15.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 79 / Zusatzpunkt 5

Norbert BarthleCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Griechenlands Zukunft im Euroraum

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Ende einer solchen Aktuellen Stunde muss man sich die Frage stellen: Cui bono? Wem nutzt es eigentlich?

Ich glaube, genutzt hat es Griechenland. Wir konnten heute die Gelegenheit ergreifen, vor dem Deutschen Bundestag nochmals klarzustellen, dass wir die Zukunft Griechenlands im Euro-Raum sehen. Es ist Aufgabe dieses Parlaments, das entsprechend zum Ausdruck zu bringen. Lieber Kollege Manuel Sarrazin, du bist doch derjenige, der immer sagt: Das ist nicht Angelegenheit der Regierung, sondern des Parlaments. – Die Regierung muss also nicht auf jeden durch eine Zeitungsmeldung entstehenden Medienhype reagieren, sondern wir tun das und stellen klar, wie die Sachlage ist: Unsere Einstellung zu Griechenland hat sich in keiner Weise verändert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Situation hat sich verändert. Das ist richtig. Wir haben Brandmauern errichtet. Wir haben den ESM und die Bankenunion. Wir haben Portugal, Irland und Spanien gesichert. Insofern gibt es nicht mehr die Ansteckungsgefahren, die es seinerzeit gab. Aber unsere Position ist dieselbe geblieben.

Wem hat das nichts genutzt? Ich bin überzeugt, den Linken.

(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist nichts Neues!)

Und warum? Herr Kollege Dehm, die Art und Weise, wie Sie den griechischen Wahlkampf ins deutsche Parlament gezogen haben, finde ich etwas beschämend. Sie haben ein Bild von Griechenland gezeichnet, das ich mir nicht zu eigen mache. Sie haben die Namen Samaras, Venizelos und Papandreou genannt. Sie haben von politischer Inzucht und Korruption geredet,

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ja!)

und dann haben Sie eine Person und eine Partei angesprochen, nämlich Tsipras und die SYRIZA, und das seien die Guten.

(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])

Dieses Bild von Griechenland habe ich nicht, Herr Dehm. Deshalb mache ich mir das, was Sie darstellen, nicht zu eigen. Ich finde das beschämend.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Dass die anderen die Schlechten sind, das wissen Sie! Und dass sie korrupt sind, wissen Sie auch! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Dass Sie manchmal keine Ahnung haben, auch!)

Eines muss man auch Herrn Tsipras vorwerfen, Herr Dehm. Er erklärt nicht nur seinem Volk, sondern der gesamten Öffentlichkeit, dass Griechenland vor allem von der Schuldenlast, die ihm die europäischen Geldgeber auferlegt haben, erdrückt werde. Er spricht sogar von „Fiscal Waterboarding“. Das ist meines Wissens eine ziemlich üble Methode, jemanden zu quälen.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Jetzt wird auch Wahlkampf gemacht, oder?)

– Ich mache keinen Wahlkampf, sondern ich stelle Dinge richtig.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Keinen Wahlkampf?)

Sie sollten sich einmal mit der Sachlage auseinandersetzen.

Es gab ein erstes Griechenland-Programm. Das waren bilaterale Kredite. Kredite aus dem ersten Griechenland-Programm muss Griechenland in den Jahren 2020 bis 2040 tilgen, und Griechenland bezahlt keine Zinsen für diese Kredite. Es zahlt über Jahre keine Tilgung und keine Zinsen.

Es gab ein zweites Griechenland-Programm im Rahmen der EFSF. Die Kredite aus diesem Programm muss Griechenland von 2023 bis 2057 tilgen. Es muss keine Zinsen zahlen. Griechenland muss also derzeit weder tilgen noch Zinsen zahlen. Wo herrscht dort bitte „Fiscal Waterboarding“?

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das kann ich Ihnen vorrechnen! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Das wahrscheinlich nicht! Sie haben doch keine Ahnung!)

Die einzigen Kredite, die Griechenland derzeit bedient, sind die des IWF. Ich habe kein Problem damit, dass Griechenland mit dem IWF über eine Streckung dieser Kredite verhandelt. Wer aber die europäischen Geldgeber ins Benehmen setzt und behauptet, sie seien schuld an den in Griechenland bestehenden Schuldenproblemen, zeichnet ein falsches Bild.

Damit komme ich zu den Grünen. Sie haben sich die Forderung nach einem Schuldenschnitt zu eigen gemacht. Das werde ich im Leben nicht verstehen.

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein sanktionierter Schuldenschnitt!)

Denn jede Diskussion über einen Schuldenschnitt untergräbt das letzte Vertrauen privater Geldgeber; öffentliche Geldgeber lassen wir einmal außen vor.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Öffentlichen sind doch die meisten!)

Sie haben offenbar nicht verstanden, worum es geht. Ziel unserer europäischen Rettungsschirme ist nicht, einem Land seine Schulden abzunehmen,

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sondern den Banken!)

sondern Ziel ist es, das betreffende Land in die Lage zu versetzen, sich zu erträglichen Zinsen auf dem Kapitalmarkt wieder selbst zu versorgen, also auf eigenen Füßen zu stehen. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Träumen Sie doch weiter!)

Der ESM ist kein Schuldentilgungsfonds, sondern ein Rettungsfonds. Das haben Sie offensichtlich noch nicht begriffen. Ziel muss es sein, dass sich Griechenland möglichst schnell wieder selbst Kredite zu erträglichen Zinsen – wie schon einmal geschehen – auf dem Kapitalmarkt beschaffen kann;

(Zuruf des Abg. Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

darauf sind unsere Bemühungen gerichtet. Darin unterstützen wir das Land mit all unseren Kräften.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Illusionist!)

Zum Ende der Debatte weise ich noch auf Folgendes hin: Herr Gabriel hat die europäischen Geldgeber davor gewarnt, sich erpressen zu lassen. Auch das ist richtig. Solidarität? – Ja, aber wir verstehen unter Solidarität etwas anderes als die Linken. Wir sind nicht nur mit Linken solidarisch, sondern mit allen. Aber Solidarität setzt auch Solidität voraus, also Hilfe gegen Selbsthilfe. Dabei bleibt es. Ich bin zuversichtlich, dass Griechenland eine gute Zukunft hat. Ich wünsche diesem Land alles Gute.

Danke.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4436710
Wahlperiode 18
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Griechenlands Zukunft im Euroraum
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