16.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 80 / Tagesordnungspunkt 19

Brigitte ZypriesSPD - Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen mit USA, Kanada

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Grünen bezieht sich in der Tat auf die Frage des Investitionsschutzes und der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit und greift damit eines der wirklich problematischen Themen bei diesen Verträgen auf. Darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU nicht!)

– Dass das ein wesentliches Thema bei diesen Verträgen ist, ist unstreitig.

Mir ist es wichtig, ganz kurz zu sagen, dass wir den Zusammenhang nicht aus den Augen verlieren sollten. Wir als eine der größten Handelsnationen der Welt brauchen einen freien Waren- und Dienstleistungsverkehr. Dafür braucht unsere Wirtschaft offene Märkte. Es hat keinen Sinn, dass wir uns bei der Standardisierung und anderen Dingen selber Brücken bauen. Deshalb müssen wir solche Verhandlungen führen. Man spricht nicht umsonst von den nichttarifären Handelshemmnissen.

Weil es so ist, dass in der globalisierten Welt die 28 Mitgliedsländer der EU alleine bei einer solchen Standardsetzung mit China, den USA und anderen gar nichts mehr ausrichten können, ist es richtig, dass die Kompetenz für diese internationalen Abkommen auf die EU übergegangen ist. 2009 ist das mit dem Lissabon- Vertrag so geregelt worden. Wir alle haben das damals für richtig gehalten, weil wir sehen müssen, dass wir Europa in der Welt positionieren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Insofern ist es wichtig, dass wir die Globalisierung gestalten – das haben Vorredner schon oft genug gesagt – und auch angemessene Spielregeln entwickeln.

Wir reden hier über zwei verschiedene Abkommen. Klar ist: Unsere Beziehung zu Kanada wollen wir ausbauen. Bei aller Kritik am Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren, das in CETA geregelt ist, muss man auch eins einmal sehen – das müssten Sie von Bünd-nis 90/Die Grünen bitte auch zur Kenntnis nehmen; ich habe es aus Ihrem Antrag nicht herauslesen können –: Kein anderes Freihandelsabkommen der EU sieht eine derart weitgehende Öffnung der Märkte vor – unter Wahrung der geltenden Schutzstandards für Verbraucher-, Umwelt- und Arbeitsschutz. Kein anderes Freihandelsabkommen hat so weitreichende Bestimmungen zur Nachhaltigkeit.

Auch beim Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren enthält CETA schon deutliche Verbesserungen. Sie können gar nicht in Abrede stellen, dass es insoweit auf alle Fälle das beste Abkommen ist. Es ist inzwischen klar: Transparenz wird eingehalten; sämtliche Unterlagen werden veröffentlicht. Alle Anhörungen sind öffentlich. Schon im jetzigen Entwurf von CETA steht das. Auf die geplanten Veränderungen komme ich gleich noch zu sprechen. Ich wiederhole: Alle Anhörungen sind öffentlich. Interessierte Gruppierungen wie NGOs oder Gewerkschaften können Anträge einreichen und Stellungnahmen abgeben. Das ist etwas, was unser deutsches Recht gar nicht kennt. Die Unabhängigkeit der Schiedsrichter wird garantiert;

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das stimmt nicht!)

die Schiedsrichter müssen unabhängig sein. Es gibt einen eigenen Verhaltenskodex. Es wird eine Schiedsrichterliste erstellt.

Herr Kollege Hirte, ich kann nur sagen: Wir in Deutschland sind zwar ziemlich großartig, aber es ist ein EU-Abkommen. Wir können nicht allein die Schiedsrichter bestimmen. Das macht natürlich die EU.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Barbara Lanzinger [CDU/CSU])

Es ist vorgesehen, dass die EU fünf Schiedsrichter benennt. Also, das muss man einmal abwarten. Es gibt das Verbot ungerechtfertigter Klagen usw. usf. Das heißt, es gibt eine Menge Verbesserungen. Auf diesen Verbesserungen wollen wir aufbauen, und wir wollen diese Verbesserungen noch weiter verbessern.

Ich komme zu TTIP und zu dem Ergebnis der Konsultationen, das Sie hier mehrfach angesprochen haben. Wir wissen, dass das Ergebnis, das die EU-Kommission vorgestellt hat, Veränderungen noch in vier weiteren Bereichen benennt: Das sind der Schutz des sogenannten right to regulate, der Gestaltungsspielraum des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, die Arbeitsweise und die Zusammensetzung der Schiedsgerichte, Stichwort „Transparenz“, das Verhältnis ISDS zu nationalem Rechtsweg und die Einführung eines Berufungsmechanismus.

Diese Punkte hat die EU-Kommission identifiziert, und über diese Punkte werden wir in den nächsten zwei bis drei Monaten Gespräche führen. Das Europäische Parlament wird sich damit auseinandersetzen, die Mitgliedstaaten werden sich damit auseinandersetzen – vorhin wurde schon erwähnt, dass dieses Abkommen nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Mitgliedstaaten kritisch diskutiert wird –, und natürlich werden sich auch die Zivilgesellschaft und andere Stakeholder, die an diesem Prozess beteiligt sind, Stichwort „Gewerkschaften“, damit beschäftigen. Sie alle werden darüber beraten, und dann wird man sehen, welche Verbesserungen wir auf europäischer Ebene durchsetzen können.

Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir Deutschen mit den Möglichkeiten, die wir haben, und mit dem, was wir uns bei diesen Gesprächen zu flankieren vorgenommen haben, erfolgreich sein werden. Wir, die deutsche Bundesregierung, werden selber aktiv werden. Wir werden Gespräche mit anderen Ländern und selbstverständlich mit der Kommission suchen. Wir werden natürlich sehen, dass wir all das, was wir für CETA schon erreicht haben, was wir bei TTIP noch besser machen wollen, was wir bei CETA auch wieder rückkoppeln können, zu einer Regelung zusammenführen, die insgesamt zu noch mehr Transparenz und Offenheit führt.

Wenigstens für meine Begriffe ist von zentraler Bedeutung bei solchen Verfahren, sicherzustellen, dass es immer ein faires Verfahren geben kann und dass man sich gegebenenfalls mit einem Rechtsmittel, in welcher Art auch immer, gegen Entscheidungen wehren kann. Dann kommen wir mit dieser Art von Regelung in diesem Investitionsschutzverfahren schon ganz gut weiter.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In Vorbereitung auf diese Rede habe ich ein ganz gutes Gutachten vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gelesen. Auf etwa acht Seiten setzt er sich sehr gut mit diesem Thema auseinander und stellt sehr gut dar, welche Verbesserungen tatsächlich schon erfolgt sind. Das sollte man sich gern einmal anschauen, wenn man sich mit dem Ganzen noch inhaltlich auseinandersetzen will.

Ich würde gern noch etwas zu dem Antrag der Linken sagen, der sich mit CETA ja gar nicht beschäftigt, sondern nur mit einem bestimmten Gutachten. Ich würde Sie herzlich bitten, nicht Menschen zu diskreditieren, die einen Auftrag wahrgenommen haben, den das Haus, das ich hier heute vertrete, erteilt hat. Ich finde, Sie können das Wirtschaftsministerium angreifen, wenn Sie meinen, dass wir falsche Gutachter beauftragt haben. Aber einem unabhängigen Professor zu unterstellen, schon in der Überschrift, er würde ein Gefälligkeitsgutachten erstellen, ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da muss ich mich wirklich schützend vor die Person stellen.

Noch einmal: Wenn Sie da Kritik haben, greifen Sie das Haus an! Wir werden uns zu wehren wissen, und wir können Ihnen sehr gut erklären, worin der Unterschied zwischen einem Schlichtungsverfahren und einem Schiedsverfahren besteht; der ist Ihnen offenbar entgangen, Herr Ernst. Er ist ein Schlichter und keineswegs ein Schiedsrichter. Da gibt es wesentliche Unterschiede. Der eine macht ein Urteil, der andere macht einen Vergleichsvorschlag. Das kann man nicht über einen Kamm scheren. Deshalb noch einmal die Bitte: Lassen Sie unsere unbescholtenen Professoren in Deutschland unbescholten!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Kollegin Bärbel Höhn spricht jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4441757
Wahlperiode 18
Sitzung 80
Tagesordnungspunkt Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen mit USA, Kanada
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