16.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 80 / Tagesordnungspunkt 20

Wolfgang GehrckeDIE LINKE - EU-Assoziierungsabkommen Ukraine, Georgien, Moldau

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Genosse Wellmann! Wir wollen gleich zur richtigen Anrede übergehen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte, dass wir als Erstes darüber nachdenken, was wir den Menschen in Moldawien, in Georgien und in der Ukraine wünschen sollten und was wir möglicherweise dazu beitragen können, ihre Wünsche zu erfüllen. Ich möchte gern, dass die Menschen in der Ukraine, in Moldawien und in Georgien sozial wie auch von den demokratischen Rechten her etwas besser leben, als es heute der Fall ist und in der Vergangenheit der Fall war. Das ist mir ganz wichtig. Ich glaube, dass mit diesen Abkommen – ich befürchte dies insbesondere für die Ukraine – griechische Verhältnisse einziehen werden

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Oder polnische! Und das ist ein Erfolgsmodell!)

mit einer Zerstörung des Sozialstaates und mit weiteren sozialen Verwerfungen. Ich möchte, dass das abgewehrt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will nicht, dass wir den Menschen solche Vorschriften machen.

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also wollen Sie aus Griechenland eine Ukraine machen?)

Ich möchte, dass für alle drei Länder Hilfsprogramme aufgelegt werden, die die Macht der Oligarchen begrenzen.

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So wie in Griechenland!)

Das eigentliche Problem dieser Länder sind die Oligarchen, die diese Länder ausgeplündert haben und ausplündern.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, wir dürfen die Oligarchen nicht befördern, ihnen nicht auch noch Geld zuspielen, sondern wir müssen das Geld der Oligarchen umverteilen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich bin für eine Enteignung der Oligarchen in diesen Ländern. Das werden aber die Menschen in der Ukraine, in Moldawien und in Georgien selber leisten.

(Beifall bei der LINKEN – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und in Russland gleich mit!)

– Wenn stattdessen Sozialismus in Russland eine Rolle spielen würde, wäre es mir nur recht, auch die Oligarchen in Russland zu enteignen.

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sozialismus oder Kommunismus?)

Das Zweite, das mich sehr bewegt, ist Folgendes: Wir reden über diese Abkommen ja nicht in normalen Zeiten. Normalerweise spielen solche Abkommen der Europäischen Union in der Öffentlichkeit nicht so eine große Rolle. Wir reden aber jetzt in Zeiten darüber, in denen der Krieg als reale Gefahr in Europa auf der Tagesordnung steht. Ich finde, wir haben auch eine Verantwortung, darüber nachzudenken, ob sich die Entscheidung, dass sich drei Länder an der Grenze Russlands in ein westliches System integrieren, positiv oder negativ auf die Dämpfung der Kriegsgefahr auswirkt.

(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist die alte Breschnew-Doktrin!)

Ich zitiere wieder einmal Michail Gorbatschow, weil Sie das besonders trifft. Ich denke, dass wir Gorbatschow einen besonderen Verdienst und auch Verantwortung zurechnen können. Er warnte im Spiegel vor einem großen Krieg in Europa. Er wird im Spiegel zitiert:

Das sagt Gorbatschow. Ich hoffe, dass er unrecht hat. Aber ich nehme seine Warnung sehr ernst und frage mich immer: Was können wir tun, auch speziell wir in Deutschland, damit es zu einer Dämpfung des Konfliktes kommt?

Gorbatschow sagt weiter in Bezug auf Deutschland – das muss doch jeden von uns tief treffen –:

Welche Lektion braucht unser Land noch? Diese Frage legt uns Gorbatschow vor. Unser Land muss eine Lektion lernen, nämlich dass wir bei allem die künftigen Folgen bedenken.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube, es wäre im Moment klüger, mehr Druck zu entwickeln, dass besser verhandelt wird, dass Sanktionen aufgehoben werden und dass dieses Abkommen, so wie es ist, nicht ratifiziert wird. Das wäre ein Beitrag unseres Landes. Ich glaube, damit muss man sich ernsthaft auseinandersetzen.

Ich habe die Befürchtung, dass das Abkommen Europa erneut spaltet, nicht zu guter Nachbarschaft mit Russland führt, nicht dazu führt, dass die eingefrorenen Konflikte, die nur mit Russland zusammen gelöst werden können, wirklich gelöst werden. Ich denke an Abchasien, Südossetien, Transnistrien, Berg-Karabach und viele andere Regionen. Diese Probleme kann man nur mit Russland zusammen lösen.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Ich möchte gerne, dass wir darüber nachdenken, wie auch der 70. Jahrestag der Befreiung Europas vom Faschismus, die ohne die damalige Sowjetunion – das ist mehr als Russland; das sage ich gleich dazu –

(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Ukraine vor allen Dingen!)

nicht denkbar gewesen wäre, würdig begangen werden kann. Ich finde, die Äußerung des ukrainischen Präsidenten – sie wurde hier in Deutschland auch im Fernsehen übertragen –

(Franz Thönnes [SPD]: Ministerpräsident!)

– des Ministerpräsidenten; Entschuldigung, ja; wo ihr recht habt, habt ihr recht; wenn ihr mir auch in der Folge zustimmt, wäre ich euch dankbar –,

(Franz Thönnes [SPD]: Na, mal sehen! – Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Ist gut!)

dass die Sowjetunion über die Ukraine nach Deutschland einmarschiert ist, ist so katastrophal, dass ich hoffe, er hat sich in der Wortwahl geirrt.

(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das Missverständnis ist wirklich lange aus dem Weg geräumt! Sie benutzen es wider besseres Wissen als Propaganda aus Moskau!)

– Wenn es so ist, kann man das ja klarstellen.

(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist klargestellt!)

Ich hoffe, dass hier klar ist: Deutschland und Europa sind auch von der Sowjetunion vom Faschismus befreit worden. An dieser inhaltlichen Position sollten wir keinen Millimeter rütteln lassen.

Besten Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nächste Redner ist Manfred Grund, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4441853
Wahlperiode 18
Sitzung 80
Tagesordnungspunkt EU-Assoziierungsabkommen Ukraine, Georgien, Moldau
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