Alois GerigCDU/CSU - Gesunde Ernährung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eingangs möchte ich den Verantwortlichen für diese Debatte ein großes Kompliment aussprechen. 12.20 Uhr mittags am Eröffnungstag einer der weltweit größten Ernährungsmessen hier in Berlin: Es gibt keinen besseren Zeitpunkt für eine Debatte über gesunde Ernährung und die Wertschätzung von Lebensmitteln.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])
Ich frage Sie durchaus sehr ernsthaft – und nicht nur wegen des Regenwetters draußen –: Haben Sie in den vergangenen Tagen Ihre Teller immer leergegessen?
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Wir schon!)
Johann Philipp Förtsch hat bereits im Jahr 1690 in einem Singspiel folgenden Vers verwendet:
Dieser Vers hat eine ungebrochene Bedeutung bis zum heutigen Tag.
Ja, es ist nicht selbstverständlich, dass sich die Menschen gut ernähren können. International gab es viele Kriege wegen Nahrungsmitteln. Aktuell – so haben wir heute mehrfach gehört – können sich geschätzte 800 Millionen Menschen nicht satt essen. Dagegen leben wir hier in Deutschland im wahren Schlaraffenland. Unsere Regale sind voll mit bezahlbaren sehr guten Produkten. Deshalb ist es vielleicht sogar ein bisschen verständlich, dass sich gewisse Wohlstandsbegleiterscheinungen einstellen.
Die Wertschätzung für Lebensmittel, für die Produzenten – hier denke ich insbesondere an die Urproduzenten, unsere Landwirte; darauf komme ich noch zurück –, für die Natur und für die Ressourcen ist in der Tat ein Stück weit verloren gegangen. Es geht uns allen, wie wir glücklicherweise unisono bekunden, um die Bewahrung der Schöpfung. „ Moral“, „Ethik“, „Nachhaltigkeit“, „Respekt“ und „Verantwortung“ sind geflügelte Worte, die wir bei unserer politischen Arbeit jeden Tag sehr ernst nehmen müssen.
Das Kernthema Lebensmittelverschwendung wurde angesprochen, und ich möchte jetzt kurz auf die Land- und Ernährungswirtschaft eingehen. Sie hat eine gewaltige wirtschaftliche Bedeutung – insbesondere für die ländlichen Räume. 4,5 Millionen Menschen in Deutschland sind dort tätig; das sind rund 11 Prozent aller Erwerbstätigen.
Gleichwohl gibt es weiterhin einen gewaltigen ungebremsten Strukturwandel in der Landwirtschaft. Nur circa 2 Prozent der Erwerbstätigen sind Landwirte. Woran liegt das? Dafür gibt es durchaus viele Gründe. Nie war – ich kenne keinen Betrieb – Reichtum der Grund dafür, Höfe zu schließen.
Die Landwirte arbeiten hart. Die Tierhalter tun dies oft an 365 Tagen im Jahr. Die Abhängigkeit vom Wetter und andere Unbilden des Lebens sorgen ebenfalls für Probleme, und die schlechte wirtschaftliche Lage – die Einkommen in der Landwirtschaft liegen weit unter dem gewerblichen Vergleichslohn – tut das Übrige.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rahmenbedingungen sind entscheidend!)
Das Schlimmste aber – das erlebe ich live und höre ich jeden Tag; lassen Sie mich das sagen – sind die Anfeindungen gegenüber unseren Landwirten von außen. Es gibt Diffamierungen und Beschuldigungen. Das nimmt unseren Bauern die Freude an ihrer Arbeit – mit fatalen Folgen.
Auch ich sage: Natürlich gibt es schwarze Schafe. Die sollen wir auch benennen. Aber weit mehr als 90 Prozent unserer Landwirte leisten eine hervorragende Arbeit. Sie produzieren die weltweit mit am besten kontrollierten Nahrungsmittel – sowohl in der pflanzlichen als auch in der tierischen Produktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Was ist zu tun? Wir müssen den Dialog in der Gesellschaft führen. Wir brauchen solche Debatten wie die heutige. Wir brauchen auch eine Politik der Wertschätzung und müssen diese Politik aktiv begleiten. Wir müssen uns und der Bevölkerung klarmachen, dass Verbraucher, die Konsumenten, und die Erzeuger voneinander profitieren. Auch über Moral, Ethik und den Lebensmittelhandel müssen wir reden.
Ich sage ganz klar: Unsere Landwirte sind immer bereit – das wird auch offen bekundet –, höhere Standards umzusetzen. Ich bin dem Minister für den Hinweis sehr dankbar, dass sich in den letzten 50 Jahren im Bereich des Tierwohls sehr viel positiv verändert hat. Aber es geht auch darum, dass man gute Produkte nicht zu Ramschpreisen herstellen kann. Es ist verheerend, wenn in den Flyern samstags ausgerechnet Nahrungsmittel als Lockmittel angepriesen werden.
(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ja!)
Es muss jedem hier in Deutschland bewusst sein: Tierwohl kann es nicht zum Schnäppchenpreis geben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Also müssen wir weiterhin gemeinsam aufklären und deklarieren. Ich befürworte ausdrücklich die Tierwohl- Offensive, die privatwirtschaftlich durch die ganze Branche initiiert wurde. Das sind Chancen, sich aufeinander zuzubewegen.
Ich bin gegen eine einseitige Ordnungspolitik, insbesondere gegen eine national einseitige Ordnungspolitik, weil wir Gefahr laufen, dadurch Produktion aus dem Land zu verlagern. Frau Maisch, Sie haben das Thema Eier angesprochen. Wir alle erinnern uns mit Schrecken daran, dass der Selbstversorgungsgrad in Deutschland unter 50 Prozent gefallen war,
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil sie das Geld nicht genommen haben!)
weil wir die Hühnerhaltung einseitig und sehr schnell verändert haben.
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil ihr den Bauern gesagt habt: Nehmt nicht das Geld, das für die Umrüstung zur Verfügung steht! Wenn wir jetzt drankommen, machen wir es wieder anders!)
– Wenn Sie mit mir reden wollen, müssen Sie eine Zwischenfrage stellen.
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Geld für die Umrüstung war da, und ihr habt den Leuten gesagt: Nehmt es nicht!)
Ich bin dafür, dass wir europaweit gleiche Standards und gleiche Wettbewerbsbedingungen haben. Ich bin auch dafür, dass wir sehr gute Bedingungen für die Haltung unserer Tiere haben. Aber der Verbraucher ist der Gekniffene, wenn wir die Produktion aus dem Land jagen;
(Beifall bei der CDU/CSU)
denn unsere Regale werden nachher mit Produkten gefüllt, die vielleicht weniger hohen Standards genügen.
Ich könnte noch viel sagen, aber meine Zeit läuft schon langsam ab.
Ich mache einen Vorschlag. Ich finde, in großen Teilen ist diese Debatte heute hier sehr fair verlaufen. Lassen Sie uns doch alle gemeinsam mit gutem Beispiel vorangehen. Lassen Sie uns Themen und Probleme anpacken, gemeinsam, gerne auch fraktionsübergreifend: zum Wohle unserer Landwirtsfamilien, die das verdient haben, und im Sinne unserer regionalen, gesunden Nahrungsmittel. Bürger und Verbraucher müssen erkennen, was sie kaufen. Sie müssen durchaus noch ein bisschen kritischer werden. Auf TTIP kann ich jetzt nicht mehr eingehen, würde ich sonst noch gerne machen.
Lieber Kollege Gerig, Ihre Zeit ist nicht abgelaufen, sie kommt erst noch. Aber die Redezeit ist leider zu Ende.
Lieber Herr Präsident, danke für den Hinweis. – Es geht um den Erhalt unserer schönen und von allen Bürgern geliebten Kulturlandschaft.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns allen eine schöne und erfolgreiche Internationale Grüne Woche. Nutzen wir sie für gute, konstruktive Gespräche! Ihnen allen, insbesondere unserer Ernährungsbranche, wünsche ich ein gutes neues Jahr.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Für eine Kurzintervention erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Ostendorff.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4435280 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | Gesunde Ernährung |