Joachim PfeifferCDU/CSU - Regierungserklärung – Investieren in Deutschlands und Europas Zukunft
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung. Das heißt, es geht darum, einzuordnen: Was wurde erreicht? Wo stehen wir? Vor allem geht es um die Frage: Wo wollen wir hin? Das ist in diesem Jahreswirtschaftsbericht niedergelegt. Es sind Dutzende von Maßnahmen angesprochen worden, die wir in diesem Jahr anpacken wollen. Wir wollen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen.
Wo stehen wir? Deutschland – die Vorredner haben das angesprochen – steht gut da. Noch vor wenigen Wochen und Monaten wurde uns von linker und grüner Seite gesagt: „Wir rutschen in eine Rezession, es geht abwärts, das Wirtschaftswachstum wird zum Erliegen kommen“, und anderes mehr.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann mich nicht erinnern, dass wir das gesagt haben! – Zuruf des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Kassandrarufe habe ich heute nicht mehr gehört, Gott sei Dank, weil die Realität Sie mal wieder eines Besseren belehrt hat.
Wir haben 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum. Noch vor wenigen Wochen war von maximal 1 Prozent die Rede, davon, dass es nach unten geht. Das Gegenteil ist der Fall. Das Konsumklima heute ist auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren. Träger des Wachstums ist neben dem Export insbesondere die Binnenkonjunktur. Hohe Einkommenszuwächse – nominal und real – kommen bei den Menschen an. Sie haben Vertrauen in die Politik, in diese Regierung und investieren und konsumieren jetzt. Das ist das Ergebnis verantwortungsvoller Politik dieser Bundesregierung in den letzten Jahren.
Was sind die Rahmenbedingungen, die wir verändern wollen, die wir angehen wollen, um uns noch besser zu machen, um uns auf die demografischen und die technologischen Herausforderungen noch besser einzustellen? Der digitale Wandel stellt uns vor große Herausforderungen. Wir haben in dieser Woche zusammen mit den Ländern den Startschuss gegeben für die Versteigerung von Frequenzen – es geht um die sogenannte Digitale Dividende II –, von Funkfrequenzen, die im analogen Bereich nicht mehr benötigt werden und jetzt im Rahmen des digitalen Wandels für den Breitbandausbau verwendet werden können.
Das heißt, wir können über die Versteigerung der Funkfrequenzen einen Beitrag dazu leisten, die flächendeckende Versorgung mit 50 Megabit bis 2018 in Deutschland zu erreichen. 98 Prozent der Haushalte und 98 Prozent der Bundesbürger sollen mit diesen 50 Megabit versorgt werden. In keinem Bundesland sollen es weniger als 97 Prozent sein. Nicht nur flächendeckend in den Städten und Gemeinden, sondern auch entlang von Autobahnen und entlang von Schienentrassen soll dieser Breitbandausbau erfolgen. Er ist kein Selbstzweck; denn dieser Breitbandausbau ist notwendig für Industrie 4.0, für neue Anwendungen im Bereich der Mobilität. Selbstfahrende Autos werden nicht ohne Breitbandausbau und ohne eine entsprechende Netzinfrastruktur funktionieren. Deshalb arbeiten wir daran, dies entsprechend nach vorn zu bringen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Jetzt sind die vermeintlichen Investitionslücken angesprochen worden. Da lohnt es sich, etwas genauer hinzusehen. In der Tat, wenn man die Zahlen oberflächlich betrachtet, dann hat Deutschland heute mit 17 Prozent ein niedrigeres Investitionsniveau im Vergleich zum Jahr 2000 und auch im Vergleich zu 20 Prozent im OECD- Durchschnitt. Das heißt, es gibt eine vermeintliche Investitionslücke von 3 Prozent. Wenn man sich die Zahlen aber genau anschaut, wenn man beispielsweise sieht, dass in den 90er-Jahren vereinigungsbedingt bei uns viel gebaut wurde, und wenn man die Baubranche herausrechnet, dann gibt es im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, die beispielsweise im Baubereich noch Nachholbedarf haben, keine Investitionslücke. Das hat die Bundesbank jüngst klargestellt und dargestellt. Man muss sich das nur anschauen wollen und sich mit dem Thema beschäftigen.
Das heißt aber nicht, dass wir nicht weiter investieren wollen. Wir wollen jedoch nicht auf Pump investieren. Im Unterschied zu vielen anderen europäischen Staaten sind unsere Investitionen nicht mehr schuldenfinanziert. Wir haben einen ausgeglichenen Haushalt, keine Neuverschuldung in 2014, keine Neuverschuldung in 2015, und trotzdem können wir 10 Milliarden Euro mehr investieren, als noch vor einem Jahr geplant war. Das ist solide Haushaltsfinanzierung, und das ist solides Investieren und nicht Investieren auf Pump.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir werden trotzdem weiter versuchen, privates Kapital für die Infrastruktur zu mobilisieren. Es gibt genug Geld auf der Welt. Warum sollte es nicht noch mehr in Deutschland investiert werden? Beispielsweise beim Ausbau der Stromnetze ist dies gelungen. Warum sollte es nicht auch an anderer Stelle, bei kommunaler Infrastruktur, bei Straßeninfrastruktur gelingen, dieses Geld nach Deutschland zu bringen? Das werden wir versuchen.
Dann gilt es auf jeden Fall, Wachstumsfesseln der Bürokratie zu lösen. Da wird manches durcheinandergebracht. Zum einen begrüßen wir ausdrücklich das, was die Bundesregierung vorschlägt, nämlich das Prinzip „One in, one out“. Das heißt, dass zukünftig bei jedem zusätzlichen Bürokratieaufwand an anderer Stelle Bürokratie abgebaut werden muss. Wenn dies konsequent durchgehalten wird, dann haben wir viel erreicht. Dann wird nämlich nicht mehr weiter Bürokratie aufgebaut. Wir haben schon einmal, von 2005 bis 2013, einen Bürokratieabbau von 25 Prozent geschafft. Dieser schlägt sich natürlich entsprechend in Zahlen nieder. Dies kommt dem Arbeitsmarkt und der Wirtschaft zugute.
Wir müssen den Mut haben, Dinge, bei denen wir über das Ziel hinausgeschossen sind, entsprechend zu korrigieren. In der Tat sind wir bei den Dokumentationspflichten, die jetzt im Rahmen des Mindestlohns eingeführt wurden, über das Ziel hinausgeschossen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es geht nicht darum, den Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro infrage zu stellen.
(Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] – Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt wird es ernst, Herr Ernst!)
Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern.
Mit der Einführung des Mindestlohns sind fast 10 Millionen Menschen in Deutschland von Dokumentationspflichten betroffen. Bis zu einem Schwellenwert des Einkommens in Höhe von 2 958 Euro muss die Arbeitszeit in vielen Branchen minutengenau, halbstundengenau dokumentiert werden. Dabei geht es aber nicht um den Mindestlohn; denn man müsste an 29 Tagen im Monat zwölf Stunden arbeiten, um mit dem Mindestlohn 2 958 Euro zu verdienen.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fällt euch erst jetzt ein? Warum nicht schon im November?)
Es geht jetzt nicht darum, den Mindestlohn auszuhebeln, sondern es geht darum, Millionen von Menschen von unnötiger Bürokratie zu befreien.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich komme zum Minijobbereich. Die Minijobs sind ein Erfolg. Sie sind das größte Schwarzarbeitsbekämpfungsprogramm, das wir in den letzten 15 Jahren geschaffen haben. Diese Arbeitsplätze sind zusätzlich entstanden. Da von linker Seite vorhin gesagt wurde, die Reformen der letzten zehn Jahre hätten den Arbeitsmarkt zerrüttet, muss ich Sie fragen: Wo leben Sie denn?
(Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Heute sind 6 Millionen Menschen mehr in Lohn und Brot – vor allem in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen – als 2005. Das ist die höchste Beschäftigung, die wir jemals in der Geschichte der Bundesrepublik hatten: mit den höchsten Einkommen, mit der größten Kaufkraft und den höchsten Reallohnzuwächsen.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Und wir haben den größten Niedriglohnsektor!)
Und Sie reden davon, es würde in diesem Land ungerecht zugehen. Das ist absolut nicht nachvollziehbar.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie müssen mal die Scheuklappen abnehmen!)
Wir werden Wachstumsfelder für unseren Binnenmarkt beispielsweise durch die Zusammenarbeit mit den USA – TTIP ist schon angesprochen worden – erschließen. Wir werden in diesem Jahr auf nationaler Ebene die Freiräume schaffen, um den Einstieg in die Abmilderung der kalten Progression noch in dieser Legislaturperiode, nämlich 2016/2017, angehen zu können. Das sind Maßnahmen, die den Bürgern nutzen und die Wirtschaft nach vorne bringen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lassen Sie mich abschließend zum Thema Europa – auch das wurde schon angesprochen – noch etwas sagen. Viele Länder Europas befinden sich in einer schwierigen Situation. Nicht der Euro ist in einer Krise, sondern einige Länder der Europäischen Union befinden sich nach wie vor in einer Struktur- und Verschuldenskrise. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich, aber sie sind vor allem hausgemacht. Darauf muss an dieser Stelle hingewiesen werden. Wir sind alle solidarisch und haben Rettungsschirme aufgespannt, um Zeit zu gewinnen. Diese Zeit muss von den Ländern genutzt werden, um Strukturreformen vorzunehmen, die zu Wachstum und Innovationen führen. Dazu gibt es klare Vereinbarungen. „ Pacta sunt servanda“ – das gilt für alle Länder in Europa, egal wer dort regiert. Dass dieses funktioniert, sehen wir in Irland, in Spanien und Portugal. Die Mühen haben sich dort gelohnt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bei allem Verständnis für das, was die Menschen in Griechenland aufgrund der Reformen an Entbehrungen, Belastungen und Mühsal zu ertragen haben, muss ich sagen: Wenn ich die Stimmen der letzten Tage höre, habe ich manchmal den Eindruck, dass Ursache und Wirkung verwechselt werden. Man kann dies mit folgender Situation vergleichen: Ein Alkoholiker, der ins Krankenhaus eingewiesen wird, damit sein schweres Leberleiden behandelt wird, schimpft darüber, dass es die Schuld des Arztes ist, dass er ins Krankenhaus musste und dort zu wenig Alkohol bekommt. Ich glaube, da wird manchmal Ursache und Wirkung verwechselt.
(Widerspruch bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kollege Pfeiffer!
Ich komme zum Ende, Herr Präsident. – Es ist nicht akzeptabel, dass in einem Land Europas neu gewählte Mitglieder einer Regierung sagen, sie wollten das vierte Reich in die Knie zwingen und die nationale Souveränität und Würde wiederherstellen. Das ist nicht der Umgang, den wir im Europa der 28 im 21. Jahrhundert miteinander pflegen sollten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden. Alles hat seine Grenzen.
Insofern gilt es, in Europa Ruhe zu bewahren, Kurs zu halten und den eingeschlagenen erfolgreichen Weg weiterzugehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich erteile das Wort dem Kollegen Michael Schlecht für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung – Investieren in Deutschlands und Europas Zukunft |