Elvira Drobinski-WeißSPD - Gesunde Ernährung
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Alle Menschen müssen essen. Das klingt natürlich sehr banal, ist es aber nicht. Mir ist in meiner Umgebung schon bedeutet worden, dass etlichen Kolleginnen und Kollegen nun zur Mittagszeit der Magen knurrt. Das heißt, wir befassen uns hier mit einem Politikfeld, das existenziell ist. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Meinungsforschung durch eine Umfrage bei den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland herausgefunden hat, dass die wichtigste Forderung der Menschen an die Politik ist, dass wir, das Parlament, für gesunde und sichere Lebensmittel zu sorgen haben. Das Thema bewegt die Menschen. Es ist unbestritten, dass die meisten sich und ihre Kinder gesund ernähren wollen. Wie wir von der Kollegin Kühn-Mengel, die uns dazu eindrucksvolle Zahlen vorgetragen hat, gehört haben, gelingt das jedoch nicht allen oder oft nur mit äußersten Mühen und Anstrengungen. Wir wollen das ändern.
Ich freue mich, dass wir mit unserem Antrag bei den Ursachen der Schwierigkeiten ansetzen. Es muss für alle Menschen leichter werden, sich gesund zu ernähren, und zwar egal, wie viel Geld jemand verdient oder welchen Schulabschluss er besitzt. Verbraucherinnen und Verbraucher, insbesondere Eltern und Kinder, werden heutzutage mit ungesunden Lebensmitteln und dem dazugehörenden Marketing geradezu überflutet. Im Automaten auf dem Bahnsteig gibt es praktisch nur Schokoriegel. Der Schulkiosk verkauft vor allem Cola und Brause. Die Kantine, wenn es denn überhaupt eine gibt, bietet wenig an, das schmackhaft und gesund ist. Im Supermarkt an der Kasse steht, wie wir verschiedentlich gehört haben, auf Augenhöhe von Kindern Süßkram. In Grundschulen werden Produktproben von Keksen und Würstchen verteilt. Chipshersteller sponsern Schulfußballturniere inklusive T-Shirts mit Logo. In Produkten, die als gesund und geeignet für Kinder oder sogar für Babys erscheinen, steckt viel zu viel Zucker, Fett oder Salz. Gegen diese Flut kommen viele alleine kaum noch an, erst recht nicht Kinder. Besonders betroffen von Fehlernährung und den daraus folgenden Erkrankungen sind Familien mit niedrigem Einkommen; auch hierzu hat Frau Kühn-Mengel die Zahlen genannt.
Die aktuelle Situation vergrößert also die soziale Ungleichheit. Gegensteuern können wir hier nicht, indem wir Menschen vorschreiben, was sie essen oder wie sie sich verhalten sollen. Nein, wir müssen gesündere Verhältnisse schaffen. Selbstverständlich wollen wir weiterhin Ernährungsaufklärung und Verbraucherbildung an Schulen fördern, auch wenn sich nicht gleichzeitig etwas daran ändert, welche Lebensmittel wo angeboten und wie sie vermarktet werden. Wenn sich aber das Ernährungsumfeld nicht ändert, dann werden Aufklärungs- und Bildungskampagnen nicht viel nutzen. Wir müssen dafür sorgen, dass es leichter wird, das erworbene Wissen auch anzuwenden.
Um das Bild der Flut noch einmal aufzugreifen: Wenn zu erwarten ist, dass eine Stadt regelmäßig überflutet wird, würden wir auch nicht lediglich den Schwimmunterricht fördern oder Prospekte verteilen, die erklären, wie man Boote baut, und dann hinterher vielleicht sagen: Wer nicht genug Geld und Zeit hatte, sich ein Boot zu bauen, ist selber schuld, dass er sich nicht gerettet hat. – Nein, wir würden dann Dämme bauen. Wir würden es als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen, die Menschen gemeinsam vor der Flut zu schützen. Genau solche Dämme müssen wir auch gegen die Flut ungesunder Lebensmittel und mangelnder Bewegung bauen.
(Beifall bei der SPD)
Unser Antrag setzt hier erste wichtige Impulse. Wir wollen verpflichtende Qualitätsstandards für Schulmensen und öffentliche Kantinen, damit alle Kinder lernen, wie gut gesundes Essen schmecken kann. Wir wollen künftig keine Werbung mehr für ungesunde Lebensmittel wie Süßigkeiten, Süßgetränke oder Knabberzeug in Grundschulen und Kitas. Wenn Schulen werbefrei sind, dann kann Ernährungsbildung auch sehr viel besser wirken.
Wir wollen die Lebensmittelwirtschaft in die Pflicht nehmen. Supermärkte sollen süßigkeitenfreie Kassen anbieten, um Eltern das Einkaufen mit Kleinkindern erträglicher zu machen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
In Großbritannien ist das übrigens längst Alltag. Auch bei uns gibt es mittlerweile einige Geschäfte, die das anbieten. Wir wollen aber, dass das Ernährungsministerium – der Herr Staatssekretär ist noch da – gemeinsam mit der Wirtschaft eine Strategie zur Reduktion von Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten entwickelt. Auch dafür – man soll es kaum glauben – gibt es in Europa Vorbilder, nämlich Finnland, Dänemark und Großbritannien sowieso.
Sie alle kennen das afrikanische Sprichwort: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen. – In der Tat. Auf die Ernährung bezogen heißt das: Es sind alle mitverantwortlich für die steigenden Raten ernährungsbedingter Krankheiten wie Diabetes, Herzerkrankungen oder Krebs. Deshalb sind auch alle gefordert, dabei zu helfen, diesen Trend umzukehren und insbesondere die Ernährung von Kindern in diesem Land zu verbessern. Gefordert sind wir also alle, auch die Wirtschaft, die noch sehr viel Luft nach oben hat, was ausgewogene Produktrezepturen und ehrliche Werbung angeht. Wir müssen dafür sorgen, dass alle, die Verantwortung haben, diese auch wahrnehmen können. Wir bauen dann Dämme, wo es nötig ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin Drobinski-Weiß. – Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Rudolf Henke von der Unionsfraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4435311 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | Gesunde Ernährung |