15.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 79 / Tagesordnungspunkt 8

Thomas MahlbergCDU/CSU - Artgerechte Tierhaltung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In meiner Heimatstadt Duisburg gibt es seit 50 Jahren ein Delfinarium. Die Duisburger waren große Pioniere in Mitteleuropa, wenn es um die Delfinhaltung geht. Die Zuchterfolge und der Besucherzuspruch im Delfinarium im Zoo Duisburg sprechen für sich. Trotzdem versuchen Tierschützer und auch viele Grünen-Politiker, den Delfinarien den Garaus zu machen.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Die Delfinhaltung war schon in der vergangenen Wahlperiode ein großes Politikum. In einer Anhörung des Ausschusses – das habe ich noch einmal nachgelesen – haben sich die meisten Sachverständigen für die Delfinhaltung ausgesprochen. Auch im Landtag Nordrhein- Westfalen, dem ich zehn Jahre lang angehört habe, fand letztes Jahr im Naturschutzausschuss eine Expertenanhörung statt, bei der mehrere Experten der Behauptung, die Delfinhaltung sei Tierquälerei, widersprochen haben.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sehen die Delfine anders!)

Eine wissenschaftlich fundierte Basis zur Bewertung der Delfinhaltung ist also gegeben und eindeutig: Die Delfinhaltung ist keine Tierquälerei. Aber nein, den Gegnern der Delfinhaltung ist das nicht genug; denn das Fachliche ist ihnen egal. Sie machen mit ihren Diffamierungskampagnen weiter. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, sehe ich auch bei Ihnen, wenn ich mir Ihren Antrag zur Nutztierhaltung anschaue.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es nicht! Delfine mästen wir nicht! – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Delfine sind keine Nutztiere! Es geht um Schweine!)

– Ich komme jetzt zu Ihrem Antrag. – Es gibt eine gewisse Parallele bei der Vorgehensweise. Auch Sie sind besondere Gutmenschen, die nach Verboten rufen, aber natürlich keine Lösungen anbieten. Auch Ihnen ist es egal, was die Fachleute und die Praktiker von Ihren Wunschvorstellungen halten.

Warum sind Sie eigentlich nicht bereit, die vielen positiven Entwicklungen in der Landwirtschaft zu sehen? Sind Sie im Ernst der Überzeugung, dass unsere moderne Tierhaltung die Gesundheit der Menschen etwa gefährdet? Was ist daran verwerflich, dass unsere gesunden und sicheren Lebensmittel so viel Nachfrage im Ausland finden? Warum gibt es diese Exportfeindlichkeit bei Ihnen? Wir haben eben im Gesundheitsausschuss im Gespräch mit Phil Hogan einiges darüber gehört, was uns gerade der Export bringt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ihr Antrag greift unbestritten wichtige Themen auf – da waren sich, glaube ich, alle Redner unisono einig –, ist aber gespickt mit Ihrer Verbotsmentalität, die uns an dieser Stelle nicht weiterbringt. Lassen Sie uns über die Zukunft unserer Nutztierhaltung reden, aber lassen Sie uns das wissensbasiert und praxisorientiert tun.

Ein guter Ansatz ist die Tierwohl-Initiative „Eine Frage der Haltung – neue Wege für mehr Tierwohl“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Mit der im September 2014 gestarteten Initiative will das Ministerium die verschiedenen Maßnahmen, zum Beispiel die Brancheninitiative Tierwohl und das Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes, koordinieren und damit konkrete Verbesserungen im Tierwohl erreichen, „die sich am wirtschaftlich und auch wissenschaftlich Machbaren orientieren“.

Unser Bundesminister Christian Schmidt hat uns in einer Ausschusssitzung seinen Maßnahmenkatalog vorgestellt. Zusammen mit dem von ihm eingesetzten „Kompetenzkreis Tierwohl“ greift er wichtige Punkte auf: Sachkunde der Tierhalter, Stalleinrichtung, Tierschutz bei Schlachtung, Forschung, nichtkurative Eingriffe bei Nutztieren.

Das Thema der nichtkurativen Eingriffe findet sich auch in Ihrem Antrag. Und was ist Ihr Vorschlag? Große Überraschung: ein striktes Verbot. Warum verschweigen Sie aber, dass mit einem sofortigen strikten Verbot mehr Tierleid und weniger Tierwohl entstünde? Sie wissen doch genau, dass das Schwanzkupieren bei Schweinen und das Schnabelkürzen bei Geflügel keine Spaßbeschäftigung der Tierhalter ist. Die Tierhalter nehmen es vor, weil sie Schlimmeres verhindern wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie wissen doch, dass es sonst zu Kannibalismus kommen könnte und damit Verletzungen und Entzündungen die Tiere plagten.

Es ist Ihnen doch bewusst, dass die Problematik durchaus komplex ist und dass es mit einem Verbot nicht getan ist. Warum haben Sie nicht den Mumm, das öffentlich zu sagen? Warum setzen Sie auf so billige Quasilösungen, die letztendlich niemandem – und schon gar nicht den Tieren – helfen würden? Klar ist: Auch wir wollen, dass die Haltungseinrichtungen den Bedürfnissen der Tiere angepasst werden und nicht umgekehrt; das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Aber?)

Wir wollen einen Ausstieg aus den nichtkurativen Eingriffen; das ist auch klar. Dieses Ziel steht für jeden nachzulesen gleich an Platz zwei des Maßnahmenkatalogs des Bundesministeriums. Dort finden Sie, im Gegensatz zu Ihrer populistischen Forderung, einen forschungsbasierten und praxisnahen Ansatz.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Bei dem am Ende vielleicht auch ein Verbot steht!)

Lernen Sie doch von uns und unserem Bundesminister: Zuerst wird geforscht und in der Praxis erprobt, was – wissenschaftlich abgesichert und praxisreif – zum Regelfall gemacht werden soll.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dieter Stier [CDU/CSU]: Das ist der richtige Weg! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Es darf bloß keine Ausrede sein!)

Zu Ihrer Ignoranz gegenüber fachlicher Kompetenz und zu Ihrem Dauermantra gehört die nun wieder erhobene Forderung nach Tierbestandsobergrenzen. Es haben sich bereits sehr viele Agrarexperten dazu geäußert und bestätigt – wir haben es, glaube ich, gerade von der Kollegin Jantz gehört –, dass das Tierwohl nicht allein von der Größe des Bestandes abhängig ist. Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle Herrn Dr. Lars Schrader, den Leiter des Instituts für Tierschutz und Tierhaltung des Friedrich-Loeffler-Instituts – er ist sicherlich auch Ihnen als Fachmann bekannt – mit den Worten zitieren, dass „die viel diskutierte Größe der Bestände für die Tiergerechtheit keine Rolle spielt“. Viel wichtiger als die Bestandsgröße ist die Betreuung durch den Tierhalter, die richtige Fütterung, ein gut strukturierter und an die Bedürfnisse der Tiere angepasster Stall. Es ist ein Irrweg, davon auszugehen, dass es einem Tier in einem kleineren Bestand automatisch besser geht. Wir müssen weg von der Bestandsgrößendebatte und hin zu einer Einzeltierbetrachtung, wie ich meine.

Uns in der Unionsfraktion geht es nicht um ideologische Grabenkämpfe, sondern um messbare Fortschritte in Sachen Tierschutz. Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, geht es in erster Linie um Stimmungs- und Angstmache.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit Ihrem Antrag, meine ich, beweisen Sie erneut, dass Sie nicht wirklich interessiert sind, ernsthaft und konstruktiv über die Zukunft der Nutztierhaltung und unserer Landwirtschaft insgesamt zu diskutieren. Es scheint Ihr politisches Kalkül, eine ganze Branche zu diffamieren, die Bürgerinnen und Bürger in Angst zu versetzen und mit unausgegorenen Vorschlägen zu überschütten. Mit Ihrem ideologischen Dünkel verlangen Sie eine Landwirtschaft, die rückwärtsgewandt ist und die nicht imstande wäre, die wachsende Weltbevölkerung sicher und gesund zu ernähren.

Sie beziehen sich in Ihrem Antrag auf die immer zur Zeit der Internationalen Grünen Woche stattfindende Demo „Wir haben es satt!“; das ist ja gerade zur Sprache gekommen. Ich habe gehört, es gibt Teilnehmer hüben wie drüben, an der einen und der anderen Demo. Umso mehr freue ich mich, dass am Samstag eine Gegendemo unter dem Motto „Wir machen Euch satt“ stattfinden wird. Dort wollen Landwirte von großen und kleinen, von ökologischen und konventionellen Betrieben zeigen, dass sie gesprächsoffen sind. Sie wollen sowohl mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern als auch mit der Politik reden. Sie wollen, dass man mit ihnen redet, statt über sie.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden ständig!)

Ich frage Sie: Ist das zu viel verlangt?

Wir als Unionsfraktion wollen die Zukunft der Tierhaltung und der Landwirtschaft zusammen mit unseren Landwirten und nicht gegen sie gestalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen diesen Prozess im Dialog mit Verbraucherinnen und Verbrauchern und auf einer fundierten wissenschaftlichen Grundlage führen. Wir greifen nicht zurück auf einfache Lösungen, die in Wirklichkeit keine Lösungen sind. Wir wollen weiterhin unserem Auftrag aus dem Grundgesetz nachgehen und die Tiere als unsere Mitgeschöpfe schützen. Dafür werden wir die TierwohlOffensive des Bundesministeriums, die auch in unserem Koalitionsvertrag verankert ist, kritisch begleiten und konstruktiv mitgestalten. Wir haben es satt – um Ihren Lieblingskampfspruch zu verwenden, liebe Grünen –, dass Sie unsere bäuerlichen Familien diskreditieren. Wir lehnen Ihren Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, entschieden ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist unparlamentarisch, das in der ersten Lesung abzulehnen!)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Rita Hagl-Kehl von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4437241
Wahlperiode 18
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt Artgerechte Tierhaltung
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