Mechthild HeilCDU/CSU - Gesunde Ernährung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es bereits gehört: Heute beginnt die Grüne Woche. Dies ist ein Grund, einmal mehr über gesunde Ernährung und über die Wertschätzung von Lebensmitteln gemeinsam zu sprechen. Wir haben in Deutschland eine luxuriöse Situation: Noch nie waren Lebensmittel so günstig wie heute. Vor 100 Jahren haben wir etwa 50 Prozent unserer Konsumausgaben für Nahrungsmittel aufgebracht, heute sind es nur noch 15 Prozent. Auch das ist sozial, Frau Vogt. Lebensmittel waren noch nie so sicher wie heute: 99,7 Prozent aller angebotenen Lebensmittel sind sicher. Damit sind sie viel sicherer als noch vor einem Jahrzehnt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Noch viel wichtiger ist: Die allermeisten Deutschen haben genug zu essen. Das ist auch für unser Land nicht immer selbstverständlich gewesen. Ein Blick auf die Welt zeigt, wie außergewöhnlich gut es uns heute in Deutschland geht. Wir müssen sehen, dass weltweit jedes Jahr mehr Menschen an Hunger sterben als an Aids, Malaria und Tuberkulose zusammen. Über 800 Millionen Menschen auf der Welt hungern. Jeder Deutsche, jeder von uns, wirft im Schnitt im Jahr ungefähr 82 Kilo Lebensmittel weg. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Das darf uns nicht egal sein, und das müssen wir ändern.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen sage ich an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an unsere damalige Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, die die Initiative „Zu gut für die Tonne“ ins Leben gerufen hat. Mit dieser Initiative hat sie viele erstmals auf dieses Problem aufmerksam gemacht. 2012 – wir haben es eben schon gehört – haben wir einen fraktionsübergreifenden Antrag für die Eindämmung der vermeidbaren Lebensmittelverluste vorgelegt. Manches hat sich seitdem getan, aber das ist noch längst nicht genug. Deshalb wollen wir heute unsere Forderung noch einmal ganz stark bekräftigen.
Uns geht es darum, die gesunde Ernährung zu stärken. Die Kollegin Landgraf hat schon einige wichtige Punkte aufgezählt, zum Beispiel hohe Standards bei der Verpflegung in Schulen und Kitas zu verankern und bei Kindern und Jugendlichen verstärkt für Ernährungsaufklärung zu sorgen. Das alles geschieht unter dem Motto: Gesundheit bekommt man nicht im Handel, sondern durch den Lebenswandel. Dieser Kneipp’schen Weisheit möchte ich hinzufügen: Gesundheit kann man auch nicht von der Politik verordnet bekommen.
Zwei Aspekte in dem Antrag sind mir besonders wichtig.
Erstens. Ernährung ist nur ein Bestandteil eines gesunden Lebensstils. Zu einem gesunden Lebensstil gehört weitaus mehr, zum Beispiel Bewegung – wir haben es schon gehört –, Erholung, vielleicht auch Ausgeglichenheit und – das sage ich als Rheinländerin – bestimmt auch eine Portion Lachen.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Dann hätten Sie es fröhlicher vortragen müssen! – Heiterkeit bei der LINKEN)
Zweitens. Unsere Politik will Menschen zu einem gesunden Lebensstil ermuntern und sie dabei unterstützen. Wir wollen die Menschen aber nicht zwingen und nicht bevormunden, auch dann nicht, wenn es zu ihrem angeblich Besten geschieht. Ich betone das in meinen Reden immer wieder, weil es für mich von zentraler Bedeutung ist und weil es zugleich auch der Kern unserer christlich-demokratischen Verbraucherpolitik ist: In einer freien Gesellschaft sind staatliche Beschränkungen ein hoher Preis, den wir nur dort zahlen dürfen, wo es für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger absolut unvermeidlich ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nehmen wir ein Beispiel aus dem Antrag, das auch hier schon Erwähnung gefunden hat und durch die Presse gegangen ist: Wir wollen gemeinsam mit der Wirtschaft darauf hinwirken, dass „quengelfreie“ – gemeint sind natürlich: süßigkeitenfreie – Kassen in Supermärkten angeboten werden. Der Schokoriegel und die Gummibärchen an der Kasse sind für Kinder verführerisch, und das Quengeln in der Kassenschlange ist für Kinder eben auch immer einen Versuch wert; die meisten von uns kennen das. Einige Supermärkte haben mit sogenannten Familienkassen schon darauf reagiert. Ja, wir begrüßen solche Initiativen aus der Wirtschaft. Aber was wir nicht brauchen, sind staatliche Regulierungen zur Warenpräsentation in Supermärkten. Unser Antrag sieht sie auch nicht vor. Es wird kein staatliches Verbot von Quengelzonen geben. Hier ist nicht irgendein Gesetz die Lösung, sondern an dieser Stelle sind Erziehung und Ernährungsbildung gefragt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Und Einsicht der Wirtschaft!)
Denn eine Frage bleibt unbeantwortet: Was dürfte dann überhaupt noch im Kassenbereich liegen? Batterien? Kosmetik?
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Kondome! – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber Sie haben das doch beantragt! Da müssen Sie sich doch vorher Gedanken machen!)
Zeitungen und Zeitschriften, von deren Cover die Kinder von retuschierten Schönheiten oder Schokoladenglasur- Muffins angelacht werden?
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie fordern das doch! Man macht sich doch Gedanken, bevor man so etwas fordert!)
Wollen wir wirklich staatlich vorgeben, welches Warensortiment supermarktkassentauglich ist? Von mir dazu ein klares Nein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber dann schreiben Sie es doch nicht rein!)
Natürlich will ich, genauso wie wohl jeder hier im Saal und die Besucher auf der Tribüne, dass sich die Menschen gesund ernähren und sich ausreichend bewegen. Ja, sie sollen ein glückliches und langes Leben führen; klar, das will jeder von uns. Unsere Aufgabe – auch unsere Aufgabe als Politiker – ist dabei, für Bedingungen zu sorgen, unter denen es möglich ist, die Menschen zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren, für Aufklärung und Information zu sorgen und die Menschen zu fördern und zu unterstützen. Das alles sehe ich als Aufgabe des Staates an. Aber zu denken, der Staat, die Politik wisse immer und in jedem Bereich besser, was für den Einzelnen gut ist, ist für mich anmaßend.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn die staatliche Überregulierung geht auf Kosten der Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen.
(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ach, es gibt doch gar keine Überregulierung!)
Das ist die Währung, in der wir für ein Mehr und Mehr an staatlicher Fürsorge bezahlen. Deshalb muss immer genau abgewogen werden, in welchen Fällen der Staat eingreifen muss und wo der staatliche Eingriff die Freiheit des Einzelnen unverhältnismäßig beschränkt.
Die Union und wir von der CDU stehen für eine Politik der sicheren Lebensmittel, der Förderung eines gesunden Lebensstils, der Vermeidung von Lebensmittelabfällen und der Wertschätzung unserer Lebensmittel. Das geschieht durch Aufklärung und Bildung. Und: Die Union steht für eine Politik der Wahlfreiheit der Verbraucher.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD] und Ute Vogt [SPD])
Vielen Dank, Frau Kollegin Heil. – Nächste Rednerin ist für die SPD die Kollegin Helga Kühn-Mengel.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4435234 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | Gesunde Ernährung |