29.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 82 / Tagesordnungspunkt 4

Christian KühnDIE GRÜNEN - Soziale Wohnungswirtschaft

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne! Eigentlich hatte ich gedacht, dass wir diese Woche im Plenum die Mietpreisbremse debattieren

(Zuruf von der LINKEN: Allerdings!)

und auch beschließen würden. Wenn man über Wohnungswirtschaft redet, muss man in diesen Tagen über die Mietpreisbremse reden. Alle, die in der Wohnungspolitik unterwegs sind, haben dieses Thema in den letzten eineinhalb Jahren begleitet.

Nach Ihrer Rede, Herr Wegner, kommt es mir fast so vor, als ob die Mietpreisbremse schon beschlossen wäre. Aber sie ist nicht beschlossen. Herr Maas hat letzte Woche in Hamburg gesagt: Die Mietpreisbremse wird bis zum Sommer in Kraft treten. – Sie wird vielleicht bis zum Sommer beschlossen werden; aber Kraft wird sie vor Ort bis zum Sommer nicht entfalten. Das ist Wahlkampfgetöse, ein Ammenmärchen. Die Mietpreisbremse, die Sie auf den Weg bringen werden, wird nicht schnell eingeführt werden, und sie wird vor Ort nicht schnell umgesetzt werden. Dies zeigt, dass Sie eigentlich nicht verstanden haben, was eine Mietpreisbremse ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Anhörung im Rechtsausschuss hat gezeigt, dass es keine schnelle Umsetzung der Mietpreisbremse geben wird. Sie haben Hürden gebaut und Steine in den Weg gelegt. Wenn man eineinhalb Jahre braucht, um ein Sofortprogramm auf den Weg zu bringen, dann ist das eine ziemlich lange Zeit. Jede Woche und jeden Monat geht bezahlbarer Wohnraum in Deutschland verloren. Das ist ein Skandal; das ist unsozial und Wählertäuschung. Angela Merkel hat sich im Wahlkampf für die Mietpreisbremse ausgesprochen.

(Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Aus Versehen!)

Herr Wegner, ich glaube, dass Sie und Frau Merkel guten Willen gezeigt haben, aber – ich zitiere Sie einmal –: Gut gemeint ist nicht gut gemacht. – Das trifft auf Ihre Mietpreisbremse zu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Geltungsdauer der Minimietpreisbremse, die Sie auf den Weg bringen, ist zu kurz. Sie hätte mindestens zehn Jahre betragen müssen. Außerdem gibt es große Schlupflöcher. Mit dem Schlupfloch „umfassende Modernisierungen“ treiben Sie hochpreisige Modernisierung an.

(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: In der DDR hatten sie 40 Jahre! Was dabei herausgekommen ist, kann man ja in Augenschein nehmen!)

Sie leisten damit der Gentrifizierung Vorschub, und das ist ein Skandal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es gibt viel zu viele Ausnahmen, zum Beispiel beim Neubau. Es hätte völlig ausgereicht, wenn Sie die erstvermieteten Neubauwohnungen ausgenommen hätten. Die Länder werden die Mietpreisbremse lange nicht umsetzen können. Ich glaube, bis zum Ende dieser Legislaturperiode wird es nicht in allen Städten und Ländern möglich sein, die Mietpreisbremse umzusetzen, weil es große Hürden gibt. Eine völlig unsinnige Regelung, die ich als Skandal empfinde, ist die Rügepflicht.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wirklich albern!)

Das Mietrecht kennt keine Rügepflicht. Es gibt genug Juristen in Deutschland, denen sich bei dem, was Sie mit dem Mietrecht machen, der Magen umdreht. Ändern Sie das, damit diese Mietpreisbremse auch eine mieterfreundliche Mietpreisbremse wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Anstatt eines schnellen Rettungsschirmes haben Sie eine Minimietpreisbremse auf den Weg gebracht. Diese Mietpreisbremse wird den wohnungspolitischen Herausforderungen in sozialer Hinsicht nicht gerecht.

Ich komme zum Antrag „Soziale Wohnungswirtschaft entwickeln“ der Linksfraktion. Auch ich finde, dass das markige Worte sind. Es gibt einige Maßnahmen, die ich gut finde, und andere, die ich nicht unterstützen würde. Eigentlich ist es eine Zusammenstellung unterschiedlicher Punkte.

Mir wird nicht klar, was in der Wohnungswirtschaft geschehen soll, Frau Bluhm. Wollen Sie eher eine Verstaatlichung der Wohnungswirtschaft, oder wollen Sie eine öffentlich-gemeinnützige Wohnungswirtschaft? Ich finde Ihren Antrag für dieses Thema zu schmal und deswegen nicht ganz so gut. Viele Forderungen sind wachsweich. Es sind viele finanzielle Forderungen enthalten. Eine Forderung hätte man noch hineinschreiben müssen, nämlich die Forderung, dass wir in Deutschland eine Debatte darüber brauchen, wie wir wieder mehr Gemeinnützigkeit in die Wohnungswirtschaft bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen darüber reden, wie wir vielfältige Akteure ins Spiel bringen, wie wir statt Monopolbildung und Schrottimmobilien wieder die Mieterinnen und Mieter in den Blick bekommen. Ich finde, die zentrale Frage ist: Was ist nach 1988 passiert, als die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft worden ist? Die Ziele, die man damit verfolgt hat, sind, wenn ich mir heute die Wohnungswirtschaft anschaue, nicht erreicht worden. Ich glaube deshalb, dass wir dringend eine Debatte darüber brauchen, wie wir wieder Wohnungsgemeinnützigkeit in Deutschland erreichen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Thema BImA wurde bereits von Herrn Wegner angesprochen. Auch ich finde es gut, dass das Land Berlin die Idee hat, diese Wohnungen aufzukaufen. Aber Ihre BImA-Politik im Deutschen Bundestag hat ja gerade verhindert, dass das nicht schon früher in Angriff genommen wurde. Unter anderem wegen Ihrer Politik sind Wohnungen in der Großgörschenstraße verscherbelt worden. Im Kern ist das neoliberale Wohnungs- und Liegenschaftspolitik, die wir ganz klar ablehnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir brauchen endlich eine Wohnungsgemeinnützigkeitsdebatte in Deutschland. Wir Grünen wollen Spekulation mit Wohnraum verhindern. Wir wollen gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft. Wir wollen Akteure, die keine reine Renditelogik haben. Wir müssen Genossenschaften, öffentliche Wohnungsunternehmen, Studentenwerke und Baugruppen unterstützen. Sie müssen ein größeres Stück vom Kuchen der Wohnungswirtschaft abbekommen. Darauf müssen wir unser Augenmerk legen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Leider beobachte ich genau das Gegenteil. Allein durch die jüngste Elefantenhochzeit zwischen der GAGFAH und der Deutschen Annington entsteht ein Wohnungskonzern, der rund 350 000 Wohnungen mit mehr als 1 Million Mieterinnen und Mieter hat. Da frage ich mich schon: Wie soll der einzelne Mieter oder die einzelne Mieterin angesichts einer solchen Marktmarkt seine bzw. ihre Interessen durchsetzen können? Man muss sich nur einmal im Klagefall vorstellen, welche Macht solch ein Konzern gegenüber dem einzelnen Mieter hat. Ich frage mich, ob wir angesichts dieser zu beobachtenden Veränderungen in der Wohnungswirtschaft nicht ein Verbandsklagerecht brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Brauchen wir im Kern nicht ein viel sozialeres Mietrecht? Müssen wir die Mietenrechtsnovelle der schwarz-gelben Regierung nicht eigentlich wieder rückabwickeln?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine letzten Worte

(Klaus Mindrup [SPD]: Hoffentlich nicht! – Ulli Nissen [SPD]: Bitte nicht! Das wäre schade!)

– nein, hier jetzt heute; das verspreche ich Ihnen –

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

zum Bündnis für bezahlbares Wohnen. Das Bündnis für bezahlbares Wohnen ist eine gute Sache. Herr Wegner, Sie haben angekündigt, dass Sie sich einen Zwischenbericht wünschen. Auch ich wünsche mir einen Zwischenbericht, aber nach meinen Erkenntnissen würde er jetzt sehr dünn ausfallen und nur wenige Seiten beinhalten.

Ich hoffe, dass Sie sich im Bündnis für bezahlbares Wohnen einmal über den sozialen Wohnungsbau und anderes unterhalten. Ab 2019 haben wir ein Riesenproblem; denn dann laufen die Bundesmittel aus. 2020 kommt die Schuldenbremse der Länder hinzu. Ich habe keine Lust, dass wir in ein Jahrzehnt gehen, in dem der soziale Wohnungsbau stockt.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Florian Pronold.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4511129
Wahlperiode 18
Sitzung 82
Tagesordnungspunkt Soziale Wohnungswirtschaft
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