Siegmund EhrmannSPD - 100. Jahrestag der Gründung des Bauhauses 2019
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bauhaus-Idee gehört zu den großen und nachhaltigen kulturellen Impulsen, die von unserem Land ausgingen. Wie bereits erwähnt, in kurzen Zügen: 1919 von Walter Gropius als Kunstschule in Weimar gegründet, 1925 nach Dessau gezogen und 1933 unter dem Druck der Nationalsozialisten geschlossen, prägen seine innovativen Gestaltungsansätze noch heute. Im Nationalsozialismus galten viele Entwürfe der Bauhaus-Gestalter als „entartet“. Bauhäusler mussten emigrieren. Besonders der linksgerichtete, avantgardistische Lebensstil der Bauhaus-Anhänger war es, der den Nazis übel aufstieß: Am Bauhaus Frauen in Hosen? Ein Unding im reaktionären Bild der NSDAP.
Das brutale Aus der deutschen Bauhaus-Bewegung multiplizierte die Bauhaus-Idee und trug sie in viele Länder. Bauhaus-Protagonisten emigrierten in die USA, zum Beispiel Josef Albers, aber auch in die Sowjetunion wie Hannes Meyer oder ins heutige Israel wie Arieh Sharon. Aus der Bauhaus-Philosophie abgeleitet entwickelten sich dort neue Architektur-, aber auch Produkt- und Kommunikationsdesignstile.
Doch – auch das muss ein wichtiger Blickpunkt sein – das Bauhaus-Konzept hat auch in unserem Land Maßstäbe für Stadtentwicklung und Architektur gesetzt und vor allem die soziale Dimension des Bauens akzentuiert. Ein Element hier in Berlin wurde schon genannt: Es gibt insgesamt sechs Siedlungen der Moderne, die seit 2008 als Weltkulturerbe in dieser Stadt zu besichtigen sind.
Im Design war es der Wille, Möbel und Gebrauchsgegenstände als Werkzeuge für alle zu bauen. Dahinter lag eine zutiefst soziale Idee: den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu rücken. Viele Bauhaus-Erfindungen wie zum Beispiel die Einbauküche erweisen sich bis heute als funktional. Die Wagenfeld- Leuchte steht international als Symbol für gutes Design. Auch im parlamentarischen Komplex finden wir gelegentlich Möbel im Stil der Bauhaus-Ästhetik.
Die Bauhaus-Schule verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Es ging nicht nur um Design, Kunst und Architektur. Ebenso wichtig war der pädagogische Zugang zu diesen Künsten und Objekten. Als Walter Gropius 1919 in Weimar das Staatliche Bauhaus eröffnete, verkündete er:
Damals revolutionär – ist das heute selbstverständlich? Es bleibt eine Herausforderung, auf Begabung zu achten. Die Reformpädagogik des Bauhauses entwickelte somit neue Methoden, begabte Menschen zu künstlerisch-kulturell-ästhetischem Handeln zu befähigen. Diese Konzepte sind bis heute ungebrochen aktuell und sollen deshalb beim Jubiläum einen besonderen Raum entfalten. Es gibt Elemente, die jetzt schon reifen, zum Beispiel mobile Module des Fliegenden Klassenzimmers, um in die Pädagogik der unterschiedlichen Schulstufen einzufließen, Forschungsvorhaben, die sich dem großen Thema „Kreativität und Pädagogik“ widmen.
Die drei Länder mit Bauhaus-Einrichtungen – Thüringen, Sachsen-Anhalt und Berlin – haben sich bereits 2012 mit einigen anderen Bundesländern zum „Bauhausverbund 2019“ zusammengeschlossen. Dieser Verbund wird die Aufgabe haben, das Jubiläum vorzubereiten, weiter reifen zu lassen.
Klar ist, dass mit den bereitgestellten Mitteln – Gott sei Dank im Haushalt 2015 deutlich markiert – die Kernstandorte der Bauhaus-Tradition gestärkt werden; aber auch außerhalb der Zentren von Weimar, Dessau und Berlin finden wir Bauhaus-Zeugnisse. Kollegin Bertram hat vorhin auf das Fagus-Werk in Alfeld aufmerksam gemacht. Ich erinnere zum Beispiel an die Dammerstock-Siedlung in Karlsruhe, an die Häuser „Lange“ und „Esters“ und, ähnlich wie in Alfeld, den VerSeidAG- Komplex in meiner Heimat in Krefeld oder an die Bauten „Experimentierfeld modernen Bauens“ in Hagen – überall markante Zeugnisse der Bauhaus-Tradition.
Unser Antrag nimmt deshalb die bedeutenden Bauten des Bauhauses außerhalb der Museumsstandorte mit in den Blick. Bereits im Vorfeld des Jubiläums sollen auch dort Ausstellungen, Bildungs- und Forschungsprojekte das kulturelle Erbe des Bauhauses herausstellen und in Erinnerung rufen. Denkmalschutzprogramme können Möglichkeiten bieten, marode, leidende Substanz auf Vordermann zu bringen, sodass im Jahre 2019 alles im besten Licht erscheint. Eben deshalb ist es wichtig, dass die Bund-Länder-Kooperation, aber auch die Kooperation mit den Bauherren und Eigentümern reift, intensiviert wird: damit wir zu einer gemeinsamen Anstrengung kommen. „ Die Welt neu denken“, unter diesem Motto wird es ab diesem Jahr ein umfangreiches gemeinsames Programm geben, das auf das Jubiläum hinläuft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Antrag will die Regierungskoalition all dies rechtzeitig akzentuieren und den Blick auf das außergewöhnliche Jahr 2019 lenken. Es ist, Herr Petzold, in der Tat auch eine Einladung an die Opposition, gemeinsam darüber nachzudenken, wie dieser Antrag, den ich schon für hervorragend halte, möglicherweise noch reifen kann. Sie sind herzlich eingeladen, sich an diesem Wettbewerb zu beteiligen, sodass wir dann hinterher gemeinsam als Parlament diesen Weg gehen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4437299 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | 100. Jahrestag der Gründung des Bauhauses 2019 |