Günter Krings - Abkommen mit Polen über Polizei- und Zollzusammenarbeit
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte hat eine Vorgeschichte von etwas über vier Jahren und ist dennoch, wie ich finde, hochaktuell. Im Oktober 2010 trafen sich Thomas de Maizière in seiner ersten Amtszeit als Bundesinnenminister und sein damaliger polnischer Amtskollege Jerzy Miller an der deutsch-polnischen Grenze bei Görlitz auf polnischer Seite. Sie vereinbarten, den derzeit geltenden bilateralen Polizeivertrag aus dem Jahr 2002 fortzuentwickeln.
Am 15. Mai des letzten Jahres haben am selben Ort Minister de Maizière und sein nunmehriger polnischer Amtskollege Sienkiewicz den neuen deutsch-polnischen Polizeivertrag unterzeichnet. Es gab und gibt zwei wesentliche Gründe für die Neuverhandlung des bilateralen Polizeivertrages:
Zum einen gab es und gibt es eine rechtliche Notwendigkeit. Polen ist seit dem 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union, und aufgrund der seit Dezember 2007 geltenden Schengen-Regelungen war es erforderlich geworden, das Abkommen von 2002 an den für beide Länder gleichermaßen geltenden europäischen Rechtsrahmen anzupassen.
Zum anderen gab es den beiderseitigen Wunsch, die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit auch jenseits rechtlich zwingender Notwendigkeiten in der Sache weiter zu verbessern. Die Ziele waren also nicht nur die rechtlich notwendige Anpassung, sondern auch die Schaffung erweiterter Handlungsmöglichkeiten für die Polizei und den Zoll, um die Bevölkerung besser vor grenzüberschreitender Kriminalität zu schützen – wie ich meine, ein sehr wichtiges und richtiges Ziel.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir können heute sagen: Das ist uns mit dem neuen Abkommen auch gelungen. So können in Zukunft gemeinsame Streifen paritätisch im Format eins zu eins besetzt werden. Dabei wird den Beamten aus Polen und Deutschland die Möglichkeit eingeräumt, in dem jeweils anderen Land auch hoheitliche Aufgaben auszuüben – ein wichtiger Schritt. Die Beamten aus dem jeweiligen Nachbarstaat unterstehen dabei immer der Leitung eines Beamten des Gebietsstaates.
Ermöglicht wird ebenfalls die Unterstellung von Beamten, das heißt die Aufnahme in einen Polizeiverband des Nachbarstaates. Auch das ist ein Vorgang, den wir heute vielleicht für selbstverständlich erachten, der aber vor 10 oder 20 Jahren im Verhältnis zu fast allen Nachbarstaaten noch unerhört gewesen wäre. Dies ist insbesondere im Falle der Unterstützung bei Großereignissen relevant.
Zudem werden die Möglichkeiten der Zusammenarbeit auch zu präventiven Zwecken erweitert. So sind künftig Grenzübertritte zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben und grenzüberschreitende Observationen auch zu präventiven Zwecken möglich.
Schließlich wird der Zoll stärker als bisher in das neue Abkommen einbezogen. Die Zollbehörden werden zum Beispiel im Rahmen der Verfolgung von Zoll- und Verbrauchsteuerstraftaten zusammenarbeiten können, um insbesondere den leider sehr stark verbreiteten Zigarettenschmuggel besser bekämpfen zu können. Das ist natürlich nur ein Beispiel von vielen Anwendungsbereichen auf dem Gebiet des Zolls.
Meine Damen und Herren, die erweiterten Handlungsmöglichkeiten für Polizei und Zoll sind angesichts der bestehenden Herausforderungen, insbesondere in den Grenzregionen, unbedingt erforderlich. Ein Blick in die Statistik zeigt zwar, dass der mit der Aufhebung der Grenzkontrollen im Dezember 2007 befürchtete Anstieg der Gesamtkriminalität weitgehend ausgeblieben ist; jedenfalls waren die Befürchtungen damals größer als die tatsächliche Entwicklung, was nicht heißen soll, dass die tatsächliche Entwicklung nicht schon besorgniserregend genug ist. Polen ist inzwischen selbst eher zu einem Transitland für andere östliche Staaten und dorther rührende Kriminalität.
Dennoch: Die Kriminalität in der Grenzregion bleibt eine große Herausforderung, der wir uns natürlich stellen müssen. Vor allen Dingen die Kfz-Kriminalität, Wohnungseinbruchsdiebstähle sowie die Diebstähle auf Baustellen, etwa von höher- und hochwertigen Arbeitsmitteln, sind in der Grenzregion zu Polen in den letzten Jahren problematisch gewesen.
Fest steht, dass Wohnungseinbruchsdiebstähle in Deutschland insgesamt weiter zunehmen. 2008 haben wir 108 284 Fälle registriert, 2013 bereits 149 500. Natürlich gibt es bei diesen Deliktzahlen teilweise erhebliche regionale Unterschiede, gerade in Brandenburg und Sachsen ist in den vergangenen fünf Jahren ein deutlicher Anstieg zu beobachten. Grund hierfür ist auch eine neue Art der Tatausführung durch inzwischen international vernetzte und sehr mobile Intensivtäter.
Wir wissen alle, dass wir hier nicht nur über die Probleme des materiellen Verlusts sprechen. Wir haben an dieser Stelle schon einige Debatten zum Thema Wohnungseinbruchsdiebstähle geführt. Es ist für viele vor allem eine psychische Belastung, wenn sie erleben, dass in ihre Privatsphäre im wahrsten Sinne des Wortes eingedrungen wird. Es ist deshalb ein Phänomenbereich, der von uns wirklich sehr ernst genommen werden muss; das geht über den eigentlichen ökonomischen Schaden hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vor diesem Hintergrund hat die Frühjahrsinnenministerkonferenz 2014 verstärkte Maßnahmen zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls beschlossen. So werden wir zum Beispiel den länder- und staatenübergreifenden Informationsaustausch sowie die Lageerhebung und Analyse verstärken, um somit die Grundlage für die Einrichtung grenzüberschreitender Ermittlungskommissionen zu schaffen.
Eine weitere Herausforderung stellt die voranschreitende Ausbreitung von kristallinem Methamphetamin – umgangssprachlich auch Crystal oder Crystal Meth genannt – dar. Mit 3 847 Sicherstellungsfällen – 10 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr – und einer Gesamtmenge von 77 Kilogramm wurden 2013 bundesweit erneut Höchstwerte bei Crystal Meth registriert. Beunruhigend bei den Sicherstellungen sind vor allen Dingen die hohen jährlichen Zuwachsraten.
Es handelt sich zwar – das zu betonen, ist wichtig – nach wie vor hauptsächlich um ein Problem im deutsch-tschechischen Grenzgebiet. Als Grundstoff für die Herstellung dient allerdings nahezu ausnahmslos das in Polen derzeit noch in frei verfügbaren Erkältungsmitteln enthaltene Pseudoephedrin. Wir hoffen darauf, dass in Polen bald die erforderliche Gesetzesänderung zur Beschränkung der Abgabe ephedrinhaltiger Medikamente beschlossen wird. Das wäre ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung dieser furchtbaren Droge, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Mit den erweiterten Handlungsmöglichkeiten für Polizei und Zoll, die Gegenstand des neuen Abkommens sind, werden wir mehr Sicherheit für die Bürger, insbesondere in den Grenzregionen, erreichen. Die Bekämpfung der Kriminalität in den Grenzregionen – wie natürlich die Kriminalitätsbekämpfung allgemein – liegt in Deutschland selbstverständlich grundsätzlich in der Zuständigkeit der Länder. Daher haben die Länder den Weg zu diesem neuen Abkommen nicht nur eng mitverfolgt, sondern aktiv und intensiv mitgestaltet. Es ist deshalb gerade auch den Ländern ein besonderes Anliegen, dass das neue Abkommen möglichst zügig in Kraft tritt, und dies ist selbstverständlich auch im Interesse der Bundesregierung.
Auf polnischer Seite – insofern gibt es da jetzt eine gewisse Anreizwirkung – hat das Parlament dem Abkommen bereits zugestimmt. Der polnische Präsident hat am vorletzten Tag des letzten Jahres das Vertragswerk bereits unterzeichnet. Aus Sicht der Bundesregierung wäre es wünschenswert, wenn auch in Deutschland das innerstaatliche Verfahren weiterhin so zügig vorangetrieben werden könnte.
Meine Damen und Herren, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und Sicherheitsbehörden ist in unserer Zeit wichtiger und dringender denn je. Das gilt für die eben genannten Deliktsbereiche, die wir zum Teil, wie ich finde, fast irreführend als Alltagskriminalität bezeichnen; das sollte eigentlich nicht alltäglich sein. Aber natürlich gilt das auch in besonderer Weise für die Bekämpfung schwerster Kriminalität und die Bekämpfung des international agierenden Terrorismus.
Nicht nur die furchtbaren Vorfälle in der vergangenen Woche in Paris, sondern auch der Anschlag in Brüssel im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass Gefahrenabwehr wie Tataufklärung nicht mehr rein national erfolgen können. Auch wenn der deutsch-polnische Grenzraum sicherlich nicht den Schwerpunkt von Aktivitäten terroristischer oder gar islamistischer Gruppen bildet, so schließen wir mit dem hier heute zu behandelnden Vertrag doch ein weiteres wichtiges Glied in der Kette der polizeilichen Zusammenarbeit in Europa. Aus diesem Grunde bitte ich Sie sehr herzlich, dafür zu sorgen, dass wir diesen Vertrag möglichst zügig in geltendes deutsches Recht überführen können.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Ulla Jelpke von der Linken das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4442002 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Abkommen mit Polen über Polizei- und Zollzusammenarbeit |