15.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 79 / Tagesordnungspunkt 13

Halina WawzyniakDIE LINKE - Abwesenheit Angeklagter in der Berufungsverhandlung

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf soll das Recht des oder der Angeklagten auf Vertretung in Berufungsverhandlungen gestärkt werden und – es ist schon gesagt worden – der Rahmenbeschluss über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe umgesetzt werden. Für die Nichtjuristinnen und Nichtjuristen unter uns: Die Berufung ist eine zweite Tatsacheninstanz. Das heißt, es werden nicht nur Rechtsfragen geklärt, sondern auch Tatsachenfragen. Berufung können Angeklagte und Staatsanwaltschaft einlegen; das zu wissen, ist bei diesem Thema vielleicht nicht ganz unwichtig.

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses will ich an dieser Stelle gar nicht viel sagen; das ist okay, das können Sie so machen.

Ich will vielmehr auf die Änderung der Strafprozessordnung eingehen. Nun ist es ja so, dass Sie im Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben, dass Sie sich der Strafprozessordnung und dem Jugendgerichtsgesetz insgesamt zuwenden wollen. Es gibt auch eine Expertenkommission beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, die umfassende Vorschläge zur Reform der Strafprozessordnung erarbeitet. Das ist insgesamt begrüßenswert.

Da wir hier keine Umsetzungsfrist haben, hätte ich persönlich es besser gefunden, wenn wir die Änderung des § 329 StPO, über den wir jetzt reden, in die umfassende Reform mit eingebunden hätten. Um es gleich zu sagen: Ich finde das, was Sie vorschlagen, nicht komplett falsch, aber ich glaube, dass das Teufelchen – es ist nur ein Teufelchen, kein Teufel – im Detail steckt.

Sie haben gesagt – das ist völlig richtig –, dass mit der Änderung des § 329 StPO ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umgesetzt wird. Nach diesem Urteil kann sich der Angeklagte in der Berufungsverhandlung durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. § 329 Absatz 1 Satz 1 – auch darauf haben Sie hingewiesen – hat das bisher nicht in allen Fällen vorgesehen. Der Europäische Gerichtshof hat gesagt: Das ist ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Insofern ist die von Ihnen in dem Satz 1 vorgenommene Klarstellung, nach der die Verwerfung der Berufung ohne Verhandlung bei Nichterscheinen des Angeklagten oder eines Vertreters grundsätzlich nicht möglich ist, ausdrücklich zu begrüßen.

Ich sehe ein kleineres Problem – deswegen sprach ich vom Teufelchen und nicht vom Teufel – in der Neuregelung des § 329 Absatz 1 Satz 2 StPO. Sie sieht vor, dass unter bestimmten Bedingungen die Berufung ohne Verhandlung zur Sache dennoch verworfen werden kann. Ihre Begründung, es solle verhindert werden, dass ein Verfahren verzögert und eine weitere Verhandlung vereitelt wird, kann ich nachvollziehen. Deswegen schlagen Sie jetzt vor, dass die Berufung ohne Verhandlung zur Sache verworfen werden kann, wenn aufgrund bestimmter Handlungen die Fortführung der Hauptverhandlung dadurch verhindert wird, dass weder der Rechtsanwalt noch der Angeklagte anwesend ist.

Ich finde es auch richtig, dass Sie in der Begründung darauf hinweisen, dass eine zwangsweise Vorführung des Angeklagten nicht möglich ist. Deswegen ändern Sie konsequenterweise auch § 330 StPO; das ist so weit alles in Ordnung. Ich würde trotzdem einen kleinen, konstruktiven Änderungsvorschlag machen. Ich würde Sie darum bitten, darüber nachzudenken, ob wir bei den in § 329 Absatz 1 Satz 2 StPO genannten Gründen eine Zweitansetzung vorsehen können, bevor die Berufung ohne Verhandlung verworfen wird. Ich weiß: Auch das würde möglicherweise zu Verzögerungen oder zu einer Verlängerung führen. Aber wenn wir gesetzlich festschreiben, dass in diesem Fall eine Zweitansetzung stattfinden soll, und wenn zu dieser Zweitansetzung niemand erscheint, dann ist es aus meiner Sicht nachvollziehbar, dass man davon ausgehen kann, dass der Angeklagte oder der Rechtsanwalt, der ihn vertritt, kein Interesse mehr hat. So würden wir den Prinzipien eines fairen Verfahrens, des rechtlichen Gehörs und der richterlichen Aufklärung näherkommen. Ich bitte Sie, über diesen Vorschlag konstruktiv nachzudenken.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Patrick Sensburg, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Wiese [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4437720
Wahlperiode 18
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt Abwesenheit Angeklagter in der Berufungsverhandlung
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