Ralf Brauksiepe - Bundeswehreinsatz Operation Active Fence (Türkei)
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dagdelen, erlauben Sie mir nur den einen Hinweis: „Erdogan-Regime“ ist nicht die bei uns übliche Bezeichnung für demokratisch gewählte Staatsoberhäupter oder demokratisch gewählte Regierungen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir verstehen unter „Regime“ etwas anderes.
(Sevim Dagdelen [DIE LINKE]: Fragt man sich nur, was! Wenn Sie sich mit jordanischen Diktatoren verbünden!)
Zum Mandat, über das wir hier heute debattieren. Im November des Jahres 2012 hatte unser NATO-Partner Türkei die NATO zum Schutz seiner Bevölkerung und seines Territoriums um Unterstützung gebeten.
(Sevim Dagdelen [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal was zu den Terroristen, Herr Brauksiepe!)
Dieser Bitte gingen zahlreiche Grenzverletzungen von syrischer Seite mit Toten unter der türkischen Zivilbevölkerung voraus. Deswegen sollte für uns alle nachvollziehbar sein, dass sich unser Bündnispartner zunehmend bedroht fühlte. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Türkei unverändert der vom syrischen Bürgerkrieg am stärksten betroffene NATO-Verbündete ist. Deutschland verfügt neben wenigen anderen Partnern über die erforderlichen Waffensysteme, die im Verbund den Schutz gegen ballistische Raketen gewährleisten können. Deshalb hatten wir uns im Jahr 2012 entschieden, ab Januar 2013 zusammen mit den USA und den Niederlanden Patriot-Flugabwehrraketensysteme in der Türkei zu stationieren. Das sind die bekannten Fakten.
Der Einsatz hat sich in diesen Jahren militärisch bewährt. Über die rein militärische Komponente hinaus hat dieser Einsatz auch weiter gewirkt, hat auch politisch gewirkt. Mit dieser solidarischen Maßnahme sind eine Ausweitung der bewaffneten Auseinandersetzung über Syrien hinaus und eine Beeinträchtigung der Sicherheit der Türkei wirksam verhindert worden.
Unsere Bereitschaft im Bündnis hatte auch einen weiteren, einen abschreckenden Effekt. Er hat dem Assad- Regime nämlich deutlich die Grenzen aufgezeigt und somit letztlich dazu beigetragen, dass Syrien sein Chemiewaffenprogramm offengelegt hat und die Waffen dann mit vereinten Kräften der internationalen Gemeinschaft vernichtet werden konnten. Durch die von der deutschen Marine abgesicherte Vernichtung syrischer Giftgasbestände auf hoher See konnte das Bedrohungspotenzial in dieser Region zerstört werden. Auch das ist ein wichtiger politischer Erfolg, der erreicht worden ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Folgen des syrischen Bürgerkriegs und der Vorstoß der Terrormiliz IS haben starke Auswirkungen auf die gesamte Region. Über 1,5 Millionen Flüchtlinge wurden allein von der Türkei aufgenommen und verlangen unserem Partner große Anstrengungen ab. In dieser schwierigen Lage hat uns unser NATO-Partner erneut gebeten, im Rahmen der Integrierten Luftverteidigung der NATO türkisches Territorium und türkische Staatsbürger zu schützen. Das und nichts anderes ist der Kern dieses Mandates, über das wir hier heute erneut debattieren: Ein NATO-Partner hat um Hilfe gebeten.
Für die Bundesregierung ist völlig klar: Bündnissolidarität ist ein hohes Gut, ein Gut, dem gerade wir Deutschen uns verpflichtet fühlen sollten, weil wir davon über Jahrzehnte in besonderer Weise profitiert haben. Wir stehen zu unseren Partnern in der Allianz, und wir stehen zu unseren Zusagen. Das ist ein starkes Zeichen für die NATO und auch für die gesamte internationale Gemeinschaft.
Deswegen wiederhole ich mich noch einmal: Wenn man sieht, dass es seit der Stationierung der NATO-Raketenabwehr in der Türkei keine wesentlichen Grenzverletzungen von syrischer Seite mehr gegeben hat, dann sollte die abschreckende und damit erfolgreiche Wirkung unserer Mission für jeden Menschen guten Willens auch offensichtlich und erkennbar sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dennoch lässt sich aufgrund der fragilen Sicherheitslage in Syrien eine Bedrohung durch ballistische Raketen – und seien es nur fehlgeleitete – und durch solche ohne chemische Kampfstoffe derzeit nicht wegdiskutieren. Deswegen ist es auch nachvollziehbar, dass sich unser Bündnispartner Türkei von den damit verbundenen Auswirkungen auch weiterhin bedroht fühlt.
Für uns alle, denke ich, steht außer Frage, dass wir, wie schon bisher, mit Nachdruck an politischen Lösungen der Konflikte arbeiten. Das heißt aber ebenso, dass wir, wenn wir von Partnern um Hilfe gebeten werden und wir über Möglichkeiten und Fähigkeiten verfügen, einen konkreten Beitrag zu leisten, auch mit einem solchen konkreten Engagement Bündnissolidarität leben und uns als verlässlicher Partner erweisen werden.
Nach wie vor sieht auch der NATO-Oberbefehlshaber, sieht die NATO insgesamt eine begründete Bedrohung für die Türkei. Es besteht weiterhin ein Risiko, dem immer noch begegnet werden muss. Deshalb erklärt sich Deutschland seit zwei Jahren bereit, bis zu 400 Soldatinnen und Soldaten in die Türkei zu entsenden. Zusammen mit den USA und den Niederlanden halten wir Flugabwehrraketensysteme vom Typ Patriot in der Türkei im Einsatz. Auch wenn die Niederlande diesen Auftrag im NATO-Rahmen an eine spanische Patriot-Einheit weitergegeben haben, ändert sich hierbei operativ nichts.
Für den Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind drei Punkte entscheidend:
Erstens. Der Einsatz erfolgt ausschließlich zu defensiven Zwecken, also zum Schutz der türkischen Bevölkerung und des türkischen Staatsgebietes.
Zweitens. Der Einsatz dient nicht der Einrichtung oder Überwachung einer Flugverbotszone in Syrien. Das Bundestagsmandat zieht hier eine ganz klare Grenze.
Drittens. Unsere Soldatinnen und Soldaten werden dem NATO-Oberbefehlshaber unterstellt. Er ist durch den NATO-Rat beauftragt. Der Einsatz erfolgt im Rahmen der sogenannten Integrierten Luftverteidigung der NATO im Einklang mit dem dazugehörigen Verteidigungsplan.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann feststellen: Der Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten hat sich in diesem Jahr bewährt. Bis heute schützen wir die türkische Bevölkerung und das türkische Territorium erfolgreich vor Angriffen mit syrischen Raketen, und das bei hoher Akzeptanz durch die Menschen, wie ich erst vor wenigen Tagen bei einem Besuch feststellen konnte,
(Sevim Dagdelen [DIE LINKE]: Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen den Einsatz! Das stimmt nicht!)
und unter Bedingungen, die sich durch das gute Miteinander mit den türkischen Soldaten, die dort eng mit uns zusammenarbeiten, deutlich verbessert haben. Ich möchte allen, den deutschen Soldatinnen und Soldaten und auch denen unserer Partner, meinen Dank und meinen Respekt für diesen erfolgreichen Einsatz aussprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die bereits angesprochenen Rahmenbedingungen unseres rein defensiven Einsatzes bleiben unverändert. Als Stichwort nenne ich die Obergrenze von 400 Soldatinnen und Soldaten, die wir bei weitem nicht erreichen. Knapp 250 Soldatinnen und Soldaten sind dort vor Ort.
Unser Partner USA wird sein Engagement ebenfalls fortsetzen, und Spanien hat seine Bereitschaft zur Teilnahme vom Ende dieses Monats an bereits beschlossen. Wir sind weiter eingebunden in ein Bündnis von Partnern und leisten weiterhin unsere Solidarität. Deswegen bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zur Verlängerung des Mandates Active Fence Turkey für die kommenden zwölf Monate.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Dr. Tobias Lindner von den Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4436891 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz Operation Active Fence (Türkei) |