Dirk WieseSPD - Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen mit USA, Kanada
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viel zu lange wurden Freihandelsabkommen einfach nur verhandelt und beschlossen, ohne dass die Öffentlichkeit daran teilnahm. Dass sich dies jetzt endlich ändert und wir hier im Parlament darüber diskutieren, wie wir Freihandel gestalten und unter den Primat der Rechtsstaatlichkeit stellen wollen, ist gut und richtig.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Warum ist Freihandel eigentlich gut und richtig für unser Land und für unsere Bürgerinnen und Bürger? Erstens. Wir wollen Arbeitsplätze sichern und neue Arbeit ermöglichen. Zweitens. Wir wollen Exportweltmeister bleiben und Wohlstand sichern. Drittens. Wir wollen die Menschen mitnehmen und unsere Entscheidungen transparent machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bedauerlicherweise interessieren Sie von den Linken sich nicht für die Ziele und die Zukunft der Menschen, sondern für Gutachter.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ach, so ein Geschwätzt! Warum muss man sich so etwas anhören?)
Das wäre auch gar nicht schlimm, wenn es nicht so durchschaubar wäre. Warum? Weil Experten nicht im luftleeren Raum leben, sondern mitten in der Gesellschaft. Jemanden zu fragen, der sich auskennt, ist, ehrlich gesagt, besser, als substanzlose Anträge zu stellen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wirtschaftsministerium hat einen anerkannten Experten beauftragt – mehr nicht. Oder in aller Klarheit: Wenn Sie ein Haus bauen und die Statik stimmen soll, dann fragen Sie einen Architekten und nicht Ihren Nachbarn von nebenan.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber am Gutachten war er nicht beteiligt!)
– Es ist immer schlimm, wenn man den Spiegel vorgehalten bekommt.
Ich komme jetzt zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Sie gehen auf einige wichtige Punkte fundiert ein, und ich bin für Ihre klare Positionierung in der Debatte dankbar; denn bisher wusste ich nicht so recht, wo Sie bei TTIP und CETA eigentlich stehen und was Sie wollen bzw. noch geändert haben wollen bzw. noch hineinverhandelt bzw. erst gar nicht hineinverhandelt haben möchten. Aus Ihren heutigen Forderungen ist endlich zu entnehmen, dass Sie für die Ratifizierung von CETA und TTIP sind, wenn die EU-Kommission die ISDS-Klauseln bei CETA noch herausnimmt und sie bei TTIP erst gar nicht hineinnimmt. Das war heute eine klare Positionierung.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dieser Schluss ist nicht zulässig! Das steht da nicht! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Mathematisch ist das falsch!)
Die Menschen müssen wissen, was wir verhandeln und was unsere Ziele sind. Nur dann können wir sie mitnehmen und für die Potenziale des gerechten Freihandels gewinnen.
Mehr Transparenz zu schaffen, muss unser Anspruch in Deutschland und vor Ort in den Regionen sein. Es ist von höchster Wichtigkeit, dass wir als Deutscher Bundestag, als Fraktion, mit den Regierungen der anderen Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und der Zivilgesellschaft eine offene und ehrliche Diskussion darüber führen, was möglich ist.
Wir als Sozialdemokraten gehen mit gutem Beispiel voran. Am 23. Februar 2015 wird es eine öffentliche Veranstaltung zu den transatlantischen Freihandelsabkommen im Willy-Brandt-Haus geben, bei der unter anderem Sigmar Gabriel, Cecilia Malmström, Martin Schulz und Bernd Lange auch zu dem Investitionsschutz und den ISDS-Bestimmungen sprechen werden.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja toll!)
Unser Fahrplan ist dabei klar: Wir setzen uns dafür ein, dass ein Freihandelsabkommen ausgehandelt wird, das gut für die Arbeitsplätze vor Ort in Deutschland und in Europa ist, primär einen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger darstellt und mit dem versucht wird, weiter unsere hohen Standards in vielen Bereichen zu einem Exportschlager zu machen. Dafür müssen wir uns einsetzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Freihandel heißt aber auch ein Geben und Nehmen – gerade auch in den Gesprächen dazu –; denn in einigen Bereichen – da müssen wir als Parlament auch ehrlich sein – sind die US-Standards durchaus höher. Ich erinnere zum Beispiel an den Finanzmarktbereich.
Um zu einem Abkommen für die Menschen zu kommen, dürfen wir nicht immer nur sagen, was wir nicht wollen, sondern wir müssen auch einmal offensiv sagen, was wir wollen. Das ist unter anderem die Aufhebung der Buy-American-Clause, damit unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit bekommen, sich auf dem US-Beschaffungsmarkt dem Wettbewerb zu stellen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wenn ein ausgehandeltes Freihandelsabkommen dann am Ende gute Arbeit schafft und gute Arbeitsplätze erhält und sichert, ist das ein Mehrwert, auf den wir alle stolz sein können und mit dem wir unsere weltweite Position als Exportweltmeister sichern können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Abschluss vier Punkte ansprechen, die auch über TTIP und CETA hinausgehen:
Erstens. Das öffentliche Konsultationsverfahren der EU-Kommission hat mir wieder einmal verdeutlicht, dass das Recht des internationalen Investitionsschutzes und die darauf beruhende Schiedsgerichtsbarkeit einer umfassenden Reform bedürfen: hin zu mehr Transparenz, einer zweiten Instanz, einer unabhängigen Institutionalisierung und besseren Klagemöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen, um nur einige Punkte auf dem Weg hin zur Stärkung des internationalen Rechts anzusprechen.
Zweitens. Bei vergleichbaren Rechtssystemen sind entsprechende Regelungen nicht notwendig. Nach Durchlaufen sämtlicher nationaler Instanzen dürfte in der Regel davon ausgegangen werden, dass eine neutrale Entscheidung über die jeweilige streitige Angelegenheit gefällt wird.
Drittens. Wir müssen aufpassen, was sich im Asien- Pazifik-Raum tut; denn ich möchte mitgestalten, bestehende Defizite ausräumen und reformieren, und ich möchte nicht irgendwann gestaltet werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Da die USA derzeit die TTP-Verhandlungen mit dem pazifischen Raum beschleunigen, ist anzunehmen, dass die USA und ihre Verhandlungspartner in diesem Abkommen ihre Regeln und Standards für den Handel festschreiben wollen. Bedrohlich kann das für uns in der Europäischen Union dann werden, wenn China so mächtig wird und so viel Einfluss gewinnt, dass es die globale Handelsstruktur dominant prägen kann. Daher ist es von höchster Wichtigkeit, dass demokratische Länder rechtsstaatliche Prinzipien für einen freizügigen Handel verankern, bevor uns andere Länder ihre Standards auferlegen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Viertens. Ich lade alle Bürgerinnen und Bürger ein, mit uns allen über die Vor- und Nachteile von Freihandelsabkommen zu diskutieren, aber nicht Ängste schüren, sondern konstruktiv und offen darüber reden, worum es eigentlich geht. Machen wir uns an die Arbeit! Lassen Sie uns gestalten und etwas bewegen und nicht nur dagegen sein! Oder um es am Ende mit den Worten von Willy Brandt zu sagen: „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.“
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächste spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Katja Keul.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4441686 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen mit USA, Kanada |