16.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 80 / Tagesordnungspunkt 18

Ernst Dieter RossmannSPD - Nationaler Bildungsbericht 2014

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vom Bildungsgipfel 2008 bis zu den Bildungsberichten geht es immer um strategische Bildungspolitik. Anliegen einer strategischen Bildungspolitik muss dabei sein, zum einen möglichst viele Kräfte zu bündeln, zum anderen möglichst zu einer gemeinsamen Analyse zu kommen und daraus auch Handlungen abzuleiten. Ich finde, dazu gehört auch eine Differenzierung. Wenn wir das aufnehmen, was in den Beiträgen, von dem unserer Ministerin bis zu dem meines Vorredners, geäußert wurde, dann sind wir doch schon weitergekommen: in Licht und Schatten, in Prioritäten und Posterioritäten. Aber dieser Bildungsbericht und die Diskussion dazu zeigen doch auch, dass es so etwas wie einen „Spirit“ geben kann, gemeinsam mit Kommunen, Ländern, Bund, Sozialpartnern und Wissenschaft an wichtigen Schlüsselstellen anzusetzen. Aber ich bitte dann auch alle Seiten darum, dabei mitzugehen.

Natürlich kann man einem Antrag der Koalitionsfraktionen vorwerfen, dass darin nicht ausgiebig etwas zu Hochschulen gesagt wird. Aber das war auch nicht die Absicht. Wir haben uns, weil es – der Kollege Heil und die Ministerin haben es gesagt – um Bildungschancen für alle geht, vorgenommen, diese Forderung auch einmal auf die rund 500 000 Kinder, die eine Schule besuchen, auf eine noch größere Zahl von Kindern, die hoffentlich eine Kindertagesstätte besuchen, und auf diejenigen, die mit einer Behinderung eine Berufsbildungseinrichtung oder Hochschule besuchen, zu beziehen. Herr Mutlu, dann lässt man anderes eben weg. Wir finden, dass das eine Ausfüllung einer strategischen, politischen Schwerpunktsetzung ist.

Herr Jung, noch einmal vielen Dank dafür, dass wir dort auch viele differenzierte Vorschläge machen konnten. Aber es soll ja nicht nur bei den Vorschlägen bleiben, sondern entscheidend ist auch die Tat.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

In diesem Zusammenhang will ich nur darauf aufmerksam machen: Wenn Sie sich jetzt die Vereinbarungen der Allianz für Aus- und Weiterbildung anschauen, die diese Bundesregierung mit initiiert hat, dann finden Sie dort über das hinaus, was im berufsbildenden Bereich schon gemacht worden ist, sehr präzise Verabredungen, speziell für junge Menschen mit Behinderung in der beruflichen Ausbildung mehr zu tun, angefangen bei 400 000 Praktikumsplätzen, bei denen sich die Wirtschaft verpflichtet hat, diese bewusst auf Menschen mit einer Behinderung auszurichten, bis hin zur assistierten Ausbildung. Die assistierte Ausbildung soll ja auch ein Pfund sein, mit dem man wuchern kann. Es wurde sogar verabredet, zusätzliche Ausbildungsplätze für diesen Bereich zur Verfügung zu stellen. Das macht doch das Strategische aus: etwas zu erkennen, gemeinsam zu verabreden und dann auch umzusetzen. Das macht uns dann auch in Teilen zufrieden hiermit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will gerne in der Logik des Bildungsberichtes bleiben und noch sagen: Das gibt uns ja auch die Chance, tiefer zu graben. Was die frühkindliche Bildung angeht, müssen wir uns – Kollege Heil hat es angesprochen; die Ministerin hat es auch angesprochen –, wenn wir den Bildungsbericht lesen, auch selbstkritische Fragen stellen. Im Bildungsbericht steht in einem Kapitel, dass ausgerechnet bei Kindern aus Migrationsfamilien, von denen wir alle uns wünschen, dass sie besonders gut Sprache lernen, ein zu großer Anteil eben nicht in eine Kindertagesstätte geht. Ich will nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass es ja auch verwirren muss, wenn es ein Betreuungsgeld dafür gibt, dass ein Kind keine Kindertagesstätte besucht, und wir gleichzeitig erwarten, dass dort Sprache gelernt werden soll. Wir müssen aus dem Bildungsbericht diagnostizieren: Da fehlen zwei Jahre im Spracherwerb, die über gute Kindertagesstätten für Migrantenkinder ermöglicht werden könnten. Vielleicht können wir auch an so etwas arbeiten.

Ein zweiter Punkt. Der Bildungsbericht stellt die Schlüsselstellung der Ganztagsschule heraus, sagt aber auch, dass die Entwicklung auf diesem Gebiet stagniert. Muss uns nicht die im Bildungsbericht festgestellte Stagnation beim Ausbau guter Ganztagsschulen veranlassen, noch einmal zwischen Kommunen, Bund und Ländern darüber nachzudenken, wie man gemeinsam eine Fortsetzung der Ganztagsschulentwicklung mit Qualität und auch mehr Quantität erreichen kann? Die Eltern wünschen sich das. Das ist aber auch strategisch wichtig in Bezug auf die Anforderungen, die der moderne Arbeitsmarkt stellt. Es soll doch möglich sein, dass Frauen wie Männer zur qualifizierten Wertschöpfung ausreichend beitragen. Dafür bleibt die Ganztagsschule eine Schlüsselstelle, und wenn es eine Schlüsselstelle ist, dann ist sie es auch für eine strategische Bildungsverantwortung aller Kräfte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Dritte, was durch den Nationalen Bildungsbericht als Schwerpunkt herausgearbeitet wird, ist der Übergang von der allgemeinen Bildung zur beruflichen Bildung. Ich will in diesem Zusammenhang ausdrücklich herausstellen, wie wichtig es ist – Kollege Rupprecht, wir haben als Parlamentsfraktionen das verstärkt, was die Regierung im Auge hatte –, Berufsorientierung nicht nur verstärkt auf Gymnasiasten auszuweiten, sondern schwerpunktmäßig auch für Menschen mit Behinderung, für Förderschüler und andere. Der Bericht und die praktischen Erfahrungen mit der Berufsorientierung bestätigen, dass wir alle im Blick haben müssen und nicht nur die Abiturienten. Wir müssen alle ernst nehmen. Kollege Schummer, ich fand Ihre Ausführungen über die Floristen sehr gut, weil das ein praktisches Beispiel war. Das, was Sie zu Nordrhein-Westfalen gesagt haben, wird gleich noch gekontert, aber jetzt erst einmal zum praktischen Bezug: Praktische Hilfen sind wichtig, und diesen Bereich müssen wir ausbauen.

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Verbindung von Berufs- und Hochschulausbildung. Wir können uns darüber freuen, dass wir laut Bildungsbericht viele Master haben. Der Bildungsbericht sagt uns aber auch, dass wir uns erst recht freuen können, wenn wir viele Meister haben. Diese Gleichwertigkeit ist wichtig. Priorität darf nicht die akademische Bildung haben, sondern die Priorität muss auf einem erfolgreichen Abschluss im beruflichen oder akademischen Bereich liegen. Das ist eine Botschaft des Bildungsberichts, die zu Handlungen führen kann, die zu Handlungen führen muss.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung: Strategisch sind wir gut aufgestellt: mit volatilen Bildungsgipfeln, mit einem kontinuierlich erscheinenden Bildungsbericht, mit einer KMK, die sich zunehmend konsensorientiert und strategisch ausrichtet. Wir werben nach wie vor dafür, die Weisheit, die in einem CDU-Parteitagsbeschluss zum Ausdruck kommt – Beschluss C 13 und C 53, Parteitag 2014 in Köln – aufzugreifen und einen nationalen Bildungsrat, den uns die vormalige Bildungsministerin, Frau Schavan, anempfohlen hatte, nicht von vornherein auszuschließen, sondern offen darüber nachzudenken, ob ein solcher nationaler Bildungsrat die Bildungsrepublik Deutschland durch einen Konsens und die strategische Bündelung aller Kräfte weiter befördern könnte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort erhält nun der Kollege Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4439615
Wahlperiode 18
Sitzung 80
Tagesordnungspunkt Nationaler Bildungsbericht 2014
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine