Antje TillmannCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Griechenlands Zukunft im Euroraum
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Im letzten Jahr haben wir den 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs begangen, der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs jährte sich zum 75. Mal. Gott sei Dank haben wir seitdem keine solchen Jahrestage mehr!
Europa ist für mich nicht nur eine Union in Finanzangelegenheiten, sondern vor allem eine Friedens- und Werteunion. Europa ist mir persönlich sehr viel mehr wert als ein Hilfspaket. Diese Werteunion bedeutet aber, dass man vertrauensvoll zusammenarbeitet und Regeln, die man sich gegeben hat, einhält
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Mit weniger spekulativen Werten!)
und dass man versucht, eine Politik zu machen, die nicht zulasten der europäischen Partner geht. Wer Fehler in seiner Landespolitik macht, sollte diese Fehler auch selbst ausbügeln müssen. Trotzdem gibt es Situationen, wo wir füreinander einstehen müssen und Hilfen erforderlich sind.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Genau so ist es gewesen. Es ist auch keineswegs so, dass Griechenland das einzige Land gewesen wäre, das Fehler gemacht hat. Ich erinnere nur an 2005, wo wir die rote Laterne in Europa getragen haben, wo wir dazu beigetragen haben, den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufzuweichen. Das war nicht zuletzt der Beginn einer Staatsschuldenkrise in Europa; es gab also auch Fehler, die wir gemacht haben.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wohl wahr!)
Seitdem haben wir alle gemeinsam versucht, Europa finanzpolitisch sicherer zu machen. Griechenland hat uns aufgerüttelt. Wir haben teilweise – nicht nur wegen der Banken- und Staatsschuldenkrise, auch wegen Griechenland – finanzpolitisch den Atem angehalten. Das war aber auch positiv: Es hat dazu geführt, dass wir Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, bei denen wir nicht geglaubt hätten, dass das in dieser Geschwindigkeit geht. Ich nenne den Fiskalvertrag, bei dem innerhalb von anderthalb Jahren fast alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Schuldenbremse in ihren Verfassungen ratifiziert haben.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sie vorher schon mit dem Maastricht-Vertrag ratifiziert hatten!)
Deutschland hat sich verpflichtet, seinen Schuldenstand bis 2022 auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu reduzieren.
Und schon geht es wieder los: Sollen die Verträge eingehalten werden? Die erste Null im Haushalt führt dazu, dass viele Seiten sagen: Na, so ernst war das nicht gemeint. – Da sind wir gefragt, die Verträge, die wir unterschrieben haben, einzuhalten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben den Stabilitäts- und Wachstumspakt wieder fitgemacht, wir haben das 3-Prozent-Defizitkriterium konkretisiert. Doch auch da geht es schon wieder los: Es wird jetzt interpretiert und ausgelegt, es sollen zusätzliche Maßnahmen in die 3 Prozent eingerechnet werden dürfen. Auch da besteht die Gefahr, dass Verträge, die gerade erst vereinbart wurden in der Europäischen Union, schon wieder nicht eingehalten werden.
Gut, dass wir den ESM eingeführt haben aufgrund der Situation in Griechenland. Wie hätte es ausgesehen, wenn ein größeres Land uns dazu gezwungen hätte, einen solchen Mechanismus einzurichten! Wie gut, dass wir an dieser Stelle anhand eines kleineren Landes Ergebnisse und Gefahren diskutieren konnten!
Innerhalb kürzester Zeit haben wir eine Bankenunion samt Aufsicht und Bankenabwicklung vereinbart. Hätten wir diese Bankenunion schon vor der Griechenland-Krise gehabt, dann hätte ein großer Teil der griechischen Probleme da abgeladen werden können, wo er hingehört: bei den Anteilseignern, bei denjenigen, die aus Krisen mit Gewinn hervorgehen. Wir haben erstmalig ein Bail-in eingeführt: Anteilseigner müssen sich nun in Krisensituationen an der Rettung von Instituten beteiligen. Das hätte auch Griechenland schon geholfen. Auch hier tun wir gut daran, darauf Wert zu legen, dass diese Vereinbarungen eingehalten werden.
Griechenland hat sich auf den Weg gemacht, die Vereinbarungen, die es eingegangen ist, einzuhalten. Ja, das ist ein langer und schmerzhafter Weg – ich weiß, dass wir den Menschen in Griechenland viel abverlangen mit diesen Maßnahmen –; aber Griechenland hat sich auf den Weg gemacht, und die ersten zarten Pflänzchen des Erfolgs kann man sehen: Das Wachstum liegt bei 3 Prozent, und bei der Unterschreitung des Maastricht-Kriteriums von 3 Prozent Defizit steht Griechenland besser da als manch anderes Land, das heute auch in der Diskussion ist. Diesen Weg sollten wir weitergehen.
Wenn wir bei all diesen Verträgen jedes Mal, wenn irgendwo Wahlkampf ist, eine Diskussion im Deutschen Bundestag führen würden, dann könnten wir uns Verhandlungen ganz sparen. Deshalb gibt es aus meiner Sicht auch überhaupt keinen Grund, das heute zu thematisieren. Auch vonseiten Griechenlands gibt es aktuell nicht den Wunsch, die Verträge zu ändern. Sie sind abgeschlossen und werden hoffentlich bis Ende Februar auch eingehalten. Nach der Wahl wird man gucken, wie es dann weitergeht.
Selbstverständlich kann man zu jeder Zeit über neue Situationen sprechen. Ich tue das am liebsten dann, wenn ich glaube, dass bei allen Anstrengungen in manchen Bereichen noch Luft nach oben ist. Das ist beim Kampf gegen die Steuerhinterziehung,
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Richtig!)
bei der Privatisierung und bei der Verschlankung der Verwaltungen der Fall. Je besser sich Griechenland hier aufstellt, umso besser können wir reagieren und an der einen oder anderen Stelle nachjustieren.
Ich glaube aber, im Moment tun wir alle gut daran, unsere Zusagen einzuhalten – wir in Deutschland und auch Italien und Frankreich mit ihren Haushalten, aber auch Griechenland. Wir sollten das tun, damit diese Wertegemeinschaft bestehen bleibt. Europa ist wertvoll – für Deutschland und für Griechenland.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich hoffe, dass wir dieses wertvolle Europa nicht durch Finanzprobleme gefährden. Das sollten wir nicht tun. Wir werden gemeinsam eine Lösung finden. Auf diesen Weg haben wir uns alle gemeinsam gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Ewald Schurer, SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4436661 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Griechenlands Zukunft im Euroraum |