28.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 81 / Zusatzpunkt 1

Ulla Schmidt - Aktuelle Stunde zum EZB-Anleihekaufprogramm

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Charmante Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Aktuellen Stunde, beantragt von Bündnis 90/Die Grünen, ist die Position der Bundesregierung zu den aktuellen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank. Dazu hat mein Vorredner relativ wenig beigetragen. Damit ihm klar wird, worum es geht, will ich deutlich sagen: Für die Bundesregierung ist die Europäische Zentralbank, in der Tradition der Deutschen Bundesbank fortentwickelt, die unabhängige geldpolitische Institution, die für die Stabilität unserer Währung in Deutschland und innerhalb der Euro-Zone sorgen soll, dies mit Erfolg in den vergangenen Jahren getan hat und sicher auch in Zukunft tun wird. Das ist unsere grundsätzliche Auffassung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])

Wenn eine Fraktion des Deutschen Bundestages eine Entscheidung der Europäischen Zentralbank diskutieren möchte, ist das ihr gutes Recht. Die Bundesregierung hält aber an ihrer bisherigen Position fest, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank ein hohes Gut ist. Unabhängigkeit endet nicht bei der Frage, ob man einer Entscheidung der Institution zustimmt oder nicht; sie ist umfassend zu respektieren.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie Ihren eigenen Reihen sagen! – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie halten sich ja selber nicht daran!)

Zusammenfassend kann ich sagen: Wir respektieren die Entscheidung, die sich auf Artikel 18 Absatz 1 der EZB-Satzung stützt. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren vom Bündnis 90/Die Grünen, zerren die Unabhängigkeit der Zentralbank an den Rand des Zulässigen. Die Bundesregierung wird Ihnen dabei nicht folgen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Finanzminister hat sich doch selber hier dazu geäußert!)

Herr Kollege Schick, da Sie wie ich ein Diplom- Volkswirt sind, haben Sie nicht nur Unrichtiges gesagt, sondern auch auf die Verantwortungsteilung zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik hingewiesen. Das fand ich richtig. Es ist eine Binsenweisheit, dass man eine gute Geldpolitik für eine nachhaltige Wirtschafts- und Wachstumspolitik braucht. Man braucht auch eine anständige Fiskalpolitik und eine Politik für mehr Wettbewerbsfähigkeit in Europa. Das ist genau das Motiv des Jahreswirtschaftsberichts, den wir heute im Bundeskabinett besprochen haben. Wir brauchen mehr Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. Das ist Ziel der Politik der Bundesregierung. Das Gleiche brauchen wir in Europa. Dazu bedarf es Gott sei Dank keiner Ermahnung durch die Opposition; denn das ist die erklärte Politik dieser Koalition.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sehen Investitionen als den Schlüssel für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Nur wenn eine Volkswirtschaft investiert, wird sie auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sinkt denn die Investitionsquote bei Ihnen?)

Deswegen haben wir unsere Investitionen in den vergangenen Jahren gesteigert, insbesondere in den Bereichen Bildung und Forschung. Wir wollen der Innovationsmotor des Wachstums in Europa sein. Die Hightech-Strategie und die Industrie 4.0 spielen daher eine zentrale Rolle in unseren investitions- und wirtschaftspolitischen Bemühungen.

Wir wollen selbstverständlich nicht nur in die digitale Infrastruktur, sondern auch in die Verkehrsinfrastruktur investieren. Dafür wollen wir in Deutschland in Zukunft stärker privates Kapital mobilisieren. Privat und Staat können gemeinsam für eine leistungsfähige Infrastruktur Sorge tragen.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geldverschwendung machen Sie da!)

– Herr Kollege Schick, die Telekommunikationsinfrastruktur ist ausschließlich mit privaten Geldern finanziert worden. Sie können doch nicht behaupten, dass privat finanzierte Infrastruktur nicht leistungsfähig ist.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie reden auch über Straßenbau!)

Ich kenne kaum ein leistungsfähigeres Telekommunikationsnetz als das der Bundesrepublik Deutschland, das durch privates Kapital finanziert wurde. Das sollten Sie sich einmal hinter Ihre Ohren schreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann fahren Sie mal nach Brandenburg! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Versuchen Sie da mal, Handyempfang zu kriegen!)

– Das heißt nicht, dass es keine Lücken gibt. Aber wir arbeiten daran. Das private Kapital ist da sehr mobil.

Was ich noch erwähnen möchte, Herr Kollege Schick, ist Ihre Unverfrorenheit, mit der Sie darüber hinweggehen, dass die Bundesregierung eine derjenigen Regierungen in Europa war, die mit als erste und nachhaltig den Vorschlag von Jean-Claude Juncker, dem neuen Präsidenten der Europäischen Kommission, für mehr Investitionen in Europa unterstützt hat.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit 0 Euro!)

Wir stehen ausdrücklich an der Seite von Jean-Claude Juncker, der mit seiner Initiative weitaus mehr als 300 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen in und für Europa mobilisieren will. Dies ist die Politik der Bundesregierung. Das haben wir in der Vergangenheit unterstützt, und das werden wir auch zukünftig unterstützen. Das muss in aller Klarheit einmal gesagt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn es darum geht, die Initiative von Jean-Claude Juncker auf breitere Schultern zu stellen, sind alle 28 Staaten der Europäischen Union herzlich eingeladen, da mitzumachen. Solange das nicht so ist, werden wir mithilfe der KfW in zweiter Linie über den Juncker-Plan hinaus europäische Investitionen unterstützen. Am deutschen Einsatz für mehr Wachstum und mehr Wohlstand in Europa wird unser europäisches Projekt keinesfalls scheitern. Das ist hier in aller Klarheit festzuhalten.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn das Klarheit ist!)

In diesem Kontext möchte ich gerne darauf hinweisen, dass wir viel in nationaler Verantwortung machen können; die Europäer nennen das „National Ownership“. Der Jahreswirtschaftsbericht hat in diesem Zusammenhang beispielsweise ein investitionsfreundliches Vergaberecht und eine digitale Wettbewerbsstruktur angeführt. Das werden wir engagiert verfolgen.

Aber wir werden auch unsere auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Finanzpolitik in Deutschland und für Europa weiterverfolgen. Investitionen und Wachstum zur Unterstützung einer vernünftigen Geldpolitik wird es nur geben, wenn die öffentlichen Haushalte in Ordnung sind. Das muss heute einmal in aller Klarheit vor dem Deutschen Bundestag festgestellt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich will alle, die vom EZB-Präsidenten ansonsten nur wenig hören, noch einmal daran erinnern, dass er uns aufgefordert hat, an dem Kurs für nachhaltige Finanzen in Europa festzuhalten. Er hat die europäischen Staaten – Deutschland, aber auch andere Staaten – aufgefordert, mehr für ihr Wachstum in nationaler Verantwortung zu tun. Die europäische Geldpolitik, Herr Kollege Schick, ist kein Ersatz für nationale Reformen. Wer etwas anderes glaubt, irrt.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Machen Sie sich das doch einmal selber zu eigen! Auch Sie müssen etwas tun!)

Wenn Sie dieser irrigen Auffassung sind, weisen wir das zurück. Das ist nicht die Auffassung der Bundesregierung. Wir wissen, dass wir für mehr Wachstum in Europa auch mehr tun müssen.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Dann tun Sie es mal!)

Wir werden auch mehr tun, soweit wir dazu gemeinsam mit den europäischen Partnern in der Lage sind. Das ist unsere Politik, und daran werden wir nichts ändern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind Ihre Worte, aber nicht Ihre Politik! Das ist ein Unterschied! Zwischen Reden und Handeln besteht ein Unterschied!)

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen hat offensichtlich übersehen, dass wir mit unserem Kurs auch bei der Investitionsbereitschaft in und für Europa Spielräume geschaffen haben. Wir haben gegenüber unserer bisherigen nationalen Haushaltsplanung 10 Milliarden Euro zusätzlich für Infrastrukturinvestitionen, für wachstumsförderliche Investitionen bereitgestellt.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ab 2016! Sagen Sie das dazu!)

Wir werden dem Deutschen Bundestag zeitnah entsprechende Überlegungen hierzu vorlegen. Ordentliches Haushalten und mehr Investitionen gehören zusammen. Schauen Sie sich doch einmal um: Da, wo die Defizite hoch sind, sind die Investitionen niedrig. Da, wo die Defizite niedrig sind, hat man Spielräume für mehr Investitionen. – Das ist verantwortliche Politik für Deutschland. Das ist verantwortliche Politik in Europa.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sinkt dann die Investitionsquote in Deutschland? – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum ist dann die Investitionsquote so niedrig?)

Herr Kollege Schick, Sie können sich hier aufregen, wie Sie wollen; Tatsache ist auch: Für mehr Investitionen in und für Europa zählt auch die Stabilität des Bankensektors. Deshalb bedanke ich mich beim deutschen Gesetzgeber, dass er beherzt, zeitnah und umfassend die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der Bankenunion für Deutschland ergriffen hat. Nur wenn wir ein stabiles Banken- und Finanzsystem haben, haben wir auch die stabilen Rahmenbedingungen für Investitionen in Wachstum in Deutschland und Wachstum in Europa.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen, wer für Geldpolitik verantwortlich ist. Wir wissen aber auch, wer für Wachstum und Wohlstand verantwortlich ist. Die Bundesregierung wird das Notwendige dafür tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Schlecht, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4506512
Wahlperiode 18
Sitzung 81
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum EZB-Anleihekaufprogramm
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