aufgabe stellen, das Tiergesundheitsrecht neu zu ordnen und auch die Verordnungspraxis zu überprüfen. Aber ich will ausdrücklich sagen: Die Praxis der Verordnung von Antibiotika – ungeprüft, ohne vorherige Spezifizierung – ist nicht nur ein Thema für die Tierärzte, sondern auch der Humanmedizin. Dieses Thema betrifft nicht zuletzt die Hygienemaßnahmen in den Krankenhäusern. Ich glaube, das ist das nächste große Themenfeld, das wir zusammen mit unseren Gesundheitspolitikerinnen und -politikern angehen sollten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Schließlich geht es uns darum, dass wir die Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken, dass wir dafür sorgen, dass die Lebensbedingungen von Tieren verbessert werden und dass die Herkunft der Produkte auf den Produktverpackungen nachlesbar ist, dass es Labels mit nachvollziehbaren Beschriftungen gibt und dass es nicht bei dem Wirrwarr bleibt, wie wir es im Moment in vielen Kennzeichnungsbereichen leider haben.
In diesem Zusammenhang bin ich durchaus Ihrer Meinung, Kollegin Binder, dass wir auch das Thema Lebensmittelbuch-Kommission behandeln sollten; denn es kann nicht sein, dass das Ministerium mit großem Engagement das Internetportal www.lebensmittelklarheit.de beworben hat und dass wir auf der anderen Seite eine Kommission haben, die eigentlich permanent zur Verunklarung beiträgt. Wir sind gerne bereit, da noch einmal die Initiative zu ergreifen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen: Die Struktur der Lebensmittelbranche in Deutschland umfasst vier große Anbieter, die ein Oligopol bilden. Diese vier Großen haben eine besondere Verantwortung, wenn es darum geht, den Wert der Lebensmittel entsprechend zu schätzen. Es geht nicht, dass diejenigen, die sich Mühe geben, Lebensmittel von hoher Qualität zu erzeugen, im Preis ständig gedrückt werden, dass man die Hersteller geißelt und knebelt, weil man gemeinsam praktisch Monopolmacht hat. Auch hier appelliere ich an die Verantwortung dieser Unternehmen.
Ich denke, dass wir in der Koalition auch schauen müssen, ob wir nicht eine Möglichkeit finden, in Form eines Ombudsmanns oder einer Ombudsfrau eine Stelle zu schaffen, bei der sich auch die melden können, die als Herstellerinnen und Hersteller, als Produzenten unter enormen Druck kommen, weil die Lebensmittelbranche so aufgestellt ist, wie sie ist, und weil die Konkurrenz im Moment leider hauptsächlich über den Preis läuft.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicole Maisch für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4435126 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | Gesunde Ernährung |