29.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 82 / Tagesordnungspunkt 4

Sylvia JörrißenCDU/CSU - Soziale Wohnungswirtschaft

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das ist ein Zitat aus dem Antrag der Linken, über den wir heute debattieren. Das ist nicht neu.

(Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Aber richtig!)

– Ja. – Adäquaten Wohnraum zu haben, ist ein Grundbedürfnis menschlichen Lebens. Selbst der Neandertaler hat sich schon seine Höhle geschaffen. Das ist eine Binsenweisheit, aber es stimmt, Frau Bluhm, und deshalb stimme ich Ihnen zu. Aber Sie können versichert sein: In den nächsten elf Minuten – so lange habe ich heute Redezeit – ist das zugleich auch das letzte Mal, dass ich Ihnen zustimme.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Oh! Schade!)

Wir sind uns darüber einig: Wohnen ist ein zentrales Element unseres Lebens und eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für die Politik. Dieser fühle ich mich als Baupolitikerin verpflichtet. Aus diesem Grund bin ich sehr froh, dass die Große Koalition dem Thema Wohnen und Bauen einen solch großen Stellenwert im Koalitionsvertrag beigemessen hat.

Lassen Sie mich auf einige Punkte in Ihrem Antrag im Detail eingehen. Mit Ihren Forderungen, die Sie an den sozialen Wohnungsbau stellen, übersehen Sie komplett, dass der Bund überhaupt nicht zuständig ist. Es ist gerade mehrfach ausgeführt worden: Seit der Föderalismusreform 2006 sind hierfür allein die Länder zuständig. Der Bund stellt Kompensationsmittel zur Verfügung. Aber Ihr Ruf nach immer mehr Geld geht doch ins Leere, wenn die Länder ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Sie sollten lieber Ihren Landesregierungen auf die Finger schauen.

(Zuruf von der LINKEN: Oh!)

Solange Rot-Rot in Berlin regiert hat, wurden die Mittel jedenfalls nicht in sozialen Wohnungsbau investiert,

(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Mal sehen, wie es in Thüringen wird!)

sondern Schlaglöcher damit gestopft. Vielleicht funktioniert es demnächst in Thüringen ja besser.

(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Glaube ich nicht!)

– Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Sie fordern weiterhin eine pauschale Anzahl von 150 000 neuen mietpreisgebundenen Wohnungen und nennen das bedarfsgerechte Förderung. Ich frage mich: Was ist daran bedarfsgerecht, wenn die Wohnungen am Ende an den falschen Stellen gebaut werden?

(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: So ist das!)

Wie kann es bedarfsgerecht sein, wenn Sie vor Beginn der Bedarfsermittlung bereits wissen, welche Zahl am Ende dabei herauskommen soll? Das ist für mich eher Hellseherei. Ich weiß nicht, ob Ihre Erkenntnis aus dem Legen von Tarotkarten entstanden ist.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Koalitionsvertrag!)

Aber dass Sie ja gerne zur Planwirtschaft zurückkommen möchten, sieht man auch an anderen Stellen in Ihrem Antrag, zum Beispiel wenn Sie eine staatliche Regulierungspolitik auch für die Bereiche Energie, Wasser, Abwasser und Abfall fordern. Sie scheinen aus Ihrer Vergangenheit nichts gelernt zu haben.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja, ja!)

Mit uns wird es das jedenfalls nicht geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein anderer Punkt in Ihrem Antrag hat mich ganz besonders betroffen gemacht

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Jetzt kommen gleich die SED-Millionen! Los! – Gegenruf des Abg. Sören Bartol [SPD]: Die kommen später!)

– nein, ich bin fertig –: die Forderungen, die Sie in Bezug auf die Unterbringung von Flüchtlingen stellen. Werte Kolleginnen und Kollegen der Linken, haben Sie die aktuelle Notlage der Flüchtlinge immer noch nicht erkannt? Wir erleben derzeit einen außergewöhnlich großen Zustrom von Flüchtlingen. Die Zahl der Erstanträge auf Asyl ist im Jahr 2014 um 60 Prozent höher gewesen als im Vorjahr, und für dieses Jahr ist mit weiter steigenden Zahlen zu rechnen. 200 000 Flüchtlinge stehen vor den Toren unserer Stadt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Vor den Toren unserer Stadt“? Was soll das denn heißen?)

Viele Kommunen stoßen angesichts dieser Herausforderungen an das Ende ihrer Kapazität.

(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: So ist das!)

Aber wir befinden uns in einer Situation, die sofortiges Handeln erfordert.

(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Ja!)

Die Unterkünfte müssen heute bereitgestellt werden. Eine Unterkunft in einem Randgebiet ist doch allemal besser als keine Unterkunft im Zentrum.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich halte Ihren Antrag an dieser Stelle für eine gewaltige Missachtung der Leistung der Kommunen, die gerade ihr Möglichstes tun, um den Zustrom von Flüchtlingen zu bewältigen.

(Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)

Ich halte ihn vor allem auch für eine Missachtung der Bedürfnisse der Asylsuchenden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir nehmen die Menschen ernst. Die Menschen stehen im Mittelpunkt unserer Politik.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!)

Deshalb schauen wir genau hin. Wir wollen an den richtigen und an den erforderlichen Stellen die notwendigen Anreize setzen.

Sie haben vollkommen recht: Wir stehen vor Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt. Wir haben in Deutschland einen heterogenen Wohnungsmarkt, wir haben in einigen Bereichen mit Leerstand zu kämpfen, und wir haben Ballungsräume, in denen wir zu wenig Wohnraum haben. Aber wir als Große Koalition sind diese Herausforderungen bereits angegangen. Auch die Große Koalition möchte die Wiederbelebung der sozialen Wohnraumförderung. Deshalb haben wir die Kompensationsmittel in Höhe von 518 Millionen Euro bis zum Jahr 2019 verstetigt. Damit ist es den Ländern möglich, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Aber die Länder müssen ihrer Verantwortung nun auch nachkommen.

Wir haben weitere zielgerichtete Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die Mietpreisbremse wird kommen;

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Oh!)

sie befindet sich bereits im parlamentarischen Verfahren. Mit der Mietpreisbremse unterbinden wir zielgenau unverhältnismäßig hohe Mieten bei der Weitervermietung in einigen Ballungsräumen. Aber wir müssen zugleich im Blick haben, dass die Mietpreisbremse nur die Symptome lindert. Die Mietpreisbremse baut keine einzige neue Wohnung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie denn dafür?)

Des Weiteren werden wir das Wohngeld erhöhen; das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart. Auch hier ist ein entsprechender Gesetzentwurf auf dem Weg. Damit stellen wir sicher, dass gerade Menschen mit geringem Einkommen direkt unterstützt werden.

Mir ist noch ein Punkt wichtig. Gute Wohnungspolitik ist mehr als nur günstige Mieten. Wohnen muss nicht nur bezahlbar, sondern auch lebenswert sein. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass strukturschwache Ortsteile in ihrer Gesamtheit stabilisiert und aufgewertet werden. Deshalb hat der Bund die Städtebaufördermittel auf insgesamt 700 Millionen Euro erhöht. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der Kommunen und zur Schaffung lebenswerter Wohnviertel.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, bei allem, was wir tun, müssen wir die Menschen im Auge haben, aber nicht nur diejenigen, die mieten, sondern auch diejenigen, die anderen Menschen Wohnraum zur Verfügung stellen. Wir müssen in Deutschland ein Klima schaffen, das Investitionen in den Bau von Wohnungen zulässt und attraktiv macht. Attraktiv wird eine Investition durch steuerliche Förderung.

(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Ja!)

Daher sollten wir im Rahmen der Möglichkeiten unseres Haushaltes auch über eine Sonderabschreibung nachdenken, die auf die Gebiete, in denen die Mietpreisbremse gilt, beschränkt werden könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU – Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Guter Ansatz!)

Dann würde wieder zielgenau dort die Investition angekurbelt, wo sie benötigt wird.

Es ist bereits mehrfach gesagt worden: Nur der Neubau bringt mehr Wohnungen, dadurch mehr Angebot und damit eine Entlastung der Märkte. Aber das Bauen ist in den letzten Jahren sehr teuer geworden. Aus diesem Grund gehören auch die preistreibenden Faktoren auf den Prüfstand: Ich nenne als Beispiel die Grunderwerbsteuer. In meinem Heimatland, Nordrhein-Westfalen, ist mit der Erhöhung in diesem Jahr der traurige Spitzensatz von 6,5 Prozent erreicht. Ich nenne als Beispiel das Bauplanungsrecht: langwierige Umwidmungsverfahren und Baugenehmigungsverfahren, die Stellplatzverordnung. Ist es erforderlich, dass bei der Planung einer Seniorenwohnanlage die gleiche Anzahl von Stellplätzen vorgehalten wird wie bei der Entwicklung eines Baugebietes für junge Familien? Ich bin der Meinung: Nein. Dies treibt die Baukosten in die Höhe und verursacht einen nicht notwendigen Flächenverbrauch.

An diesen Beispielen sehen Sie bereits, dass dies Faktoren sind, die der Bund nicht beeinflussen kann. Der Bund tut deshalb das, was er kann: Er holt alle Akteure an einen Tisch. Im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen sind alle politischen Ebenen – auch die Länder und die Kommunen – und alle handelnden Akteure vertreten: die Bauwirtschaft, die Wohnungswirtschaft und die Mieter. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen. Ich erwarte, dass dieses Bündnis zügig konkrete Ergebnisse liefert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Letztlich müssen sich auch die Bürger entscheiden, was sie wollen: Wenn sie eine innerstädtische Grünfläche wollen, dann kann an dieser Stelle kein innerstädtisches Baugebiet entstehen; das Tempelhofer Feld hier in Berlin ist das beste Beispiel dafür.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir haben die Problematik erkannt und wir handeln bereits. Die Anträge der Linken sind populistisch, zum Teil blanker Unsinn, und gehen ins Leere.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Und überhaupt!)

Es wird Sie daher nicht wundern, dass wir Ihre Anträge ablehnen werden.

(Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Gar nicht! Aber wenn es Anregungen für Sie waren, dann reicht es auch schon!)

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Kerstin Kassner, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4511188
Wahlperiode 18
Sitzung 82
Tagesordnungspunkt Soziale Wohnungswirtschaft
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