Florian PronoldSPD - Soziale Wohnungswirtschaft
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bezahlbares Wohnen, bezahlbares Bauen ist eines der Hauptanliegen der Menschen in Deutschland. Rentnerinnen und Rentner haben die Sorge, dass sie sich ihre Wohnung von ihrer Rente in Zukunft nicht mehr leisten können. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen haben Angst, dass sie aus den Städten an den Rand gedrängt werden. Deswegen hat diese Große Koalition das Thema bezahlbares Bauen und Wohnen so stark im Koalitionsvertrag verankert wie lange keine Regierung vorher.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Getan haben Sie bisher aber nichts!)
Liebe Frau Bluhm, ich fand – im Gegensatz zu Ihrem Antrag und zu den Verhältnissen, wie ich sie sonst kenne – die Rede, die Sie hier gehalten haben, sehr ausgewogen und moderat.
(Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Dann habe ich etwas falsch gemacht! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
– Es gibt wohl nichts Schlimmeres, als wenn ich Sie einmal lobe. Aber ich bin mir sicher, dass Sie das in Zukunft auch wieder anders können.
Ich finde, eines muss man hier in aller Deutlichkeit sagen: Durch Ihren Antrag wird die Sicherheit von Mieterinnen und Mietern in Deutschland leider nicht gestärkt. Sie tun auch nichts für den sozialen Wohnungsbau. Das ist die Wahrheit an dieser Stelle.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Zur Wahrheit gehört auch: Wir haben auf dem Wohnungsmarkt unterschiedliche Akteure – private Investoren, die Kommunen, die Länder und den Bund –, und wenn wir die nicht zusammen an einen Tisch bekommen und wenn wir nicht Politik aus einem Guss machen, dann wird bezahlbares Bauen und Wohnen nicht gelingen. Deswegen können wir das nicht durch Anträge im Deutschen Bundestag erreichen, sondern nur durch konkretes Handeln.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Dann machen Sie es doch! – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Machen Sie es einfach! Sie sind doch verantwortlich dafür! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann machen Sie es doch!)
Sie haben das Bündnis für bezahlbares Wohnen angesprochen. Gerade in der letzten Woche hat sich die Arbeitsgruppe „Aktive Liegenschaftspolitik“ getroffen. Eine vernünftige Liegenschaftspolitik ist eine zentrale Voraussetzung für bezahlbares Wohnen und Bauen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dabei geht es nicht nur um die BImA, sondern auch um die Grundstückspreise der Kommunen. Es geht darum, was wir vor Ort zur Verfügung stellen können.
Auch die Baukostensenkungskommission arbeitet und wird noch vor dem Sommer einen Bericht vorlegen.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich gespannt!)
Auch das ist entscheidend; denn nur, wenn die Baukosten bezahlbar sind, kann es nachher auch bezahlbare Mieten geben. Die Baukosten zu senken, ist ein zentrales Element des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen, das wir auf den Weg gebracht haben.
Zur Wahrheit gehört, dass dieses Haus 2006 eine Föderalismusreform durchgeführt hat und in diesem Zuge der soziale Wohnungsbau in die Alleinverantwortung der Länder gegeben wurde.
(Ulli Nissen [SPD]: Das war ein Fehler!)
Dazu kann man heute stehen, wie man will. Aber das Grundgesetz ist geändert worden. Der Bund gibt jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro an die Länder, damit sie sozialen Wohnraum schaffen. Was ist passiert? Zwischen 2002 und heute hat sich die Zahl der Wohnungen mit Sozialbindung – 2002 waren es noch 2,6 Millionen – fast halbiert. Wir stellen fest, dass die Länder mit dem Geld des Bundes völlig unterschiedlich umgehen.
(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Leider ist das so!)
In der letzten Legislaturperiode ist mit den Ländern vereinbart worden, dass es keine Verpflichtung gibt, diese halbe Milliarde Euro vom Bund so und so auszugeben.
Wir wollen die Länder jetzt wieder an den Tisch holen, weil wir neue Wohnungen mit Sozialbindung brauchen. Anders ist bezahlbares Wohnen vor Ort nicht möglich. Darüber muss man reden. Weil wir kein Druckmittel haben, müssen wir an die Einsicht appellieren. Ich sehe, wie gut das in Hamburg läuft. Dort gibt es Initiativen, eine entsprechende Grundstückpolitik und städtebauliche Verträge. Ein anderes Beispiel ist München, wo man auch auf anderem Wege eine Sozialbindung herstellt. Das ist richtig. Diesen Weg müssen viele mitgehen, damit wir wieder mehr preisgünstige Wohnungen bekommen.
Wir werden eine Wohngeldreform durchführen und mit der Mietpreisbremse dafür sorgen, dass die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland vor Wucher geschützt sind. Wir werden dafür Sorge tragen, dass wir auch beim Neubau vorankommen. Nicht nur Kostensenkung ist wichtig, sondern wir brauchen auch eine Debatte darüber, wie wir als Bund über die Steuerpolitik zusätzliche Anreize schaffen können, damit in Städten mit einem angespannten Wohnungsmarkt mehr neuer sozialer, bezahlbarer Wohnraum entsteht. Diesen Wohnraum brauchen wir, weil die Entwicklung vor Ort dramatisch ist.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Und dazu brauchen wir die Länder!)
Alle bisherigen Redner in dieser Debatte haben gesagt, dass Wohnungen keine Ware sein sollen. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir die Kräfte wieder stärken – das ist in den letzten zwei Jahrzehnten eben nicht passiert –, die dafür Sorge tragen, dass Wohnungen keine Ware sind. Das bedeutet, dass wir auch den Neubau durch Genossenschaften und kommunale Wohnungsbaugesellschaften voranbringen müssen, dass auch dort zusätzliche Aktivitäten entstehen. Schauen wir uns das Beispiel München an: Dort liegt die durchschnittliche Kaltmiete heute bereits bei über 12 Euro pro Quadratmeter. In den städtischen Wohnungsbaugesellschaften beträgt sie gerade einmal die Hälfte. Das kann man übrigens auch hier in Berlin feststellen, wenn man sich zum Beispiel viele Genossenschaften anschaut. Das macht deutlich, welch wichtige Rolle diejenigen spielen, die die Gemeinnützigkeit im Hinterkopf haben und einen genossenschaftlichen Gedanken verfolgen: für bezahlbares Wohnen in der Stadt. Das ist entscheidend, und da müssen wir wieder hin. Dafür brauchen wir zusätzliche Initiativen und eine zusätzliche Stärkung. Das können wir aber nicht im Deutschen Bundestag beschließen. Wir können das allenfalls unterstützen.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass das Land im Gleichgewicht bleibt. In vielen ländlichen Räumen ziehen die Leute weg, weil sie den Arbeitsplätzen hinterherziehen. Dadurch verstärken sich in vielen Städten die Probleme, auch hinsichtlich der Bezahlbarkeit des Wohnens. Es muss uns gelingen – das ist aus Nachhaltigkeitsgründen genauso wie aus sozialen Gründen wichtig –, dieses Land im Gleichgewicht zu halten. Wir müssen unsere Politik, zum Beispiel die Infrastrukturpolitik, darauf ausrichten, dass Menschen in ihrer Heimat wohnen bleiben können, weil sie vor Ort Arbeitsplätze finden oder mit dem ÖPNV oder auf anderem Wege in die Städte kommen, wo die Arbeitsplätze sind, ohne durch Umzug in die Städte zusätzlichen Druck auf die Mietwohnungsmärkte dort auszulösen.
Deswegen bedarf es auch einer weiteren Initiative für den Neubau. Vor wenigen Jahren sind bis auf ein paar Experten, die aber einsame Rufer in der Wüste waren – sie haben immer schon darauf hingewiesen, dass man Neubau braucht –, alle davon ausgegangen, dass das Thema auf dem Wohnungsmarkt erledigt ist. Die Prognosen haben sich geirrt. Karl Valentin hatte recht: Das Gefährliche an Prognosen ist, dass sie auf die Zukunft gerichtet sind. Das ist immer ein Risiko. Alle haben sich vertan. Jetzt müssen wir nachholen.
Bei den Städten stellen wir fest, dass die privaten Initiativen bisher nur im hochpreisigen Segment neuen Wohnungsbau schaffen. Ich bin froh über jede Wohnung, die gebaut wird. Wir brauchen aber bezahlbaren Wohnraum auch für die Rentnerin, für den Rentner, für die, die als Polizeibeamte, als Krankenpfleger, als Krankenschwester jeden Tag ihre Arbeit tun und auch in der Stadt zu bezahlbaren Preisen wohnen wollen. Diese Bundesregierung hat mit ihrem Koalitionsvertrag, mit dem, was wir im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen machen, mit der Mietpreisbremse, mit vielen, vielen anderen Initiativen – die Wohngeldreform kommt demnächst – einen Beitrag dazu geleistet, dass Wohnen wieder bezahlbarer wird. Wir werden in dieser Wahlperiode noch eine ganze Menge machen. Ich freue mich auf die Unterstützung auch der Linken und der Grünen an dieser Stelle.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Sylvia Jörrißen, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4511137 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Soziale Wohnungswirtschaft |