15.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 79 / Tagesordnungspunkt 5

Ingbert LiebingCDU/CSU - Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag der Linken wird der Bogen weit gespannt – das zeigt die Debatte –: von der Unterbringung von Flüchtlingen über das Asylrecht bis hin zu der allgemeinen Finanzlage der Kommunen. Mir liegt sehr viel daran, dass wir dabei keinen falschen Eindruck erwecken. Wir dürfen die Diskussion über die Unterbringung von Flüchtlingen nicht allein auf den finanziellen Aspekt verengen; denn es gibt eine großartige Bereitschaft in den Kommunen quer durch ganz Deutschland, Flüchtlinge aufzunehmen.

Ich bin am vergangenen Sonntag in einer kleinen Gemeinde mit 3 000 Einwohnern gewesen, in der eine neue zentrale Landeseinrichtung für die Unterbringung von 500 Asylbewerbern errichtet werden soll. 500 Asylbewerber auf 3 000 Einwohner, das stellt die Gemeinde vor eine große Herausforderung. Aber die Gemeinde sagt Ja zu dieser Einrichtung und will sich darum kümmern. Im Ort bilden sich Initiativen, die die Flüchtlinge willkommen heißen und freundlich aufnehmen wollen. Für mich gehört zu diesem Thema auch, solche Leistungen und eine solche Aufnahmebereitschaft zu würdigen und anzuerkennen. Das möchte ich gerne an den Anfang meiner Rede stellen. Das, was ich in Boostedt erlebt habe, war großartig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren von der Linken, Sie greifen mit Ihrem Antrag die Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung auf. Das ist sicherlich ein aktuelles Thema. Aber Ihr Antrag mündet in einem Rundumschlag und endet mit dem alten Lamento, der Bund müsse alles auf der kommunalen Ebene finanzieren und alle Probleme der Kommunen lösen. Das ist natürlich Quatsch und unseriös.

(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das fordern wir auch nicht! Es geht um eine ganz konkrete Aufgabenübertragung!)

Es ist unseriös, weil Sie noch nicht einmal sagen, wie viel die Umsetzung Ihrer Vorschläge kosten soll. Über welche Dimension reden wir denn? Beim Asylbewerberleistungsgesetz kämen auf den Bund Kosten in Höhe von etwa 3 Milliarden Euro zu. Bei einer hundertprozentigen Übernahme der Kosten der Unterkunft von Langzeitarbeitslosen im Bereich des SGB II geht es um einen Betrag von etwa 10 Milliarden Euro. Wir reden hier also schlankweg über 13 Milliarden Euro. Sie sagen nicht, wie viel das kostet und wie das finanziert werden soll. Das alles ist nichts anderes als ein Schnellschuss. Was Sie machen, ist populistisch und einfach unseriös.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unseriös sind auch Ihre Aussagen zu den Kosten der Unterbringung der Flüchtlinge in den Kommunen. Die Tinte unter der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, in der wir uns darauf verständigt haben, welche Leistungen der Bund übernehmen will, um Länder und Kommunen zu unterstützen, war noch nicht trocken, als Sie im letzten Dezember Ihren Antrag gestellt und gefordert haben, dass noch mehr kommen müsse. Die 1 Milliarde Euro – dieser Betrag ergibt sich in der Summe in diesem und im nächsten Jahr –, auf die wir uns verständigt haben, ist eine wichtige Hilfe für die Länder und in erster Linie für die Kommunen.

Immerhin gibt es drei Bundesländer, die bereits heute die Kosten der Flüchtlingsunterbringung in den Kommunen komplett tragen. Das sind Bayern, das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern. Es kann kein Zufall sein, dass in diesen drei Bundesländern drei Innenminister der CDU und der CSU mit ihrer Zuständigkeit für die Flüchtlingsunterbringung und für die Kommunen dieses Thema vorangebracht und genau so geregelt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Karawanskij, Sie sagen in Ihrem Antrag, der Bund solle die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz komplett übernehmen. In Bayern zahlt diese Leistungen komplett das Land. Wenn der Bund diese Leistungen übernimmt, dann kommt nicht 1 Euro zusätzlich in den bayerischen Kommunen an, sondern Sie entlasten die bayerische Landeskasse. Ich weiß nicht, ob das im Interesse Ihres Antrags war, aber solche Folgewirkungen sollte man eigentlich mitberücksichtigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wichtig ist, was denn eigentlich bei den Kommunen ankommt; denn im Gegensatz zu den drei Ländern, die ich eben genannt habe, gibt es andere Länder, die ganz anders mit dem Thema umgehen. Nordrhein-Westfalen wurde schon genannt. Wenn wir in diesem und im nächsten Jahr den Kommunen zweimal 500 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen, damit sie sich besser um die Unterbringung von Flüchtlingen kümmern können, dann entfällt im Falle von Nordrhein-Westfalen nur die Hälfte auf die Kommunen, die andere Hälfte versickert im Landeshaushalt. Das ist nicht im Sinne der Vereinbarung, das ist nicht im Sinne des Erfinders gewesen. Das ist ein Missbrauch dieser Mittel und geht zulasten der Kommunen. Das gehört zur Gesamtgeschichte dazu.

Ich erlebe es in meinem eigenen Bundesland Schleswig-Holstein, wo die Landesregierung bei jedem Thema schreit: Der Bund muss mehr zahlen. – Hier leistet der Bund mehr, aber die Landesregierung hat seit November noch nicht einmal sagen können, was sie denn jetzt mit dem zusätzlichen Geld des Bundes überhaupt machen will. Sie hat noch nicht einmal ein Konzept, wie sie diese zusätzlichen Mittel einsetzen möchte. Auch das ist alles unseriös.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Liebing, die Gesundheitskarte wird eingeführt! Das wissen Sie doch!)

Stattdessen, Frau Haßelmann, fordert Ihre Parteifreundin Heinold, Finanzministerin in Schleswig-Holstein,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gute Ministerin!)

in dieser Woche noch einmal mehr Geld, obwohl wir doch gerade diese Vereinbarung abgeschlossen haben. Die Vereinbarung besagt ausdrücklich: Für diese zwei Jahre wird eine angemessene und abschließende Regelung über die Finanzierung der Flüchtlingskosten getroffen, und zwar mit dieser zusätzlichen Leistung des Bundes.

Es ist nicht in Ordnung, dass dann, wenn der Bund mit den Bundesländern eine Vereinbarung über eine abschließende Regelung trifft, Ländervertreter, in dem Fall die grüne Finanzministerin, sagen: April, April, daran halten wir uns nicht. Wir fordern noch einmal etwas obendrauf. – Eine solche Vorgehensweise ist auch schädlich; denn dadurch wird doch die Bereitschaft auf Bundesebene, auch hier im Hause, reduziert, solche Vereinbarungen zu treffen. Wenn man sich auf Verträge nicht verlassen kann, dann kann man sie künftig nicht mehr abschließen. Deswegen ist diese Vorgehensweise so schädlich.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen es doch eigentlich besser!)

In Ihrem Antrag sprechen Sie den Bund an und stellen Forderungen an den Bund. Ich vermisse darin eine klare Forderung auch an die Länder. Wenn wir über die Finanzsituation der Kommunen sprechen, dann müssen wir immer wieder daran erinnern, dass in allererster Linie die Bundesländer für eine aufgabengerechte und angemessene Finanzausstattung zuständig sind. Deswegen halte ich es für falsch, dass wir mit solchen Vorschlägen, wie Sie sie hier vorgelegt haben, die Bundesländer noch weiter entlasten und sie aus ihrer Verantwortung entlassen.

Wir sind freiwillig unserer Verantwortung gerecht geworden und haben viel geleistet. Andere Kollegen haben darauf schon hingewiesen. Aber bei dem Thema der Flüchtlingsunterbringung können die Bundesländer viel und mehr tun als bisher, um den Kommunen zu helfen und deren Situation gerecht zu werden.

Das wichtigste Thema aus meiner Sicht ist, dass das Asylrecht auch konsequent umgesetzt wird. Dazu gehört, dass wir diejenigen, die Asylrecht genießen, bei uns willkommen heißen und uns angemessen und vernünftig um sie kümmern. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber genauso gehört dazu, dass diejenigen, die diese Fluchtgründe nicht haben, die sich nicht auf das Asylrecht berufen können, wieder nach Hause zurückgebracht werden. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass Recht und Gesetz umgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen passen Forderungen wie die nach einem Wintererlass nicht, wonach bis Ende März nicht abgeschoben werden soll, weil schlechtes Wetter ist und es zu kalt ist. Das Asylrecht kann nicht der Wetterlage angepasst werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen sind diese Entscheidungen in Thüringen und Schleswig-Holstein so falsch. Das verschärft den Problemdruck der Kommunen. Dort werden die jeweiligen Landesregierungen ihrer Verantwortung nicht gerecht.

Wir leisten das, was wir tun können, und sogar noch mehr. Wir sind bereit, uns diesem Thema zu stellen, sowohl im Hinblick auf die Finanzlage der Kommunen als auch im Hinblick auf die Flüchtlingsunterbringung. Wir können miteinander erwarten, dass die Länder ihren Anteil dazu beitragen. Das gehört zum Gesamtpaket. Das fehlt im Antrag der Linken. Bei der weiteren Diskussion werden wir auch darüber intensiv sprechen können.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4435620
Wahlperiode 18
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern
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