15.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 79 / Tagesordnungspunkt 8

Dieter StierCDU/CSU - Artgerechte Tierhaltung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Termingerecht zum heutigen Beginn der 80. Internationalen Grünen Woche in Berlin starten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, mit Ihrem Antrag abermals den Versuch, einen Generalangriff auf die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft zu reiten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun könnte man als Agrarpolitiker ja froh sein, dass wir diese Landwirtschaftsdebatte am Nachmittag und nicht fünf Minuten vor Mitternacht in diesem Hohen Hause führen. Man könnte das, wenn Sie diese Debatte nicht abermals zeitgleich mit dem Besuchs- und Gesprächswunsch von zwei EU-Kommissaren und dem Eröffnungsabend der Internationalen Grünen Woche, dem größten Ereignis der Branche in unserem Land, terminieren würden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin der Meinung, dass wir zu diesem Zeitpunkt als Agrarpolitiker des Gastgeberlandes für diese Gespräche zur Verfügung stehen sollten. Ich hielte das für unser Land, für Europa und für die Lösung der auch von Ihnen angesprochenen Themen für sehr wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit dem von den Oppositionsfraktionen heute gewählten Debattenzeitpunkt machen Sie das jedoch zum wiederholten Male teilweise unmöglich. Ich finde das nicht redlich.

Ich will zunächst aber den heutigen Abend, den unmittelbar bevorstehenden Eröffnungsabend der Grünen Woche in unserer Hauptstadt, zum Anlass nehmen, mich im Rahmen dieser Debatte bei allen in der Branche Tätigen dafür zu bedanken, dass sie 365 Tage im Jahr, egal ob Wochentag, Sonntag oder Feiertag, für ihre Tiere sorgen, sowie dafür, dass sie den ländlichen Raum pflegen und die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Menschen in unserem Land und in Europa satt sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich fraktionsübergreifend diesem Dank anschließen können und nicht gerade heute mit neuen Forderungen an die Branche auftreten.

Ich verhehle nicht, meine Damen und Herren, dass ich mir auch wünschen würde, dass die Medien in unserem Land gerade anlässlich der Grünen Woche diese Wertschätzung vermehrt erkennen ließen und über die fleißige Arbeit vieler in der Branche Tätiger berichten würden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ARD-Morgenmagazin – die ARD ist immerhin ein gebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Sender –

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie den auch noch abschaffen? Auch noch „Lügenpresse“?)

berichtet heute, dass ausgerechnet Berlin sich zum Zentrum der veganen Szene entwickelt.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist so! Ist das schlimm oder was, nur weil die keine Currywurst essen? Die essen auch, auch die Veganer!)

Statt anlassbezogen über einen bäuerlichen Betrieb oder über einen Betrieb der Ernährungsbranche zu senden – dabei ist mir, lieber Kollege Ostendorff, der konventionell produzierende genauso wichtig wie der Biobetrieb –,wurde heute Morgen im Ersten Deutschen Fernsehen berichtet, dass man mittlerweile auch eine vegane Lederpeitsche im Sexshop erwerben könne, welche aus alten Fahrradschläuchen hergestellt werde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die essen sie aber nicht! Was will er uns jetzt sagen? – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Haben Sie was dagegen?)

Mir zumindest fehlt dafür jedes Verständnis.

Beim Lesen Ihres Antrags habe ich festgestellt: Ich stimme immerhin damit überein, dass der Viehbesatz in manchen Regionen vielleicht zu hoch ist und dass wir darüber diskutieren sollten. Sie suggerieren aber, dass das flächendeckend so sei, und das ist einfach falsch. Deshalb lehne ich auch die Einführung von Obergrenzen ab.

Mein Heimatbundesland Sachsen-Anhalt weist als Flächenland heute einen deutlich geringeren Viehbesatz auf als vor 25 Jahren. Es gäbe hier genügend weitere Möglichkeiten, durch Tierhaltung und Veredelung Wertschöpfung und damit Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu schaffen. Sicherlich gibt es in einigen Fällen auch Missstände – das bestreiten wir überhaupt nicht –, aber unsere Tierschutzgesetzgebung ist heute schon – nicht erst seit der Novelle des Tierschutzgesetzes, die wir in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht haben – auf einem hohen Niveau, und sie ermöglicht den Landesbehörden auch einen entsprechenden Vollzug im Sinne der Tiere. Dieser Rechtsvollzug muss stattfinden. Auch hier beweist das Land Sachsen-Anhalt am Beispiel des Falls Straathof, dass es dazu in der Lage ist.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habt ihr wirklich gut gemacht!)

Wenn ich nun einige Forderungen aus Ihrem Antrag herausgreife, dann stelle ich fest, dass diese teilweise auch nicht schlüssig sind, wenn es um einen verbesserten Tierschutz geht. Mir erschließt sich nach wie vor nicht, warum Sie einem Tier innerhalb von Deutschland in einem meist hochmodernen Transportfahrzeug nur einen vierstündigen Transport zumuten wollen, im europäischen Maßstab aber für acht Stunden plädieren.

Ich komme zu einer weiteren Feststellung aus Ihrem Antrag. Auch ich bin der Meinung: Es muss nicht täglich Fleisch in der Ernährung sein.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber neu!)

Ich schätze jeden, der das anders sieht, kann und will aber niemandem seine Art und Weise der Ernährung vorschreiben.

Nun zu weiteren Inhalten Ihres Antrags. Sie schildern die Welt der Landwirtschaft in den düstersten Farben, die man sich nur vorstellen kann: Konsumenten würden konventionell erzeugtes Fleisch rundweg ablehnen; Tierhaltung fände nur in drangvoller Enge statt; der landwirtschaftliche Alltag bestünde ausschließlich aus Tierleid, verseuchten Böden, vergifteten Gewässern und verpesteter Luft. Das ist Ihr verhängnisvolles Zerrbild der Realität.

Meine Damen und Herren, Sie stellen den gesamten Antrag unter den Leitgedanken der artgerechten Tierhaltung.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! Was sonst?)

Der Notwendigkeit einer solchen stimme ich zu. Wir alle sind uns darüber einig, dass unsere Nutztiere vernünftig gehalten werden sollen. „ Vernünftig“ bedeutet in erster Linie „artgerecht“. Selbstverständlich muss es für die Umsetzung artgerechter Haltungsbedingungen auch vernünftige Kriterien geben. Diese erachte ich durch unsere bestehenden Gesetze und Verordnungen, aber auch durch politische Initiativen als schon ausreichend vorhanden.

Natürlich kann man darüber hinausgehende Forderungen entwickeln. Die müssen sich aber immer am Maßstab der Praxistauglichkeit messen lassen. Hierzu bleibt Ihr Antrag gute Ideen schuldig. Was Sie zu bieten haben, ist, wie immer, nichts Neues,

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind neue Forderungen!)

eine üppige Sammlung alter Forderungen im aggressiven Gewand restriktiver Instrumente.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

Durch Ihre Diktate, Zwangsverpflichtungen und Beschränkungen wäre die Landwirtschaft in Deutschland in vielen Fällen nicht mehr handlungsfähig.

Dass wir nicht den Regulierungsmethoden von gestern anhängen und trotzdem den Tierschutz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung konsequent stärken, das haben wir mit unserer Tierwohl-Initiative, für die ich Minister Christian Schmidt außerordentlich dankbar bin, unter Beweis gestellt. Wir werden mit dieser das Tierwohl weiter stärken. Es wird Mitte des Jahres erste Ergebnisse beim Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen geben.

Lassen Sie mich gegen Ende meiner Rede auch noch einmal Ihr negativ aufgeladenes Bild der Landwirtschaft aufhellen und richtigstellen. Landwirtschaftliche Unternehmer sind nicht der Gegner ihrer eigenen Nutztiere, sondern haben stets ein persönliches Interesse an einer artgerechten Tierhaltung. Deswegen setzen sie auch Maßnahmen zu dieser um. Zur Nutztierhaltung gehört aber dennoch eine unabdingbare Tatsache, der man sich stellen muss: Nutztierhaltung bedingt immer einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Tiere einerseits und den wirtschaftlichen Anforderungen der Menschen andererseits. Nur vor diesem Hintergrund kann auch eine artgerechte Tierhaltung von Nutztieren verstanden werden. Diese Einsicht kann ich bei Ihnen jedoch leider nicht erkennen. Ihr vorliegender Antrag bleibt daher auch bei mehrmaliger Betrachtung nichts weiter als die Aneinanderreihung der gescheiterten Antragsversuche der letzten Jahre.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen: Wenn jährlich deutlich mehr als 410 000 Besucher der Internationalen Grünen Woche mit unserer Landwirtschaft und unserem ländlichen Raum zufrieden sind, dann können wir keine so schlechte Agrarpolitik gemacht haben. Nachdem Sie heute ja noch aufs Demonstrieren zu sprechen gekommen sind, was zurzeit groß in Mode ist, und darauf verwiesen haben, dass es am Samstag eine Demo unter dem Motto „Wir haben es satt!“ gibt, Herr Ostendorff, sage ich Ihnen: Es gibt auch eine Demo unter dem Motto „Wir machen Euch satt“. Ich werde zu der zweiten Demo gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4437127
Wahlperiode 18
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt Artgerechte Tierhaltung
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