Sevim DağdelenDIE LINKE - Bundeswehreinsatz Operation Active Fence (Türkei)
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Leider ist Bundesaußenminister Steinmeier bei dieser wichtigen Debatte nicht zugegen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Der musste weg! – Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Weil er mit dem iranischen Außenminister spricht!)
– Ich habe „leider“ gesagt. Ich habe gar nicht hinterfragt, ob das berechtigt oder nicht berechtigt ist.
Man muss zunächst einmal konstatieren, dass die Bundesregierung mit dieser Einsatzverlängerung für die Bundeswehr die deutsche Öffentlichkeit schlicht hinters Licht führt.
Zunächst einmal stimmen die Begründungen in keinster Weise. Sie sagen, Sie kämen Erdogan gegen die syrische Bedrohung zur Hilfe. Dazu wurden im Wesentlichen drei Vorfälle als Grundlage für diesen Einsatz angeführt, bei denen Syrien türkische Souveränität verletzt haben soll.
Da ist zunächst einmal der Abschuss eines türkischen Militärflugzeugs durch die Syrer. Das Erdogan-Regime sagte, der Abschuss ist über internationalem Luftraum erfolgt. Aber der NATO-Bericht äußert große Zweifel an der Version der Türkei. Darüber hat Monitor noch im vergangenen Jahr berichtet. All diese Berichte scheinen Sie schlicht nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen.
Zweitens führten Sie das Attentat in der Stadt Reyhanli an. Bis heute gibt es keine Feststellung, dass Täter die Syrer sind. Es gibt im Gegenteil jedoch zahlreiche Berichte, die in die Richtung des türkischen Geheimdienstes weisen.
Auch die dritte Begründung für diesen Einsatz, der Granatenbeschuss von türkischem Territorium durch die syrische Armee, ist sehr zweifelhaft angesichts dessen, dass dieser Beschuss offensichtlich aus den von den Rebellen kontrollierten Gebieten kam.
Trotz dieser fragwürdigen Begründungen durch die Türkei für diesen Einsatz bezeichnen Sie die Türkei als einen vertrauensvollen Partner, der Solidarität und Zuverlässigkeit verdient und dem es mit der fortgesetzten Stationierung der Patriots unter die Arme zu greifen gilt. Sie gehen sogar so weit, Erdogan Besonnenheit gegenüber Syrien zu attestieren.
Doch ich frage Sie von der Regierung: Verhält sich der NATO-Partner Türkei gegenüber den Menschen in Syrien tatsächlich besonnen? Im letzten Jahr griffen islamistische Terroristen das armenische Dorf Kassab im Norden Syriens von der Türkei aus an und zerstörten dort die christlichen Kirchen und verwüsteten das ganze Dorf. Kassab ist vom türkischen Territorium fast komplett umschlossen, kann man sagen. Meinen Sie deshalb wirklich, es sei der türkischen Regierung verborgen geblieben, dass islamistische Gotteskrieger mit schweren Waffen von ihrem Territorium aus auf Kassab schießen? Wie wollen Sie eigentlich Ihr Attest der Besonnenheit für Erdogan den Nachfahren der Überlebenden des Völkermords an den Armeniern, der sich in diesem Jahr zum hundertsten Mal jährt, erklären, die jetzt vor diesen islamistischen Gotteskriegern flüchten müssen, die sie von türkischem Territorium aus angreifen?
(Beifall bei der LINKEN)
Sie sagen jetzt: Die Türkei muss mehr gegen den Terror tun. – Aber angesichts des Verhaltens der türkischen Regierung klingt dies zumindest in meinen Ohren wie blanker Hohn. Denn wie können Sie mit Ihrem Attest der Besonnenheit für das Erdogan-Regime den Menschen in Kobane unter die Augen treten, die sich seit Monaten gegen die Angriffe des „Islamischen Staates“ verteidigen? Wie erklären Sie den mutigen Frauen und Männern in Kobane, dass der NATO-Partner Türkei die Grenze gegenüber den kurdischen Enklaven im Norden Syriens geschlossen hat, während die türkische Grenze gegenüber den vom „Islamischen Staat“ kontrollierten Gebieten offen ist? Das möchte ich von Ihnen wissen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie als Bundesregierung haben sich solidarisch mit Charlie Hebdo erklärt. Gestern wurde die Veröffentlichung der türkischen Version der Satirezeitung in der Türkei verboten, und sie wurde überall konfisziert. Wieder einmal wurden Journalistinnen und Journalisten in der Türkei angegriffen. Dazu dürfen wir und vor allen Dingen Sie als Bundesregierung nicht schweigen.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zeigen Sie endlich, dass Sie nicht einverstanden sind mit der Repression und der Terrorförderung Erdogans und seiner Marionette – so wird Ministerpräsident Davutoglu in der Türkei trefflich beschrieben – in Syrien. Dieser Terror schlägt jetzt eben auch nach Europa zurück. Dies erklärte uns der libanesische Außenminister bereits im Frühjahr letzten Jahres bei einer Reise des Außenministers Steinmeier. Die Terrorförderung gegen Assad und gegen Syrien, meinte er damals, ist brandgefährlich, weil sich der Terror irgendwann gegen Europa richten wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Deutsche Außenpolitik darf nicht weiter auf einer Täuschung der Bevölkerung und der Partnerschaft mit autoritären Regimen beruhen. Deshalb bitte ich Sie: Kehren Sie um! Beenden Sie endlich Ihre Nibelungentreue zum Erdogan-Regime in der Türkei, und ziehen Sie die Bundeswehr dort ab!
(Beifall bei der LINKEN)
Als nächster Redner hat der Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4436869 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz Operation Active Fence (Türkei) |