Sven VolmeringCDU/CSU - Nationaler Bildungsbericht 2014
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner dieser Debatte möchte ich noch einmal die Gelegenheit nutzen, allen Menschen, die im Bildungssektor arbeiten, zu danken. Sie leisten in unseren Kitas, Schulen, Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen wirklich Großartiges.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Im Nationalen Bildungsbericht 2014 wird festgestellt, dass es positive Entwicklungen in allen Bildungsbereichen gibt und dass die Bildungsbeteiligung sowie der Bildungsstand der Bevölkerung in Deutschland verbessert wurden. Das ist ein Erfolg,
(Beifall bei der CDU/CSU)
und ich freue mich, dass die Grünen und Linken in ihren Anträgen versteckt ebenfalls von Verbesserungen sprechen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind halt objektiv!)
Inhaltlich erinnern Sie hingegen an Scheinriesen, die meinen, in wenigen Schritten, bestehend aus Rechtsansprüchen und neuen Gesetzen, das Ziel einer perfekten Bildungsrepublik sofort erreichen zu können. Das funktioniert so nicht. Mit dem Antrag unserer Koalition, der viele konkrete Punkte enthält, werden wir erfolgreicher für das Bildungssystem sein, weil er realistischer ist, als es Ihre allgemeinen Forderungen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Ceterum censeo eines neuen Artikels 91 b Absatz 2 des Grundgesetzes, von dem wir in dieser Debatte auch immer wieder gehört haben, ändert nichts, aber auch gar nichts an dem Befund, dass der Bund in enger Kooperation mit Ländern und Kommunen sehr viel in der Bildungspolitik leistet, von dem die Schulen direkt und indirekt profitieren.
Frau Dörner, Sie haben bemängelt, es gebe in der frühkindlichen Bildung nichts, was stützend wirkt. Für meine einjährige Tochter habe ich letztens bei der Kinderärztin zum Beispiel das Starterset des Programms „Lesestart – Drei Meilensteine für das Lesen“ bekommen. Die Stiftung Lesen hat hier mit Mitteln des BMBF etwas wirklich Ausgezeichnetes geschaffen. Mit insgesamt drei Sets, die bis zur Einschulung wirken, wird eine gute Leistung angeboten und letztendlich Lust aufs Lesen gemacht. Das kommt in Deutschland jedem Kind – aus allen Bevölkerungsschichten und mit jedem Hintergrund – zugute.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als weitere Maßnahmen nenne ich die vielen Wettbewerbe, die der Bund fördert. „ Jugend forscht“ wird in diesem Jahr beispielsweise 50 Jahre alt, und die Qualitätsoffensive Lehrerbildung wurde in dieser Debatte auch schon zigmal angesprochen.
Das Engagement des Bundes in der Bildungsforschung ist hier letztendlich heruntergeredet worden. Das ist ein falsches Signal. Wir fördern insgesamt 300 Forschungsprojekte mit 165 Millionen Euro. Diese liefern uns sehr deutlich Erkenntnisse darüber, wo wir auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen endlich von der reinen Zahlen- und Quotenfixierung wegkommen
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja!)
und auch von der Qualität sowie der inhaltlichen Ausgestaltung der Angebote in der Bildungspolitik sprechen.
Die Bildungsforscherin Fabienne Becker-Stoll hat in der FAS vom 2. August 2014 darüber gesprochen, dass Kinder aller Schichten und Bevölkerungsgruppen besser zu Hause bei ihren Eltern bleiben sollten, bevor sie eine schlechte Einrichtung besuchen. Das verdeutlicht den Spagat, den wir in der Politik zwischen Qualität, Quantität und politischen Zielen vollziehen müssen. An dieser Stelle bin ich froh – das sage ich auch deutlich –, dass wir das Betreuungsgeld haben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Oh wei, oh wei!)
– Nein, nicht „oh wei, oh wei“; das ist doch richtig!
Die Fragen nach der Qualität stellen sich auch bei anderen Themen, zum Beispiel beim Thema Inklusion und beim Thema Ganztag. Die gesellschaftliche Antwort, die manchmal gegeben wird – weniger Leistung, keine Hausaufgaben, keine Noten –, ist hier sicherlich auch kein Lösungsweg.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wer sagt denn das?)
Die Schülerinnen und Schüler müssen abseits der Schule Zeit für sich haben, sie müssen Zeit haben, Gelerntes zu wiederholen, neue Hürden zu meistern und Leistungen zu zeigen. Herr Heil, darin sind wir uns ja auch durchaus einig, wie wir gerade gehört haben.
Aber natürlich gilt es, Verbesserungsvorschläge zu diskutieren. Das betrifft beispielsweise unterrichtliche Belastung am Mittag. Das betrifft die Inhalte, wie wir in den letzten Tagen auf Twitter gelernt haben. Aber das betrifft auch die Erfahrungen von Vereinen, dass Kinder und Jugendliche weniger Zeit für außerschulisches Engagement haben.
Wenn Lehrerverbände und Studien davor warnen, dass der psychische Druck für manche Schüler immer größer wird, weil Abitur und Studium als alleinseligmachende Königswege der Bildung angesehen werden, dann muss reagiert werden. Angesichts des demografischen Wandels und der steigenden Zahl der Studierenden brauchen wir uns nicht zu wundern, dass bei 49 Fachkräftegattungen, bei denen eine duale Ausbildung möglich wäre, dramatische Engpässe in Millionenhöhe bestehen.
Wir müssen das Bildungssystem stärker mit der Lebensrealität verbinden. Eine Tatsache ist, dass es Informationsdefizite bei der Berufsorientierung gibt,
(Beifall bei der CDU/CSU)
bei allen Schulformen und in allen gesellschaftlichen Schichten, wie durch eine Allensbach-Studie herausgefunden wurde. Daher ist es gut, dass in dem Antrag der Großen Koalition allein zu dieser Thematik acht Punkte benannt werden. Von den Grünen gab es im gesamten Antrag insgesamt nur neun Forderungen. Von daher können Sie sich Ihre Kritik in diesem Bereich eindeutig sparen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD] – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Besser gute Forderungen als viele!)
Die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Unternehmen und Behörden muss intensiviert werden. Die Aussage, dass nur ein Viertel der Schüler die Angebote der Bundesagentur für Arbeit im Bereich der Berufsorientierung nutzt und für hilfreich hält, ist erschreckend. Genauso erschreckend ist es, wenn man von Schülern immer wieder hört, dass es bei der Berufsberatung den Tipp gebe, Model zu werden, weil man so gut aussehe. Diese Punkte beweisen, dass da noch nicht der Weisheit letzter Schluss erreicht ist.
Von daher ist es kein Wunder, dass sich die Jugendlichen vor allem mit ihren Eltern über Berufsfragen unterhalten, was mal positiv, mal negativ sein kann. Es ist deshalb gemeinsames Ziel der Großen Koalition – das wird auch in dem Antrag festgehalten –: Wir wollen jungen Menschen und ihren Eltern realistische Zukunftsperspektiven aufzeigen, um die Abbrecherquoten zu senken und jedem Jugendlichen, wie es die Allianz für Aus- und Weiterbildung vorsieht, eine Ausbildungsgarantie zu geben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Diese Intensivierung der Berufsorientierung, die unser Ziel ist, bedeutet natürlich eine Herausforderung für die Schulen. Deshalb brauchen sie Entlastungen. Über dieses Thema sollte in der KMK einmal geredet werden; denn die Kollegen an den Schulen ächzen natürlich schon unter einem enormen Bürokratieaufwand in Deutschland: Dokumentationspflichten, das Schreiben von Papieren für die Schublade und auch die Erhebung manch unwichtiger Statistiken rauben Zeit für die Schülerinnen und Schüler. Deshalb muss Bürokratie im deutschen Bildungssystem reduziert werden. Nicht alles muss bis ins letzte Detail geregelt und standardisiert werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD])
Da muss Schulen einmal die Freiheit gewährt werden, stärker auf aktuelle Entwicklungen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft einzugehen, ohne durch zentrale Vorhaben und Vorgaben gelähmt zu werden.
(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Warum wollen Sie dann das Zentralabitur?)
Warum sollten Schulen, die beispielsweise Vorreiter bei der Inklusion sind, nicht die Möglichkeit haben, in Eigenverantwortung von Klassenfrequenzrichtlinien abzuweichen? Es ist gerade das Hohe Lied auf Nordrhein- Westfalen gesungen worden. Aber in Dinslaken ist genau diese Abweichung von der Landesregierung verboten worden, als eine Vorreiterschule im Bereich der Inklusion diese dringende Bitte geäußert hatte. Auch in NRW ist also nicht alles Gold, was glänzt. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen bereit sein, neue Strategien zuzulassen. Das Handwerk hat die Idee des dualen Abiturs vorgestellt, um Abiturienten in entsprechende Berufe zu locken. Auch mit diesem interessanten Ansatz sollten wir uns beschäftigen. Ebenso werden uns die Themen digitale Bildung und Inklusion in diesem Jahr verfolgen.
Nichtsdestoweniger will ich zum Abschluss zitieren. In der Bibel steht: „Gelassenheit bewahrt vor großen Fehlern.“ – Ein großer Fehler wäre es, Herr Präsident, die Redezeit zu überziehen. Allerdings wäre es ein anderer Fehler, es so zu machen, wie es der DGB in der letzten Woche getan hat, nämlich teilweise überdramatisch alles schlechtzureden.
Deutschland ist in der Bildung auf einem guten Weg. Die Koalition hat einen starken Antrag vorgelegt, den der Bundestag in aller Gelassenheit annehmen kann.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4441521 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Nationaler Bildungsbericht 2014 |