Gabriele Hiller-OhmSPD - Änderung des SGB IV
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare. – Dieses Sprichwort beschreibt sehr treffend den Druck der Bürokratie auf uns Menschen. Wir alle wünschen uns weniger Bürokratie, weniger Formulare. Ich zum Beispiel muss jedes Jahr für die Krankenkasse eine Bescheinigung ausfüllen und Auskünfte über meine mitversicherte Tochter geben, ob sie noch studiert, seit wann sie studiert und wie lange noch, wie viel Geld sie mit ihren Jobs verdient hat, muss Studien- und Verdienstbescheinigungen beifügen usw. Ich habe großes Glück, dass ich sehr gewissenhafte Kinder habe, die mir selbstverständlich sämtliche Bescheinigungen unverzüglich zukommen lassen.
(Beifall bei der SPD)
Ich weiß aber auch von Fällen, bei denen das nicht so konfliktfrei abläuft. So eine sicherlich wichtige Datenmeldung kann sich dann sehr schnell zu einer zeit- und nervenaufreibenden Angelegenheit werden.
Ich freue mich deshalb sehr, dass sich das Ministerium für Arbeit und Soziales vorgenommen hat, überbordende Bürokratie abzubauen und Verwaltungsvorgänge zu vereinfachen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist eine wirklich gute und wichtige Sache. Viele reden nur davon. Wir setzen es um.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beraten heute über einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der elektronischen Meldeverfahren für die Sozialversicherungen. Hierbei geht es zum Beispiel darum, An-, Ab- und monatliche Beitragsmeldungen von Beschäftigten bei den Kranken- und Unfallkassen sowie bei der Renten-, der Arbeitslosen- und der Pflegeversicherung zu erleichtern. Ein weiteres Ziel ist es, die elektronischen Verfahren insgesamt gesetzesfest zu machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich konnte es fast nicht glauben: Jährlich finden sage und schreibe 400 Millionen Meldevorgänge statt. Das ist eine enorme, eine beeindruckende Anzahl. Wir beschäftigen uns heute mit dem größten Massenverfahren zur Übermittlung von Informationen in der Bundesrepublik. So viel zur Dimension.
Wir haben über 42 Millionen Beschäftigte in Deutschland. Deren Sozialversicherungsdaten müssen von den rund 4 Millionen Unternehmen regelmäßig an die öffentlichen Stellen gemeldet werden. All diese Meldungen sorgen dafür, dass Renten-, Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Unfallversicherungen umgehend über Leistungsansprüche entscheiden und diese auszahlen können. Damit das klappt, brauchen wir leistungsfähige Systeme.
Diese werden jetzt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Nutzen aller weiter optimiert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Ministerium hat sich dabei sehr viel Mühe gegeben. Der vorliegende Gesetzentwurf wurde nicht mal so eben aus dem Ärmel geschüttelt. Nein, über zwei Jahre harter Arbeit sind dem Gesetzestext mit dem Projekt „Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“ – kurz OMS – vorausgegangen.
Dabei wurde nicht hinter verschlossenen Türen gearbeitet. Im Gegenteil, man hat alles sehr genau mit den betroffenen Akteuren diskutiert. Arbeitgeber und Fachleute aus den Verwaltungen waren genauso beteiligt wie natürlich auch Softwareentwickler, die anwenderfreundliche technische Lösungen finden müssen, die dann hoffentlich auch funktionieren. Auch die Datenschutz- und Datensicherheitsexperten wurden nicht vergessen. Das ist insbesondere deshalb sehr wichtig, weil es um den Austausch von personengebundenen Daten geht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns liegt ein umfassender Abschlussbericht vor, den wir alle – davon gehe ich aus – mit großem Interesse gelesen und studiert haben. Dieser umfasst sagenhafte 1 989 Seiten. Ich hätte ihn mitgebracht, konnte ihn aber leider nicht tragen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Er ist übrigens zusammen mit weiteren Informationen zu dem OMS-Projekt für jede und jeden im Internet frei zugänglich. Wir erkennen hieran eindrucksvoll, wie viel Arbeit mit dem Abbau von Bürokratie verbunden ist.
Ich bedanke mich bei allen, die daran beteiligt waren. Das waren nicht wenige. 260 Menschen haben an diesem Projekt mitgearbeitet. Danke schön dafür.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ihr Einsatz lohnt sich allemal; denn unnötige Bürokratie kostet die Bürgerinnen und Bürger vor allem Zeit und Nerven. Zudem werden unsere Unternehmen durch zu viel Bürokratie in ihrem Schaffensdrang regelrecht ausgebremst.
Schauen wir auf den Mittelstand, der uns allen sehr am Herzen liegt. Fast 4 Millionen kleine und mittlere Unternehmen sind betroffen. Sie sind unsere Garanten für Wachstum und Beschäftigung.
Ich habe bei mir in Schleswig-Holstein mit einem Handwerksmeister gesprochen und ihn gefragt: Wie sieht es bei Ihnen ganz konkret mit den Sozialversicherungsmeldungen aus? – Seine Antwort war ernüchternd. Für seinen Betrieb mit sechs Beschäftigten, die in fünf unterschiedlichen Krankenkassen versichert sind, benötigt er monatlich zwei Tage für die zum Teil recht umständlichen Meldeverfahren. Er wäre sehr froh, wenn es an dieser Stelle Vereinfachungen und damit Zeitersparnis geben würde. Das ist Zeit, die er dringend für seinen Betrieb benötigt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf kommen wir diesem Wunsch nach. Wir packen das Bürokratiemonster bei den Hörnern und weisen es ein Stück weit in seine Schranken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Schauen wir auf die Arbeitgeber. Sie tragen die Hauptlast der Meldungen. Für sie vermindert sich der Aufwand am meisten, und zwar um jährlich rund 130 Millionen Euro. Die öffentliche Verwaltung spart durch dieses Gesetzesvorhaben wertvolle Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umfang von jährlich etwa 17 Millionen Euro. Die Bürgerinnen und Bürger sparen vor allem Nerven, aber auch Zeit und Portokosten dadurch, dass bestimmte Bescheinigungen zukünftig nicht mehr in Papierform, sondern elektronisch übermittelt werden können.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, der von allen Akteuren weitestgehend Unterstützung findet, machen wir einen Schritt in die richtige Richtung. Wir werden aber weiter am Ball und im engen Austausch mit den Betroffenen bleiben, damit wir gemeinsam weitere gute Lösungen finden nach dem Motto: So wenig Verwaltung wie möglich und nur so viel wie nötig. – Vielleicht wird dann auch einmal für mich und für alle genervten Eltern der Meldebogen mit den Daten der Kinder für die Krankenkassen wegfallen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt für die Fraktion Die Linke Matthias W. Birkwald.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4437530 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des SGB IV |