15.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 79 / Tagesordnungspunkt 10

Ingrid Arndt-BrauerSPD - Risikoausgleichsrücklage für Agrarbetriebe

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörer! Wir haben hier so etwas wie eine zweijährige Wiederholung eines Themas. So wie regelmäßig die Grüne Woche kommt, so kommt regelmäßig der Antrag der steuerfreien Risikoausgleichsrücklage für die Landwirtschaft – überraschenderweise nicht immer von den gleichen Leuten.

Ich erinnere an einen Vorstoß der Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner im Jahr 2009. Sie hat das Thema besetzt, sich an Peer Steinbrück gewandt und ihn gebeten, doch darüber nachzudenken. Er hat darüber nachgedacht und hat es rundweg abgelehnt. Er hat es mit dem Argument abgelehnt: Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes – Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes – bestehen keine hinreichend sachlichen Rechtfertigungsgründe für eine Risikoausgleichsrücklage. Da andere Branchen vergleichbar hohe Risiken eingehen oder gar stärkeren Marktschwankungen unterliegen – damals war es die Automobilwirtschaft; das war 2009 –, würde einzig die Land- und Forstwirtschaft steuerlich gefördert. Er wies darauf hin, dass wir – das wurde auch vom Kollegen Schindler angesprochen – eine ganze Menge besonderer Regelungen für die Land- und Forstwirtschaft haben. Sie bilanzieren nicht nach dem Kalenderjahr, sondern nach dem Wirtschaftsjahr; das heißt, sie können ihre Gewinne in zwei Rechnungsjahre aufspalten und haben dadurch gute Möglichkeiten, den Gewinn auf zwei Veranlagungszeiträume aufzuteilen. Das war 2009.

Dann gab es 2012 einen neuen Vorstoß – diesmal von den Linken. Sie bezogen sich auf ein Gutachten. Das Gutachten ist vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Auftrag gegeben worden, fiel allerdings nicht so aus, wie sie es sich vorgestellt hatten. Auch in diesem Gutachten wird die Rücklage komplett abgelehnt, weil sie keine wirkliche Entlastung erreicht, da die Steuerzahlung lediglich in die Zukunft verschoben wird. Das ist genau der Punkt. Sie haben die ganze Zeit gesagt, Sie wollen die Landwirtschaft unterstützen, Sie wollen sie fördern, Sie wollen Ernährungssicherheit herstellen. In Wirklichkeit wird allerdings nur eine Steuerzahlung in die Zukunft verschoben und keine Subvention geleistet. Das muss man immer im Kopf haben.

Damals haben Sie davon gesprochen, dass es darum geht, 35 Millionen Euro an die Landwirte zu verteilen. Diesmal steht in Ihrem Antrag kein Finanzvolumen. Ich weiß nicht, ob das Ganze inzwischen nichts mehr kostet. Oder wie haben Sie sich das vorgestellt?

Sie haben jetzt einen neuen Antrag eingebracht. Er ist inhaltlich fast gleich, allerdings sind beachtliche neue Risiken der Landwirte dazugekommen. Neben dem Klimawandel – vor zwei Jahren gab es ihn so noch nicht, er hat sich verstärkt – und der afrikanischen Schweinepest – sie gab es vor zwei Jahren auch noch nicht – sind die Risiken von TTIP und die Folgen des russischen Importstopps

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: In der Begründung, ja!)

in der Begründung für die Ausgleichsrücklage hinzugekommen. Normalerweise ist es für die Landwirte immer etwas risikoreich, ihrem Betrieb nachzugehen. Klima gab es schon immer.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Auch Tierseuchen gab es schon immer, und es gab schon immer irgendwelche Handelsabkommen. Es mag sein, dass wir jetzt vielleicht neue Erreger haben, aber wir haben auch neue Impfstoffe. Ich glaube, das gleicht sich aus. Fälle von Infektionen mit dem Blauzungen- und dem Schmallenberg-Virus ziehen sich durch die letzten Jahre – das stimmt –; aber da hilft keine Steuererleichterung. Die Viren werden weiterhin auftauchen, unabhängig davon, ob die Landwirte Geld haben oder nicht.

Wie stark die Landwirte davon betroffen sind, hängt natürlich von der Art des Betriebes ab. Auch dafür haben Sie keine Lösung. Sie wollen nämlich nicht gezielt Betriebe mit besonderen Risiken fördern, sondern die Förderung streuweise über alle Betriebe verteilen, wodurch die großen Betriebe – die Kollegen sagten es schon – erheblich mehr erhalten als die kleinen; das ist ein sehr wichtiger Kritikpunkt.

Wie gesagt: Sie benennen kein Volumen der Entlastung; Sie haben es nicht berechnet oder berechnen wollen. Sie differenzieren bei der Förderung überhaupt nicht; Sie schieben die Förderung einfach dem ganzen Sektor zu. Dass Ihre Fraktion dabei auf die Historie verweist – nach dem Motto: das hat der Landwirtschaftsverband schon immer gefordert, deswegen muss es richtig sein –, finde ich ein bisschen überraschend.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wir haben doch begründet, warum!)

– Die Begründung fand ich nicht so überzeugend.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Vielleicht haben Sie sie nicht verstanden!)

Schwierig ist auch die Umsetzung des Antrags. Sie müssen sich das einmal überlegen. In Ihrem Antrag haben Sie geschrieben:

Das bedeutet aber, dass man eine gewisse Vision braucht, wie die nächsten Jahre sein werden. Ein Landwirt muss schon abschätzen können: Bin ich in einem Risikojahr oder nicht? Ich halte das für sehr schwierig. Nach zwei durchschnittlichen Jahren, vielleicht mit einem Jahr, in dem es einen harten Sommer gab, kann ein Landwirt schlecht abschätzen, ob der nächste Sommer wieder hart wird, ob ein Risikojahr folgen wird und eine Rücklage gebildet werden muss. Er kann schlecht abschätzen, ob nach einem guten Jahr, in dem der Milchpreis ein bisschen höher war, eine Rücklage gebildet werden muss, weil der Milchpreis im nächsten Jahr bestimmt wieder niedriger ist. Das abzuschätzen, ist nicht nur für den Steuerberater schwierig, sondern auch für den landwirtschaftlichen Betrieb eigentlich unmöglich.

Jede Versicherungsmöglichkeit ist besser als Ihre Rücklage.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in der Versicherungsbranche eine Menge gemacht; wir haben zusätzliche Risiken aufgenommen, die versichert werden können. Wir können auch gerne darüber reden, ob man noch mehr versichern kann, ob man sich gegen die Folgen von TTIP absichern kann. Von mir aus! Wenn Sie eine Versicherung dafür finden, ist mir das recht. Ob man sich gegen die ganzen Viren absichern kann? Von mir aus! Jedenfalls ist alles besser als die von Ihnen vorgeschlagene Rücklage. Wir von der SPD waren übrigens schon immer dagegen. Die CDU/CSU hat ein bisschen geschwankt, aber Kollege Schindler war auch immer dagegen; das will ich hier wohlwollend sagen.

Ich halte den Antrag nicht nur für überflüssig, sondern auch von der Ausrichtung her für schädlich. Er bringt den Landwirten nichts außer ein bisschen mehr Publicity zur Grünen Woche; er bringt keine Erleichterung im Betriebsablauf. Wenn Sie den Landwirten wirklich helfen wollen, dann sorgen Sie für einen fairen Wettbewerb,

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wenn Sie mitmachen, machen wir das gerne!)

für eine gute Landwirtschaft, die unter fairen Bedingungen produziert, und für faire Preise. Helfen Sie mit, die Massentierhaltung einzudämmen, den Flächenverbrauch einzudämmen, die Intensivtierhaltung einzuschränken

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wenn Sie da überall mitmachen, gerne!)

und vielleicht den Antibiotikaverbrauch zu beschränken. Helfen Sie dabei, eine gute Ernährung für die Verbraucher zu sichern. Das nutzt allen: den Verbrauchern, der Landwirtschaft in ihrem Bestand und dem Image sowieso.

Nun möchte ich die restlichen Minuten meiner Redezeit denen zur Verfügung stellen, die noch auf die Grüne Woche gehen wollen. Deswegen beende ich meine Rede etwas eher. Ich denke, da ist mir keiner böse. Ich wünsche allen eine schöne Zeit auf der Grünen Woche. Setzen Sie sich intensiv mit den Landwirten und ihren Problemen auseinander,

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das müssen Sie mir nicht sagen! Das mache ich schon!)

und sparen Sie sich den nächsten Antrag in zwei Jahren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Fritz Güntzler, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4437448
Wahlperiode 18
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt Risikoausgleichsrücklage für Agrarbetriebe
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