15.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 79 / Tagesordnungspunkt 4 + ZP 3

Rudolf HenkeCDU/CSU - Gesunde Ernährung

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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Eine gute Küche ist das Fundament allen Glücks. – Das hat Auguste Escoffier, französischer Meisterkoch, vorgetragen. Auguste Escoffier verdanken wir die Küchenrevolution des vorigen Jahrhunderts hin zu einer leichteren, hin zu einer verdaulichen Küche. Man höre und staune: Der erste Küchenchef der Ritz-Restaurants hat sogar von der Notwendigkeit mehrgängiger Menüs Abschied genommen. Es sind auch Skeptiker wie George Bernard Shaw, die sich mit der Ernährung befassen. Er hat einmal gesagt: Keine Liebe ist aufrichtiger als die Liebe zum Essen. – Wir sehen daran, in welche Emotionalität wir eintauchen, wenn wir uns mit der Frage der Ernährung und der Wertschätzung von Lebensmitteln befassen. Ich freue mich, dass ich aus der Sicht der Gesundheitspolitik als Arzt ein paar Gedanken dazu beitragen darf.

In unserem gemeinsamen Antrag werben wir, die Koalitionsfraktionen, für die Bedeutung einer gesunden und ausgewogenen Ernährung für einen gesunden Lebensstil und für die Prävention ernährungsbedingter Krankheiten. Das Thema ist nicht ganz neu. Hippokrates von Kos, der von 460 bis 377 lebte und von dem der hippokratische Eid stammt, verdanken wir drei Lehrsätze: Was uns am Leben erhält, kann uns auch krank machen. Krankheiten überfallen den Menschen nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern sind die Folgen fortgesetzter Fehler wider die Natur. Um die Gesundheit zu erhalten: nicht bis zur Sättigung essen, sich vor Anstrengungen nicht scheuen.

Ich bin dankbar für die vielen richtigen und wichtigen Hinweise in dieser Debatte auf die Notwendigkeit, die Verhältnisse zu beeinflussen. Aber das wäre nur die eine Seite; denn genauso wichtig ist es natürlich, den Aufbruch aus selbstverschuldeter Unmündigkeit im Sinne der Aufklärung zu ermöglichen, damit man sich nicht als den Verhältnissen ausgeliefert empfindet. Sagen wir den Menschen auch, dass es nötig ist, ihr eigenes Verhalten selbst in die Hand zu nehmen und zu steuern und nicht fehlzuinterpretieren, dass sie gegenüber der Werbung ausgeliefert seien.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der Tat ist beispielsweise die Fettleibigkeit ein bedeutender Risikofaktor für viele ernste gesundheitliche Beschwerden; darauf ist schon verschiedentlich aufmerksam gemacht worden. Wir müssen davon ausgehen, dass die Kosten durch ernährungsbedingte Krankheiten jährlich bei bis zu 70 Milliarden Euro liegen können. Die Folgekosten erklären circa 7 Prozent der Kosten im Gesundheitswesen. Alle rechnen damit, dass diese Kosten weiter ansteigen wegen Erkrankungen wie Adipositas, Bluthochdruck, koronaren Herzkrankheiten oder Diabetes mellitus. Diese Krankheiten sind nicht nur das Drama der Betroffenen, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Ernährungsbedingte Krankheiten bedeuten Herausforderungen für die Gesundheit, für die Wirtschaft, für die Entwicklung in Deutschland und in Europa. Deswegen sind präventionspolitische Ansätze eine gesellschaftspolitische Aufgabe von hohem Stellenwert.

Das wollen wir mit dem Präventionsgesetz aufgreifen, das wir noch in diesem Frühjahr beraten werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Krankenkassen ihre verfügbaren Mittel für die Gesundheitsvorsorge verdoppeln, dass gesundheitsförderliche Verhaltensweisen stärker unterstützt und gesundheitliche Risiken reduziert werden. Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung müssen zielgenauer auf tatsächlich wirksame Maßnahmen und auf solche Bevölkerungsgruppen konzentriert werden, die bisher schlecht erreicht wurden.

Fakt ist leider auch, dass mit vielen Präventionsleistungen oftmals nur die erreicht werden, die ohnehin bereits gesundheitsbewusst leben und auf ihre Ernährung besonders achten. Von allen in Anspruch genommenen Präventionskursen in Deutschland sind derzeit nur 5 Prozent dem Thema Ernährung gewidmet. Krankenkassen machen also viel mehr erfolgreiche Bewegungskurse, viel mehr erfolgreiche Stressbewältigungskurse. An die Ernährung gehen die Leute trotz der Bedeutung, die sie für die Gesundheit hat, nicht so gerne heran. Das hat vielleicht etwas mit der von Shaw genannten Liebe zum Essen zu tun. Es stellt sich daher die Frage: Wie kann man eine bessere Nutzung präventiver Leistungen gerade im Bereich der Ernährung erreichen? Da ist es schon von Bedeutung, dass wir mit den Präventionskursen der Krankenkassen mehr Angebote zur Stärkung von Eltern und Kindern zur Verfügung stellen.

Gesundheit beginnt nicht erst im Erwachsenenleben. Je früher Kinder lernen, auf sich zu achten, desto erfolgreicher sind Präventionsmaßnahmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb ist es wichtig, mit den Kleinsten zu beginnen und dies in allen Altersgruppen fortzuführen. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll durch das Präventionsgesetz die Möglichkeit erhalten, die Kinder- und Jugenduntersuchungen in diesem Sinne weiterzuentwickeln und darüber zu entscheiden, welche Untersuchungen auch im Schul- und Jugendalter sinnvoll und notwendig sind und zu welchen Aspekten der Arzt oder die Ärztin die Eltern beraten soll. In den bevorstehenden Beratungen des Präventionsgesetzes wollen wir darauf achten, dass diesen Aspekten Rechnung getragen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestern haben wir im Gesundheitsausschuss des Bundestages ein weiteres mit Ernährung zusammenhängendes Thema intensiv besprochen, nämlich das fetale Alkoholsyndrom, also die vorgeburtliche, oft schwerwiegende Schädigung eines Kindes durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft. Der entscheidende Punkt, was das Aufnehmen von Produkten der Landwirtschaft angeht, ist hier, dass wir sagen: Es gibt bestimmte Lebenssituationen, zum Beispiel im Straßenverkehr, bei der Arbeit mit Maschinen, wenn man Arzneimittel zu sich nimmt oder wenn man schwanger ist, für die das Gebot „gar kein Alkohol“ gelten muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])

Eine letzte Bemerkung. Es ist davon gesprochen worden – ich glaube, Mechthild Heil hat es gesagt –, dass wir die Freiheit der Entscheidung des Verbrauchers erhalten wollen. Wie schaffen wir es aber, den Trend zu immer mehr Übergewicht zu brechen? Es gibt weltweit nicht einen einzigen Staat, der zeigen kann, dass der Trend zur Zunahme des Durchschnittsgewichts der Bevölkerung umgekehrt worden ist – nicht ein einziges Land, egal welche Wirtschaftsordnung oder welche Gesellschaftsordnung ein Land hat. Nicht einem einzigen Land in der Welt ist das bisher gelungen. Ich finde, wir müssen nicht in dieser, aber in der nächsten Legislaturperiode auch über die Frage nachdenken, inwieweit durch Elemente, wie wir sie zur Reduktion des Tabakkonsums eingesetzt haben – ich denke an steuerliche Maßnahmen, etwa an bestimmte Verbrauchsteuern im Bereich ungesunder Lebensmittel –, Erfolge erzielt werden können. Ich kann da keine Ergebnisse vorwegnehmen. Das gelingt mit Sicherheit nicht in dieser Legislaturperiode. Aber ich finde, wir müssen diese Frage mit einer Zukunftsperspektive diskutieren, weil es unser gemeinsames Ziel sein muss, sowohl dem Bewegungsmangel wie auch der Fehlernährung zu begegnen.

Der italienische Schauspieler Giorgio Pasetti hat einen klugen Satz gesagt:

Ich wünsche Ihnen guten Appetit, wenn Sie jetzt zum Mittagessen gehen.

(Heiterkeit)

Stehen Sie davon rechtzeitig wieder auf!

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4435352
Wahlperiode 18
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt Gesunde Ernährung
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