Norbert BarthleCDU/CSU - Aktuelle Stunde zum EZB-Anleihekaufprogramm
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde beschäftigt sich mit der „Haltung der Bundesregierung“ zu den Maßnahmen der EZB. Dazu hat der Staatssekretär Steffen Kampeter eigentlich schon alles Notwendige gesagt. Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Bundesregierung die Entscheidungen der EZB nicht kommentiert, sondern großen Wert auf die Unabhängigkeit der EZB legt. Ich spreche auch nicht für die Bundesregierung, sondern für meine Fraktion,
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn da die Haltung?)
und auch wir legen großen Wert auf die Unabhängigkeit der EZB.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb hat Herr Michelbach noch nie etwas gesagt!)
Ich gehe davon aus, dass die EZB innerhalb ihres Mandates über ihre geldpolitischen Maßnahmen unabhängig entscheidet. Es ist unbestritten, dass man kritisch nachfragen kann; das ist gar keine Frage. Ich bin überzeugt, die eine oder andere Maßnahme wird auch noch deutschen Verfassungsrichtern zur Beurteilung vorgelegt werden;
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Genau!)
dazu besteht durchaus Anlass. Ich gehe aber davon aus – ich respektiere ihre Entscheidungen auch –, dass die EZB im Rahmen ihres Mandats handelt und ihrer geldpolitischen Verantwortung gerecht wird.
Interessanter wird die politische Debatte, wenn man die Neben- und Folgewirkungen der geldpolitischen Maßnahmen für die nationalen Haushalte und die Fiskalpolitik in Europa in den Blick nimmt. Das ist doch die eigentlich spannende Frage. An diesem Punkt hören wir von den Grünen und den Linken sehr schnell: Jetzt, da es billiges Geld gibt, muss man mehr investieren. – Hinzugefügt wird dabei nicht: natürlich zulasten neuer Schulden. Woher soll das Geld denn sonst kommen? Sie müssen den Menschen draußen ehrlicherweise sagen, dass Sie neue Schulden machen wollen, um mehr investieren zu können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das wollen wir nicht. Wir halten an unserer Linie fest: Wir schaffen uns die notwendigen Investitionsspielräume für die Zukunft – 10 Milliarden Euro sind geplant; 5 Milliarden Euro stehen schon im Koalitionsvertrag – durch entsprechend konsolidierte Haushalte.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und deswegen sinkt die Investitionsquote?)
Wir sorgen für die Zukunft vor, indem wir uns die notwendigen Spielräume erwirtschaften. Das unterscheidet uns fundamental von der linken Seite des Hauses.
Etwas anderes – das ist es, was mir eigentlich Sorgen macht –: Diese EZB-Entscheidung, die Tatsache, dass jetzt billiges Geld zur Verfügung steht, trägt offensichtlich dazu bei, dass einige Länder in der Euro-Zone nicht mehr die Notwendigkeit sehen, Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung weiter voranzutreiben, sondern beim billigen Geld zugreifen. Diese Gefahr darf man nicht unterschätzen. Ich setze darauf, dass unsere Bundesregierung in den entsprechenden internationalen Verhandlungen großen Wert darauf legt, dass die Maßstäbe und Regeln des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts und auch die nachfolgenden Vereinbarungen – Six-Pack, Two-Pack, Fiskalvertrag und alles andere, was in der Folge entstand – eingehalten werden. Man hört schon jetzt Signale, vor allem aus den Programmländern, die darauf schließen lassen, dass man sich mit den bisherigen Bemühungen womöglich zufriedengibt und nicht mehr weiter reformieren will.
Wir haben einen Reformstau, nicht nur in den Programmländern, sondern auch in Italien und Frankreich. An dieser Stelle möchte ich aber hinzufügen, dass in Italien bereits tiefgreifende Reformen auf den Weg gebracht wurden. Was den Arbeitsmarkt anbelangt, muss zwar noch einiges umgesetzt werden, aber Italien ist auf einem guten Weg. Ich hoffe sehr, dass Frankreich nachzieht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Einhalten der verabredeten Regeln – das gilt für alle Regeln, die wir verabredet haben – ist notwendig, um die Glaubwürdigkeit der Politik in ganz Europa aufrechtzuerhalten. Wir haben das Problem, dass in vielen Ländern eine Glaubwürdigkeitskrise entstanden ist, und zwar insbesondere in Bezug auf die europäische Politik. Deshalb sollten wir aufhören, europäische Institutionen schlechtzureden. Wir sollten gut über Europa reden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Margaret Horb [CDU/CSU] – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das ist eine gute Idee! Hervorragend!)
Das nützt uns allen. Das nützt Europa, und das nützt den einzelnen Ländern, die derzeit noch Probleme haben.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Fraktion klatscht nicht!)
Griechenland ist schon angesprochen worden. Dazu noch eine kurze Bemerkung: Ich wundere mich schon über die Debatte, die dort geführt wird. Es wird immer über einen Schuldenschnitt geredet. Für uns ist Folgendes vollkommen klar:
Erstens. Das zweite Griechenland-Hilfsprogramm muss eingehalten und bis Ende Februar abgeschlossen werden, ohne irgendwelche Änderungen an den Vereinbarungen.
Zweitens. Eine Schuldenschnittdebatte hat überhaupt keine Substanz; denn Griechenland hat, da die Zins- und Tilgungszahlungen ausgesetzt sind, derzeit nur ganz geringe Belastungen. Was würde sich an den Haushaltsbelastungen ändern, wenn man einen Schuldenschnitt vereinbaren würde? Gar nichts. Das würde allenfalls neue Spielräume für neue Schulden eröffnen, und das wäre Gift für die Weiterentwicklung von Griechenland. Deshalb ist diese Debatte so unsinnig.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt der Kollege Dr. Diether Dehm.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4506587 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 81 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zum EZB-Anleihekaufprogramm |