Heribert HirteCDU/CSU - Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen mit USA, Kanada
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dröge, Sie hätten heute Morgen besser mit dem Kölsch angefangen. Dann wäre es lustiger losgegangen. So kam die Stimmung erst etwas später auf.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben wohl zu viel Kölsch gehabt!)
Dann hätten Sie auch zu Recht sagen können, dass Kölsch markenrechtlich geschützt ist und deshalb von den jetzt diskutierten Abkommen überhaupt nicht berührt ist.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Kölsch ist durch die Herkunftsangabe geschützt!)
Als Erfolg des Abkommens werden am Ende 200 Millionen Amerikaner nach Köln kommen wollen, um Kölsch in Köln zu trinken.
Die 150 000 Kritiker, die Sie eben im Zusammenhang mit der Bürgerbefragung angegeben haben, können dann nach Amerika reisen und herausfinden, ob es dort nicht vielleicht schlechteres Bier gibt, und sich ihr eigenes Urteil bilden.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen das Ganze lächerlich! Das ist aber keine Frage zum Lächerlichmachen!)
– Frau Höhn, Sie müssen lauter sprechen oder nach vorne kommen; dann können wir im Duett singen. Aber das wird der Herr Präsident nicht erlauben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das mache ich gleich!)
Sie haben gesagt, fast 150 000 Bürgerinnen und Bürger hätten sich bei der Befragung negativ geäußert. Was folgt daraus? Stellen Sie sich vor, die europäischen und deutschen Unternehmer hätten das gemacht, was sie vielleicht hätten machen sollen, nämlich eine Reihe von Werbeagenturen einzuschalten, ähnlich, wie Sie es gemacht haben, viele Mails nach Brüssel zu schicken und Lkw-weise zustimmende Postkarten zu TTIP und CETA abzuliefern und zu sagen: Das nutzt unserer Wirtschaft, unserem Wohlstand und unseren Arbeitsplätzen. – Dann würden Sie jetzt schreien: „Betrug! Verrat! Die Zahlen spielen keine Rolle.“
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)
Lassen Sie deshalb die Diskussion über die Zahlen. Sie spielen wirklich keine Rolle. Lassen Sie uns lieber – das ist richtig – über die Sachfrage reden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: CDU und Bürgerbeteiligung! Das war schon immer miserabel!)
Worum geht es bei diesen Investitionsschutzabkommen? Es geht darum, dass Freihandelsabkommen gerichtlich überwacht werden sollen. Diese Freihandelsabkommen sind zwischenstaatliche und völkerrechtliche Vereinbarungen. Dabei ist es ein bisschen schwierig, das Abkommen für den einen Vertragspartner auch mit Wirkung für den anderen auszulegen. Denn dann würde ein Staat über den anderen zu Gericht sitzen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Staat und Privatunternehmen!)
Frau Künast, die sich mehrfach dazu geäußert hat, ist gerade nicht anwesend. Ich war mit ihr zusammen beim Europäischen Gerichtshof. Wir haben über die Auslegung der Maßnahmen der Europäischen Zentralbank nachgedacht. Der Europäische Gerichtshof ist dabei, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Wenn Ihre Argumentation richtig wäre, dann könnten wir es den griechischen Gerichten überlassen, diese Maßnahmen auszulegen. Das wäre die Konsequenz.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)
Das können Sie dann den deutschen Bürgern verkaufen. Die Alternative wäre, den Griechen zu sagen: Abschließend entscheidet das Bundesverfassungsgericht, bekanntlich das beste europäische Gericht. – Verkaufen Sie als Linke das einmal den Griechen! So wäre es, wenn wir keine überstaatliche Streitschlichtungsinstitution hätten. Das führt doch nicht weiter. Was wir brauchen, ist eine überstaatliche Institution, die die entsprechenden Fragen klärt. Man kann darüber nachdenken, ob dies Schiedsgerichte tun sollen oder ob eine solche Gerichtsbarkeit bei der WTO angesiedelt werden soll. Aber wir brauchen eine zwischenstaatliche Institution, die eine entsprechende Auslegung betreibt.
Kollege Hirte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ulrich?
Gerne.
Vielen Dank, dass Sie meine Frage zulassen, Herr Dr. Hirte. – Manchmal ist es wichtig, dass wir darlegen, worüber wir eigentlich reden. Ich möchte Ihnen zwei, drei Beispiele nennen. Dann beantworten Sie uns, ob die CDU/CSU-Fraktion tatsächlich will, dass so etwas in Zukunft überall möglich ist.
Wie Sie vielleicht wissen, gab es in der kanadischen Provinz Quebec ein Moratorium gegen Fracking. Das Unternehmen Lone Pine hat dagegen geklagt und fordert 250 Millionen Dollar Schadensersatz. In Luxemburg wurde erfolgreich gegen ein südafrikanisches Programm geklagt, das farbige Unternehmen begünstigt, um die Ungerechtigkeiten des Apartheidregimes zu mildern. Rumänien wurde 2006 zur Zahlung von rund 200 Millionen Euro Schadensersatz an einen schwedischen Investor verurteilt, weil es EU-Recht im Steuerbereich umgesetzt hat. Der Investor musste dann mehr Steuern zahlen als erwartet. Es gibt unzählige solcher Beispiele. Ein letztes Beispiel. Ein französisches Unternehmen hat den ägyptischen Staat verklagt, weil dort Mindestlöhne eingeführt wurden und diese offensichtlich die Investitionen beeinträchtigt haben.
Wollen Sie, dass das zukünftig der globalisierte Maßstab für die Verträge zwischen der EU, Kanada und Amerika wird? Wenn das die Vorstellung von CDU/CSU und SPD von Globalisierung ist, dann gute Nacht unseren Standards.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Hallo!)
Lieber Herr Ulrich, ich halte es für richtig, dass Investoren, die auf der Grundlage eines Abkommens in einem anderen Land investiert haben – wir reden hier in erster Linie über deutsche Unternehmer, die in Kanada oder den USA investieren wollen –, eine Möglichkeit haben, gegen Diskriminierungen – auch in den USA und Kanada – vorzugehen.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Es sind keine Diskriminierungen! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch jetzt schon möglich!)
Dass das Ergebnis eines Gerichtsverfahrens nicht immer allen gefällt, liegt in der Natur der Sache.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das waren politische Entscheidungen! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie damit sagen, dass amerikanische Gerichte nicht unabhängig sind? – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr Rechtsstaatsverständnis ist unglaublich!)
Damit kommen wir zu Ihrem entscheidenden Gegenargument, zwischen funktionierenden Rechtsstaaten seien solche Abkommen nicht erforderlich. Natürlich handelt es sich immer um funktionierende Rechtsstaaten. Wenn Sie aber einen Norditaliener fragen, ob er mit Begeisterung einen Prozess in Süditalien führt, dann werden Sie feststellen, dass er das nicht gerne tut. Wenn Sie die Fälle analysieren, in denen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland wegen überlanger Verfahren verurteilt hat, dann stellen Sie fest, dass Ihnen ausländische Investoren entgegenhalten, dass gerade Wirtschaftsprozesse bei uns viel zu lange dauern. Erklären Sie doch einmal einem deutschen Investor, warum er mit großer Begeisterung vor einzelstaatlichen Gerichten oder Bundesgerichten in den USA die Pre-Trial Discovery über sich ergehen lassen soll! Wenn so Ihre ideale Wirtschaftsförderung aussieht, dann kann ich dazu nur sagen: Danke, Deutschland!
(Beifall bei der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott! Sie reden sich um Kopf und Kragen!)
Ihre pauschale Ablehnung von Investitionsschutzabkommen hilft uns doch nicht weiter. Mir sagen viele europäische Länder, insbesondere kleine Staaten wie Lettland und Estland: Wir brauchen solche Abkommen, damit auch bei uns investiert werden kann. Wir machen das gerne. – Wenn wir solche Abkommen ablehnten, wäre die Konsequenz, dass die 27 anderen EU-Staaten darüber nachdenken, wie sie ohne uns vorangehen können. Das wollen wir nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die investieren doch heute schon!)
Platte Ablehnung hilft uns nicht.
Lassen Sie uns doch über die Frage nachdenken, wie wir für Verbesserungen sorgen können. Das haben wir getan. Wie wir hier in diesem Hause zu Verbesserungen kommen können, dazu mache ich Ihnen drei Vorschläge, die wir schon vorbesprochen haben. Wir sollten darüber nachdenken, ob die Auswahl der Richter und die Besetzung der Richterbänke bei den entsprechenden Schiedsgerichtsinstitutionen mit Zustimmung dieses Hauses geschehen sollten.
Darüber können wir nachdenken, darüber sollten wir nachdenken. Dann ist Ihr Einwand vom Tisch, dass dort möglicherweise keine unabhängigen Personen sitzen. Dann können wir hier darüber diskutieren, wer dafür geeignet ist und ob der oder die unabhängig ist. Wir sollten über diese Frage nachdenken, und wir werden darüber nachdenken. Wir werden dann genau denselben Schritt tun, den wir vor einigen Jahren bei der Auswahl der Richter am Europäischen Gerichtshof gemacht haben. Die wurden nämlich anfangs auch alleine vom Bundeswirtschaftsministerium ernannt, ohne Zustimmung des Parlaments. Das war mein erster Punkt.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Sie können gleich alle weiterreden. Sie kommen sicher in den nächsten Jahren noch zu Wort.
Zweiter Punkt. Sie mahnen an, dass die nationalen Verfahren und die Schiedsverfahren nicht ausreichend miteinander verzahnt sind. Ja, das stimmt. Die Wahlmöglichkeit wird mit den neuen Klauseln eingeschränkt. Man kann nicht mehr das eine und das andere machen, sondern man kann nur das eine oder das andere machen.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt nicht! Vattenfall macht beides!)
– Das ist doch altes Recht. Reden Sie doch nicht über die Vergangenheit, sondern über das, was wir in der Zukunft machen wollen.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Energiecharta!)
Es gibt einen Punkt, den wir hier autonom machen wollen und werden. Wir werden über die Frage nachdenken, ob nicht der Bundesgerichtshof Anfragen von Schiedsgerichten entgegennehmen kann. Das darf er bisher nicht. Das Gleiche gilt für den Europäischen Gerichtshof. Auch der darf Anfragen von Schiedsgerichten bisher nicht entgegennehmen. Wir werden entsprechende Initiativen ergreifen, um auf der Ebene der Kommission durchzusetzen, dass das in den entsprechenden Rechtsakten geändert wird.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat Ihre Fraktion diese Vorschläge besprochen?)
– Darüber reden wir jetzt. Sie haben den Antrag gestellt. Sie behaupten, wir würden nicht nachdenken. Natürlich denken wir nach, und das ist die Antwort.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie CETA ändern?)
Damit komme ich zum dritten Punkt. Liebe Frau Dröge, Sie haben immer wieder und auch eben darauf hingewiesen, dass das alles nur Großunternehmen dienen würde und Schiedsverfahren für Großunternehmen gedacht seien. Es mag sein, dass Schiedsverfahren relativ gesehen teuer sind. Deshalb denken wir darüber nach, die Kosten für diese Schiedsverfahren für kleine und mittelständische Unternehmen, die aus unserer Sicht in Kanada und in den USA investieren sollen, auf das Niveau zu senken, das sie haben würden, wenn die Unternehmen vor nationalstaatlichen Gerichten klagen würden. Das ist für uns eine Maßnahme der Außenwirtschaftsförderung. Ich halte es für legitim, dass wir über diese Frage nachdenken.
Das bedeutet: Alle Argumente, die Sie hier bringen, rechtfertigen keine Ablehnung von Schiedsverfahren, rechtfertigen keine Ablehnung des Investorenschutzes. Wir brauchen das für deutsche Unternehmen, die jenseits des Atlantiks investieren wollen. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die Bundesregierung spricht jetzt die Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4441740 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen mit USA, Kanada |