15.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 79 / Tagesordnungspunkt 9

Michelle MünteferingSPD - 100. Jahrestag der Gründung des Bauhauses 2019

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag würdigen wir die Leistung und die Strahlkraft eines einzigartigen künstlerischen Werkes. Wir tun dies im Plenum des Deutschen Bundestages, weil die Bauhaus-Schule Kultur und Gesellschaft bis heute weltweit beeinflusst. Das haben die Kolleginnen und Kollegen gerade schon jeder für sich und für uns allgemein formuliert.

Wir tun das, weil das Bauhaus mehr ist als zeitloses, nüchternes Design und auch mehr als ein feststehendes Regelwerk von Form und Farbe. Wenn ich jetzt wie meine Vorrednerin und Vorredner versuche, die Idee des Bauhauses zusammenzufassen, dann will ich es so formulieren: Das Bauhaus ist die Idee, menschliche Grundbedürfnisse über die der Wirtschaft und der Industrie zu stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Bauhaus ist eine Kunst, die humanistischen Prinzipien folgt, und es ist sicherlich auch eine Haltung. Deswegen wurden seine Künstler, Architekten, Maler und Bildhauer von den Nazis verfolgt; denn jede Diktatur, jedes totalitäre System, fürchtet die mächtige Kraft von Kunst und Kultur. Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, fördern sie. Wir investieren: in Frieden und Kooperation, in die Freiheit der Kunst, in die Gleichwertigkeit der Menschen und in eine offene, moderne Gesellschaft. Auch die Nazis haben es nicht vermocht, das dauerhaft auszulöschen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eines der wohl stärksten Symbole hierfür ist die Weiße Stadt, die White City – Kollege Kühn hat es gerade angesprochen –, in Tel Aviv in Israel. Es ist die weltweit größte Ansammlung von Häusern im Bauhaus-Stil. Mitten im modernen Tel Aviv stehen rund 4 000 solcher Gebäude. Seit 2003 sind sie als einzigartiges Phänomen moderner Architekturgeschichte Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Als Vertreterin im Unterausschuss „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“ will ich das besonders hervorheben. Denn die Bundesregierung hat erst vor einigen Wochen beschlossen, dabei zu helfen, dieses Kulturgut zu erhalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Das ist in der Tat einen Applaus wert.

Wer von Ihnen schon einmal dort war, weiß, welche Geschichte sich hinter den zerfallenen Fassaden und grau verfärbten Wänden verbirgt und welche Bedeutung diese Gebäude für die deutsch-israelischen Beziehungen haben. Viele der Baumaterialien, mit denen die Häuser gebaut wurden, sind nämlich von den verfolgten Juden selbst mitgebracht worden. Die Ausfuhr von Bargeld hatten die Nazis mit hohen Zöllen belegt, damit aus der Verfolgung und der Flucht von jüdischen Menschen auf perfide Weise noch ein zusätzlicher Profit geschlagen werden konnte.

In Tel Aviv wollte man hingegen eine Stadt aus neuer Sachlichkeit und einer offenen Gesellschaft bauen, wie es das Bauhaus lehrte: flache Dächer, Balkone, Gärten, die eine Begegnung zwischen Menschen möglich machten. Daran soll sich auch die Sanierung orientieren. Zum deutsch-israelischen Projekt wird die White City aber auch, weil wir dabei mit deutschen Produkten, Fachwissen und Handwerkskunst gefragt sind. Partner wie die Industrie- und Handelskammer, Bauhaus-Institutionen und Universitäten sollen ihre Kompetenzen dazu beisteuern. Mit dem Max-Liebling-Haus stellt die Stadt Tel Aviv zudem ein Gebäude zur Verfügung, in dem ein lebendiger Austausch zwischen Handwerkern, Restauratoren und Künstlern entstehen soll.

Übrigens hat das Bauhaus nie einen Unterschied zwischen Handwerkern und Künstlern gemacht. Das Bauhaus hat sich am griechischen Begriff „Kali Technis“, dem „guten Handwerker“, orientiert. Ich wünsche mir, dass in diesem Sinne Räume für junge Menschen aus Handwerk und Kunst entstehen, die sich dort begegnen können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Im Sinne dieser Entstehungsgeschichte, aber gerade auch deshalb, weil wir in diesem Jahr 50 Jahre diplomatische Beziehungen mit Israel feiern, freut es mich, dass das BMU kurz vor Weihnachten beschlossen hat, das Ganze zu fördern. Ich danke der Deutsch-Israelischen Gesellschaft dafür, dass sie uns vorangetrieben hat, Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf dieses gute Stück Kulturpolitik aufmerksam zu machen, und nicht zuletzt den Haushältern, die sich dafür eingesetzt haben.

Ich komme zum Schluss. Wenngleich die lebendige Tradition der vielleicht wichtigsten Designschule mit der Vertreibung seiner kühnsten Protagonisten in Deutschland unwiderruflich abgeschnitten wurde, rufen wir uns doch in Erinnerung, was das Bauhaus-Archiv selbst formuliert: „Das Bauhaus gehört der Welt, aber es kommt aus Deutschland.“ So beginnen wir das Jubiläum im Jahr 2019.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Als letzter Rednerin in dieser Aussprache erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr. Astrid Freudenstein, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4437346
Wahlperiode 18
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt 100. Jahrestag der Gründung des Bauhauses 2019
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