16.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 80 / Tagesordnungspunkt 19

Bärbel HöhnDIE GRÜNEN - Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen mit USA, Kanada

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich auf die Kollegen Pfeiffer und Hirte eingehen, die sich zu den Konsultationen geäußert haben. Ich finde, es ist eine absolute Unverschämtheit,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

wenn Sie 3 000 substanzielle Eingaben zu diesen Konsultationen – normalerweise sind es bei solchen Konsultationen 200; diesmal waren es 3 000 – und 145 000 Menschen, die sich mit der Sache beschäftigt haben, die am Ende ihre Unterschrift gegeben haben, hier so diskreditieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das ist etwas, was die Politikunzufriedenheit wirklich schüren wird. Sie gehen da mit Bürgerinnen und Bürgern auf eine Art und Weise um, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Es wird am Ende auch die Demokratie beschädigen, wie Sie mit solchen Konsultationsverfahren und der Beteiligung der Bürger umgehen. So geht es nicht, liebe Kollegen von der CDU und CSU!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. Klaus Barthel [SPD])

Zu dem Gutachten, das von Schill gemacht worden ist. Frau Zypries, ich glaube, da haben Sie genau recht. Man soll gar nicht das Gutachten an sich kritisieren. Ich kritisiere aber sehr wohl die Fragestellung des Wirtschaftsministeriums; denn am Ende hat sich der Gutachter eigentlich fast nur mit Gesetzesvorhaben beschäftigt und kaum mit Verwaltungshandeln. Die Klagen werden sich aber wesentlich gegen Verwaltungshandeln richten. Deshalb wäre es notwendig gewesen, den Auftrag um genau diese Frage zu erweitern. Deshalb richtet sich die Kritik in der Tat gegen das Wirtschaftsministerium und nicht unbedingt gegen den Gutachter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir erleben, dass wir mittlerweile eine Klagewelle haben, was diese Schiedsverfahren angeht; das ist der Punkt. Da hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Wir haben auf EU-Ebene vom Jahr 2012 zum Jahr 2013 eine Verdoppelung der Zahl der Klagen. Die meisten davon richten sich gegen Umweltregulierungen oder Ressourcenschutz, auch gegen soziale Fragen, aber vor allen Dingen gegen Industrieländer. Es ist gar nicht mehr so wie früher. Da kam es zu solchen Verfahren, weil vielleicht kein sicheres Rechtssystem vorhanden war. Klagen richten sich jetzt zunehmend gegen Industrieländer.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die wir mit einer Delegation des Umweltausschusses gewonnen haben, als wir uns in den USA mit diesen Fragen beschäftigt haben, war, dass gerade Anwaltskanzleien in den USA diese Schiedsverfahren zu ihrem Geschäftsmodell gemacht haben. Die Frage ist doch, ob wir Handlanger für Rechtsanwaltskanzleien in den USA sein wollen, die sich mit diesem Geschäftsmodell mittlerweile eine goldene Nase verdienen. Das kann doch wohl nicht sein!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir erleben – ich will einen bestimmten Punkt noch einmal aufgreifen, nämlich die Gentechnik –, dass wir in der Gentechnik ein sehr komplexes Problem haben. In Nordamerika ist es so, dass der Gentechnikaspekt einer Pflanze bei der Genehmigung gar nicht berücksichtigt wird; wenn sie wie ein Pestizid wirkt, wird sie sozusagen als Pestizid behandelt und zugelassen. Wenn da mehrere Kompenenten vorhanden sind, gibt es in Zukunft teilweise keine Zulassungsverfahren mehr. Die Wechselwirkungen werden nicht beachtet. Es wird also zunehmend Gentechnikpflanzen in Nordamerika geben, die nicht einmal ein Zulassungsverfahren hatten. Wenn wir diesem Freihandelsabkommen zustimmen, zukünftig Gentechnikpflanzen hier aber verbieten, dann gibt es natürlich Klagen von Monsanto & Co. Ich sage Ihnen: Wegen der Schiedsverfahren werden wir diese Gentechnikpflanzen hier in Europa und Deutschland nicht aufhalten können. Das ist ein ganz großer Kritikpunkt. Das ist ein Verlust an Verbraucherschutz, den hinzunehmen ich nicht bereit bin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dirk Becker [SPD])

Das Freihandelsabkommen CETA – dazu haben wir ja die Texte vorliegen – ist ein Einfallstor für die Gentechnik in Europa und Deutschland, und das wissen Sie auch. Ich erwarte deshalb gerade vom Wirtschaftsminister, dass er sich für die Verbraucherinteressen, die wir hier in Deutschland haben, genauso einsetzt, wie er sich zum Beispiel für die Interessen von energieintensiven Betrieben eingesetzt hat, und ich erwarte von der Kanzlerin, dass sie sich so einsetzt, wie sie sich für einen höheren zulässigen CO 2 -Ausstoß von großen Autos eingesetzt hat. Das höre ich vom Wirtschaftsminister nicht. Ich höre, dass er herumreist,

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist unfair!)

aber ich höre öffentlich nicht, dass er sich wirklich intensiv für die Verbraucherschutzinteressen in diesem Handelsabkommen einsetzt.

(Klaus Barthel [SPD]: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Das heißt, wir Grüne sind nicht gegen Handelsabkommen, aber wir sind für faire Handelsabkommen. Nur faire Handelsabkommen sind freie Handelsabkommen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE] – Zurufe von der CDU/CSU: Aha! Neue Position!)

Deshalb sage ich: Wir müssen CETA aufschnüren, und wir müssen CETA verändern. Ansonsten wird es zu Recht Demonstrationen der Bevölkerung geben, die dann zu Recht für ihre Interessen kämpft. Da möchte ich Sie einmal sehen. Sie werden sich da plötzlich wegducken

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Na, Na!)

und nicht mehr um das kümmern, was die Leute wirklich interessiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Unionsfraktion spricht jetzt der Kollege Jürgen Hardt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4441818
Wahlperiode 18
Sitzung 80
Tagesordnungspunkt Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen mit USA, Kanada
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta