29.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 82 / Tagesordnungspunkt 3

Ulla Schmidt - Regierungserklärung – Investieren in Deutschlands und Europas Zukunft

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich mich mit dem Kernthema befasse, möchte ich doch noch mal ganz kurz auf den Kollegen Schlecht eingehen. Herr Schlecht – wenn Sie mir kurz zuhören könnten, wäre das nett –, Sie haben sich in der Debatte zweimal veranlasst gesehen, die Sozialdemokraten an ihre Werte zu erinnern, haben uns vorgeworfen, dass wir unsere Werte teilweise verloren hätten. Wenn ich mir angucke, mit welchen Argumenten Sie zu relativieren versuchen, was da in Griechenland passiert, kann ich Ihnen als Beispiel für unsere sozialdemokratischen Werte nur mit auf den Weg geben: Als eine unserer Schwesterparteien mit Rechten eine Koalition gebildet hat, haben wir sie aus der europäischen Familie der Sozialdemokraten ausgeschlossen. Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen! Oder sind Sie auf dem rechten Auge blind?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Stimmt doch überhaupt nicht! Das ist die Unwahrheit! – Gegenruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein, das stimmt! Wir haben die aus der Slowakei suspendiert! – Weiterer Gegenruf von der SPD: Er kann die Wahrheit nicht ertragen!)

– Wir können das gleich diskutieren.

Ich möchte zum Jahreswirtschaftsbericht kommen. Ich danke dem Wirtschaftsminister, der heute – ich glaube, für uns alle – klargemacht hat, was die Gründe für diese robuste wirtschaftliche Situation sind, aber auch auf die Risiken und auf die Herausforderungen hingewiesen hat. Ich will nur vier Punkte im Kontext der letzten zehn Jahre erwähnen:

Da wären die Arbeitsmarktreformen, die gerade für Sozialdemokraten schwierig waren, die auch teilweise fehlerbehaftet waren. Es gibt Fehler, die wir korrigiert haben, und Fehler, die wir aktuell noch korrigieren.

(Michael Schlecht [DIE LINKE]: Die grundlose Befristung fehlt noch!)

Wir haben in Zeiten der letzten Großen Koalition, als wir in der Wirtschaftskrise waren, reagiert: Wir haben investiert. Wir haben dem Arbeitsmarkt durch die Verlängerung des Bezugs von Kurzarbeitergeld wichtige Impulse gegeben.

Wir haben im Weiteren eine Konsolidierung des Staatshaushaltes vorangetrieben; wir haben jetzt eine Basis, auf der wir aufbauen können.

Wir haben aber auch die Nachfrage gestärkt. Wir haben erkannt: Ja, die Binnennachfrage muss gestärkt werden. Wir haben das durch bessere Lohnabschlüsse, aber auch durch den Mindestlohn und eine entsprechende Rentenpolitik hinbekommen.

Wir haben in den letzten Jahrzehnten immer vorausschauend betrachtet: Wie müssen wir Deutschland aufstellen, um weiter erfolgreich wirtschaften zu können?

Ich will auf ein paar Bereiche eingehen – einige sind schon angeklungen –, die diese Große Koalition in den nächsten Jahren beschäftigen werden, wo wir die Weichen für die Zukunft stellen wollen:

Dass die Investitionstätigkeit mangelhaft ist, ist mehrfach angeklungen. Herr Minister, ich danke Ihnen und auch dem Finanzminister, dass Sie nun gemeinsam dabei sind, bis, ich glaube, Ende März in einer Arbeitsgruppe Vorschläge zu diesem Bereich zu erarbeiten. Wir werden uns damit auseinandersetzen. Das ist ein wichtiges Signal für die Kommunen. Wir wissen schließlich: Der wichtigste Investitionsbereich sind die Kommunen. – Wir werden die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen gestärkt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Herr Kollege Becker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Liebich

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Von der Linken!)

von der Fraktion Die Linke?

Bitte.

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich verstehe, dass Fragen an die neue griechische Koalition gerichtet werden, weil das ja keine Selbstverständlichkeit ist.

Ich habe da keine Fragen.

Ja. – Sie haben dazu ja eine klare Haltung formuliert, die allerdings nicht auf dem Blick in die eigene Vergangenheit basiert. Es war ja die Pasok, also Ihr sozialdemokratischer Partner, die im griechischen Kabinett im Jahr 2012 mit der Partei Laos – einer rechtspopulistischen, zum Teil sogar ultrarechten Partei – zusammen regiert hat. Das heißt, diese Diskussionen, die wir hier führen müssen, die wir auch führen, sollten Sie nicht vom hohen Ross herunter führen.

Mache ich auch nicht.

Vielmehr sollten Sie sich Ihre eigene Geschichte in Griechenland anschauen. Da gäbe es eine ganze Menge zu sagen. Aber diesen Aspekt wollte ich hier wenigstens hinzugefügt haben.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE] nimmt wieder Platz)

Herr Kollege Liebich, erwarten Sie eine Antwort?

Ja, bitte.

Dann bleiben Sie bitte stehen. – Bitte schön.

Herr Liebich, ich habe Folgendes getan: Herr Schlecht hat hier versucht, an unsere Werte zu erinnern.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ja, genau!)

Und ein Grundwert der Sozialdemokratie ist, dass wir Rechtspopulisten in unserer Geschichte immer eine Absage erteilt haben.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist doch falsch! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das Gegenteil ist der Fall!)

Meine Frage war nur noch: Was haben Sie unternommen? Haben Sie mit Ihren griechischen Brüdern und Schwestern einmal gesprochen, haben gesagt: „Leute, das ist ein Problem“?

Die Aussage, die Herr Ernst gemacht hat, war nur: Sonst hätte es Neuwahlen geben müssen. – Ich finde, das ist ein relativ schwaches Argument.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der Linken)

Wir wollen jetzt weiter über den Jahreswirtschaftsbericht reden

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie haben doch damit angefangen! Jetzt wird es Ihnen peinlich!)

und über die Frage: Wie geht es in diesem Land weiter?

Ich habe die Investitionen angesprochen. Das zweite Thema ist: Wie sichern wir, dass hinreichend qualifizierte Beschäftigte für unsere Unternehmen zur Verfügung stehen? Denn anders als die Linkspartei wünschen wir uns kein Außenhandelsdefizit, sondern wir wissen: Eine Stärke der deutschen Unternehmen, der deutschen Industrie, ist der Außenhandel. Von daher, Herr Schlecht: Wir sehen es anders, und daher wollen wir auch in bessere Bildung und in Arbeitskräfte investieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das heißt aber auch, dass wir – wie schon in den letzten Jahren; der Kollege Lenz hat das eben angesprochen – Zuwanderung brauchen, diese Menschen qualifizieren müssen, um bei den Arbeitskräften unsere Möglichkeiten zu erhalten.

Ich finde es ganz interessant für die Debatte: Wenn man sich die Zahlen anguckt, muss man zur Kenntnis nehmen, dass auch die sozialen Sicherungssysteme in unserem Land von der Zuwanderung profitiert haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben auch unsere sozialen Sicherungssysteme durch Zuwanderung zukunftsfest gemacht.

Lieber Herr Kollege Becker, darf ich noch einmal unterbrechen? Der Herr Kollege Schlecht würde Ihnen gern noch eine Frage stellen.

Nein, wenn es wieder um Griechenland geht. Ich rede jetzt zum Jahreswirtschaftsbericht weiter.

(Michael Schlecht [DIE LINKE]: Zur Wirtschaft! – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nein, nein, nicht zu Griechenland!)

Nein, nein, zur Wirtschaft, hat er gesagt, nicht zu Griechenland.

Wenn er zum Wirtschaftsthema fragt, dann lasse ich es zu.

(Lachen des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

Bitte schön, Herr Kollege Schlecht.

Das finde ich jetzt sehr nett, dass Sie mir die Zwischenfrage ermöglichen. – Sie sprachen eben über das Problem des Außenhandelsüberschusses oder des Außenhandelsdefizits. Ich will Sie noch einmal darauf hinweisen: Deutschland erzielt ungefähr seit dem Jahr 2000 Jahr für Jahr einen Außenhandelsüberschuss. Deutschland verkauft dem Rest der Welt jedes Jahr mehr Waren und Dienstleistungen, als Deutschland aus dem Ausland kauft.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, und?)

Mit dem voraussichtlichen Außenhandelsüberschuss von 200 Milliarden Euro in diesem Jahr werden wir am Ende dieses Jahres kumuliert – also aufsummiert seit 2000 – einen Außenhandelsüberschuss von 2 Billionen Euro haben. Das heißt, wenn Deutschland in diesen 15 Jahren im Ausland für 2 Billionen Euro mehr verkauft, als es von denen kauft: Womit sollen die denn unseren Überschuss überhaupt bezahlen? Sind Sie denn mit mir nicht einer Meinung, dass das Ausland diesen Überschuss nur mit einer permanenten Verschuldung bei uns überhaupt bezahlen kann? Glauben Sie, dass ein derartiges Außenhandelsungleichgewicht langfristig wirklich störungsfrei bleiben kann?

Wenn Sie mir dann antworten, würde ich Sie zuvor gern noch an das Stabilitätsgesetz von 1968 – glaube ich – von Karl Schiller

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Was Sie alles wissen!)

– oder von 1967 – erinnern, in dem festgelegt wurde, dass wir auf längere Sicht ein Außenhandelsgleichgewicht brauchen. Wir sollten also nicht über 15 Jahre beständige Überschüsse von – ich sage es noch einmal – 2 Billionen Euro auflaufen lassen. Das ist ja ein Betrag, den sich kaum jemand vorstellen kann.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Miserabel! Das ist schlecht!)

Herr Schlecht, ich habe ein einigermaßen gutes Gedächtnis. Eine ähnliche Frage haben Sie dem Wirtschaftsminister vor ungefähr einem Jahr im Wirtschaftsausschuss gestellt. Der Wirtschaftsminister hat damals gesagt: Ja, wir wollen die Binnennachfrage, bei der wir Defizite haben, stärken, die Nachfrage im Inland also voranbringen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was wir gemacht haben!)

Das haben wir geschafft.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Er hat auch gesagt, dass wir natürlich auch darauf achten müssen, dass wir den Überschuss, den wir nach wie vor haben, nicht ausufern lassen, und dass wir verantwortungsvoll damit umgehen.

Aber noch einmal: Wir sind nicht in einer weltweiten Planwirtschaft. Es gibt eine starke Nachfrage nach deutschen Produkten, und das ist eine Stärke unseres Landes.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Nur wenn die Wirtschaft erfolgreich ist, haben wir das Geld, um das zu finanzieren, was auch Sie von uns fordern. Man kann nicht das eine nicht wollen und alles andere fordern.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir wollen dafür sorgen, dass Deutschland als Exportnation erfolgreich bleibt, damit die Menschen in diesem Land Arbeit haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Es geht um die Überschüsse, Herr Kollege! Sie haben die Frage nicht verstanden!)

Zurück zu den Herausforderungen. Neben den Fachkräften – ich habe das eben angesprochen – und den Investitionen müssen wir uns auch Gedanken darüber machen, wie wir die Versorgung der deutschen Industrie mit Ressourcen in Zukunft sicherstellen können. Wir kennen die Probleme – Stichworte: Ressourcenverantwortung und Ressourcenverwertung. Ich denke, wir haben hier wichtige Dinge zu regeln.

Aufgrund der Zeit kann ich nur noch einen letzten Punkt kurz ansprechen: Wir wollen unter Beweis stellen, dass in einem Industrieland eine Energiewende möglich ist. Von daher ist der Bundeswirtschaftsminister dabei, diese Energiewende mit Augenmaß zum Ziel zu führen und bis 2050 umzusetzen,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Ärmste! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So lange wird er wohl nicht mehr Minister sein!)

ohne dass wir die Stärke der deutschen Wirtschaft in Gefahr bringen. So und nicht anders sieht eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion erhält jetzt der Kollege Andreas Lämmel das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Schwert Gottes!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4510981
Wahlperiode 18
Sitzung 82
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung – Investieren in Deutschlands und Europas Zukunft
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