16.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 80 / Tagesordnungspunkt 21

Wolfgang GunkelSPD - Abkommen mit Polen über Polizei- und Zollzusammenarbeit

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Staatssekretär Dr. Krings hat ja schon recht ausführlich darüber berichtet, welche inhaltlichen Veränderungen dieser Gesetzentwurf, welcher jetzt in Form eines Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen in Kraft treten soll, beinhaltet.

Ich will zunächst etwas weiter zurückschauen als auf das Jahr 2010, als dieser Prozess begann. Ich will zurückblicken auf das Jahr 2004, und zwar deshalb, weil ich vor meiner Zeit als Abgeordneter für die Polizeidirektion Görlitz Verantwortung getragen habe. Sie heißt heute Görlitz, damals hieß sie Oberlausitz-Niederschlesien, und sie umfasst die gesamte polnische Grenze von Bad Muskau über Görlitz bis Zittau. Polen trat 2004 der Europäischen Union bei. Gleichzeitig damit fielen auch die Kontrollen des Zolls direkt an der Grenze weg, was zunächst einmal bedeutet hatte, dass eine Sicherheitskraft bei der Ausübung der Überwachung der Grenze fehlte. Das ist dadurch kompensiert worden, dass die Zöllner bewegliche Überwachungseinheiten gebildet und innerhalb der 30-Kilometer-Zone Überprüfungen vorgenommen haben. Es hat sich aber gezeigt, dass dies direkt an der Grenze auch zu einigen Überwachungsverlusten geführt hat.

Hinzu trat drei Jahre später die Übernahme des Schengener Vertragswerkes durch Polen, sodass die Kontrollen der Bundespolizei, die Hand-in-Hand-Kontrollen, die direkt an der Grenze durchgeführt worden sind, wegfielen. Damit wurde das möglich, was wir heute praktizieren: Es wurde ein grenzkontrollfreier Raum innerhalb Europas geschaffen, in dem sich jeder frei bewegen kann. Jeder hat das begrüßt. Jeder hat gesagt: Das ist hervorragend für die freiheitliche Entwicklung in unseren europäischen Ländern.

Das hat natürlich auch – Staatssekretär Krings hat es schon gesagt – zu einigen Nachteilen geführt. Die Kriminalität – da muss ich Ihnen leider widersprechen – stieg zunächst an. Der Bundesgrenzschutz und die Bundespolizei haben bei Grenzkontrollen, die auch nur abgesetzt stattfinden konnten, mehr oder weniger illegale Grenzübertritte feststellen können. Das hat sich aber im Laufe der Zeit – da gebe ich Ihnen recht – normalisiert und ist unter den damaligen Erwartungen geblieben. Ich glaube schon, dass dies eine ganz wichtige Erkenntnis war, weil parallel dazu die übrige Kriminalität im Grenzgebiet in erheblichem Maße anstieg, was überwiegend die Länderpolizeien betraf, in diesem Fall das Land Sachsen. In Brandenburg war es ähnlich, jedoch von unterschiedlicher Ausprägung. In Sachsen war es jedenfalls so, dass in verstärktem Maße Wohnungseinbrüche und Diebstähle von Kfz zu verzeichnen waren.

Man hat auch feststellen können, dass sich sehr viele kriminelle Gruppen gebildet haben, wobei nicht nur die Polen die Taten begangen haben, wie immer behauptet wird, sondern es waren zu über 60 Prozent Deutsche daran beteiligt, und sie haben die Straftaten gemeinsam verübt. Weil dadurch die Bevölkerung empfindlich in ihrer Sicherheit gestört wurde, war es notwendig, zu vereinbaren, dass man neben der Zusammenarbeit zwischen den deutschen Behörden, also Bundespolizei, Landespolizei und Zoll, auch die polnischen Behörden verstärkt mit einbinden muss. Man kann nicht sagen, dass wir das früher nicht schon gemacht hätten. Sie haben darauf hingewiesen, dass es gemeinsame Streifen und andere Dinge schon vorher gab. Das ist auch richtig. Nur hatten wir einige Hindernisse zu überwinden. Darauf möchte ich jetzt noch einmal zu sprechen kommen, weil es zeigt, weshalb ich diesen Vertrag für so wichtig halte.

Erstens durften die Streifen, die das jeweils andere Land entsandt hatte, keine Waffen und anderen Ausrüstungsgegenstände mitführen. Man muss sich das so vorstellen: Der eine Polizist läuft voll ausgerüstet Streife, und der andere läuft daneben. Man hätte auch sagen können: eine Lachnummer. Ich will es einmal freundlich ausdrücken: Die Bevölkerung hat uns gesagt: Ach so, das ist ein Auszubildender, der läuft mit. – Als mehr ist er nicht eingeschätzt worden. Das war natürlich für ihn sehr unschön. Er hat sich nicht wohlgefühlt und wurde sowohl auf deutscher wie auf polnischer Seite nicht für voll genommen. Das ist natürlich bitter. Die Folge war, dass man dazu überging, dies etwas einzugrenzen.

Über die Autobahnpolizei wurde dies dann als gemeinsame Ermittlungsgruppe aufgewertet, die gemeinsam tätig geworden ist und damit auch das genutzt hat, was schon angesprochen worden ist: beispielsweise die Sprachkenntnisse, wobei die polnischen Polizisten sehr viel besser Deutsch sprechen als die Deutschen Polnisch.

Diese Art der gemeinsamen Streife ist nun in dem Abkommen fixiert. Jeweils das Land, das die Führung der gemeinsamen Streife stellt, ist für ihre Durchführung verantwortlich – das gilt auch für die rechtlichen Verhältnisse –, sodass nicht jeder Polizist in dem anderen Land machen kann, was er will, sondern er sich an die rechtlichen Vorschriften des Landes halten muss, in dem er tätig ist.

Die Begleitung von Großereignissen ist hinzugetreten. Da ist ganz klar der Fußball zu nennen, Ereignisse wie die Weltmeisterschaft und die Europameisterschaft und Ähnliches. Da hat sich insbesondere 2006 beim Einsatz niederländischer Beamter in Nordrhein-Westfalen gezeigt, wie wichtig eine solche Zusammenarbeit sein kann. Diese Beamten können dann nicht einschreiten, wie sie wollen; derjenige, der den Einsatz führt, hat die Rechte festzulegen und zu entscheiden, ob Zwangsmittel oder irgendwelche Einsatzmittel angewendet werden. Das heißt, derjenige, der jeweils im Gastland tätig ist, handelt nicht auf eigene Rechnung, sondern nach dem Recht des Gastlandes und nach der Weisung des Betreffenden.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist ja sonst auch so, dass der Einsatzleiter das bestimmt!)

– So ist es. Ich komme nachher auf die verdeckten Ermittlungen zu sprechen. Auch da ist das so. Da können Geheimdienste nicht irgendetwas machen, sondern es muss vorher angemeldet werden, genehmigt werden, und dann wird es in gemeinsamer Arbeit mit dem betreffenden Land abgewickelt.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ändert nichts an unserem Misstrauen den Geheimdiensten gegenüber!)

– Wenn Sie Misstrauen hegen: bitte schön! Ich sage mal: Die Kontrolle ist gewährleistet. Ich sehe da keine Gefährdungen.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist nicht einmal in Deutschland gewährleistet! Wie kann es dann in Polen gewährleistet sein?)

Auch Polizeibeamte nehmen verdeckte Ermittlungen vor. Sie sind schon bei uns sehr schwer durchzusetzen, weil es dort immer rechtliche Grenzen gibt. Aber wenn man gemeinsam mit den polnischen Behörden hier in Deutschland unter deutscher Aufsicht agiert, sehe ich keine Gefahr, dass da schwere rechtswidrige Taten begangen werden.

Ein weiterer Punkt, der wichtig ist – das war für mich immer wieder bezeichnend –, ist die sogenannte polizeiliche Nacheile. Für Leute, die jetzt nicht wissen, was das im Einzelnen heißt: Das ist die Strafverfolgung auf frischer Tat. Wenn die Verfolgung über die Grenze hinweg ging, dann fielen bestimmte Rechte weg, die man sonst als Polizeibeamter hat, nämlich die der vorläufigen Festnahme und des Einsatzes anderer Zwangsmittel. Auch das wird jetzt mit dem Abkommen geregelt, in dem ganz genau festgelegt ist, dass derjenige, der sich auf einer Verfolgung befindet, nunmehr in das jeweilige Land hineindarf und die Maßnahmen alleine durchführen kann, es sei denn, dass durch die Information der zuständigen Behörde andere Beamte hinzutreten – dann muss man sich wieder an die Regeln des Gastlandes halten und entsprechend verfahren.

Ich möchte hervorheben, dass das Abkommen im Zusammenhang mit der Kriminalitätsbekämpfung zu sehen ist. Sie haben vorhin insbesondere die organisierte Kriminalität angesprochen. An diesem Punkt erlangt das Abkommen dadurch Bedeutung, dass man nun gemeinsame operative Ermittlungsgruppen bilden kann. Wenn Verfahren parallel geführt werden, können die Ergebnisse jetzt zusammengeführt werden. Es kann sein, dass auf polnischer oder auf deutscher Seite bestimmte Ermittlungsergebnisse vorliegen, die man vorher nicht abgleichen konnte. Jetzt kann man dies in gemeinsamen Gruppen zusammen abarbeiten. Das finde ich hervorragend.

Im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch ist jetzt hinzugekommen, dass eine ganze Palette von Informationen der jeweils anderen Seite zugespielt wird. Dazu gehören Informationen zu Ordnungswidrigkeiten und anderen Strafsachen, die bisher nicht bekannt waren. Sie werden dann an die jeweils zuständigen Stellen übermittelt.

Ein wesentlicher Punkt ist das Gemeinsame Zentrum, das nun in der polnischen Stadt bei Frankfurt an der Oder angesiedelt wird. Dort werden alle entsprechenden Behörden – Zollbehörden, Grenzbehörden und Polizeibehörden – zusammenarbeiten, um Informationen zu sammeln und zu verteilen. In diesem Zusammenhang ist natürlich besonders wichtig, dass dies bei grenzüberschreitender Kriminalität auch in Bezug auf Erkenntnisse zum Terrorismus erfolgt. Das wird dann an die einzelnen Stellen weitergeleitet.

Ich möchte zum Schluss noch einen Punkt ansprechen. Es ist natürlich so, dass man nur dann polizeilich zusammenarbeiten kann, wenn Polizeikräfte da sind. Der Bürgermeister eines Grenzortes hat einmal gesagt: Was nutzt uns dieses Abkommen, wenn keine Polizisten vorhanden sind? – Da muss man an die Länder appellieren, in diesem Bereich nicht zu viele Kräfte abzubauen. Aber auch der Bund sollte sich noch einmal überlegen, inwieweit gerade in diesem Bereich die Bundespolizei kräftemäßig ausgedünnt werden soll.

Es ist meine feste Überzeugung, dass wir mit diesem Abkommen eine gute Entwicklung in Gang setzen. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen wird ein Erfolg für die innere Sicherheit sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Herzlichen Dank. – Als nächste Rednerin hat Irene Mihalic von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4442024
Wahlperiode 18
Sitzung 80
Tagesordnungspunkt Abkommen mit Polen über Polizei- und Zollzusammenarbeit
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta