29.01.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 82 / Zusatzpunkt 4

Inge HögerDIE LINKE - Menschenrechte in Saudi-Arabien

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Solidaritätskundgebungen nach den Attentaten in Paris war die saudische Regierung mit einem Vertreter präsent; das wurde schon erwähnt. Nur zwei Tage nach diesen Bluttaten ließ die saudische Justiz den ersten Teil der Prügelstrafe gegen den kritischen Blogger Raif Badawi vollziehen. So viel Heuchelei und Doppelmoral ist kaum zu überbieten, außer vielleicht von den westlichen Staaten, für die Saudi-Arabien ein wichtiger Verbündeter ist und die dieses Land mit allem ausstatten, was für den Machterhalt nötig ist. Um es klar zu sagen: 1 000 Peitschenhiebe sind nichts anderes als Folter und wahrscheinlich die Todesstrafe auf Raten. Diese barbarische Praxis muss ein Ende haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kordula Schulz- Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das gilt für Raif Badawi, aber auch für alle anderen, die in Saudi-Arabien zu unmenschlichen Strafen verurteilt werden.

Wenn die Bundesregierung Menschenrechte in der Außenpolitik tatsächlich ernst nehmen will und wenn sie Raif Badawi beispielhaft helfen will, dann gibt es hierfür eine Reihe von ganz konkreten Schritten, die möglich und nötig wären. Sowohl der Antrag der Grünen als auch unserer nennen dafür Beispiele. Es fängt an bei Botschafterbesuchen im Gefängnis, geht über die Entsendung einer hochrangigen Delegation bis hin zur Ermöglichung von Asyl in Deutschland. Ich fordere die Bundesregierung auf, hier tätig zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Allerdings darf neben dem Entsetzen über das Schicksal dieses Bloggers nicht vergessen werden, dass das kein Einzelfall ist. Das saudische Justizsystem operiert generell weit jenseits rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Standards. Allein im letzten Jahr wurden 87 Menschen in Saudi-Arabien hingerichtet. Es ist kaum möglich, einen angemessenen Rechtsbeistand im Verfahren zu bekommen. Anwälte geraten meist selbst ins Visier der Justiz. Auch der Anwalt von Raif Badawi wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Auch er braucht unsere Hilfe.

(Beifall bei der LINKEN)

Solange das Justizsystem in Saudi-Arabien nicht grundlegend geändert wird, ist es nicht akzeptabel, das saudische Unterdrückungssystem auch noch durch den Verkauf deutscher Überwachungstechnik und die Entsendung deutscher Soldaten und Polizisten zu stabilisieren. Die Gewerkschaft der Polizei hat sich sehr deutlich zu Wort gemeldet. Sie hat dagegen protestiert, dass deutsche Polizei in einer undurchsichtigen – Zitat – „Gemengelange politischer und wirtschaftlicher Interessen“ eingesetzt wird. Diesem Protest kann ich mich nur anschließen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Sicherheitskooperation mit Saudi-Arabien muss umgehend gestoppt werden. Das gilt für die polizeiliche, die geheimdienstliche und die militärische Zusammenarbeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich freue mich, wenn das, was in den Medien zu lesen war, tatsächlich stimmt, nämlich dass in der jüngsten Sitzung des Bundessicherheitsrates beschlossen worden ist, keine Waffen mehr nach Saudi-Arabien zu liefern. Es wäre ein wichtiger Schritt, zukünftig auf die Lieferung von Waffen nach Saudi-Arabien zu verzichten. Die „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ kommentierte diese Berichte über einen möglichen Kurswechsel wie folgt:

(Beifall bei der LINKEN)

Allerdings verweigerte die Bundesregierung gestern in der Fragestunde Antworten zu der weiteren Praxis von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien. Deshalb bleibt zu befürchten, dass es hier nicht zu einer wirklichen Kursänderung gekommen ist. Ich befürchte, dass nur gewartet wird, bis das öffentliche Interesse etwas erlahmt, um dann wieder ungebremst Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien machen zu können. Waffenlieferungen bringen jedoch weder Stabilität noch Frieden, nicht im Innern eines Landes und auch nicht nach außen. Beenden Sie die Waffenlieferungen – vollständig und dauerhaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich abschließend noch auf ein anderes großes und sehr grundsätzliches Problem hinweisen. Deutschland hat in diesem Jahr den Vorsitz in der UN- Menschenrechtskommission. Der Kampf für Menschenrechte ist jedoch nur dann glaubwürdig, wenn er auch Selbstkritik beinhaltet, wenn auch im eigenen Land die Menschenrechte beachtet werden und dafür die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Genau hier droht Deutschland eine gigantische Blamage. Wenn das Deutsche Institut für Menschenrechte nicht bis März eine gesetzliche Grundlage erhält, die seine Unabhängigkeit sichert, dann wird Deutschland vom UN-Akkreditierungsausschuss der sogenannte A-Status aberkannt. Dadurch würde Deutschland wichtige Einflusskanäle verlieren. Es würde aber vor allem dem globalen Kampf für Menschenrechte massiv schaden, wenn hier offensichtlich Angst davor herrscht, auch die Menschenrechte im eigenen Land kritisch untersuchen zu lassen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie uns deswegen gemeinsam für eine glaubwürdige Menschenrechtspolitik eintreten. Wir kämpfen für die Rechte von Bloggern wie Raif Badawi und genauso für die Menschenrechte in allen Regionen der Welt. Wir dürfen darüber aber nie die Hausaufgaben im eigenen Land, die Beachtung der Menschenrechte, vernachlässigen. Lassen Sie uns die Menschenrechte immer und überall verteidigen!

(Beifall bei der LINKEN)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Ute Finckh- Krämer für die SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4511715
Wahlperiode 18
Sitzung 82
Tagesordnungspunkt Menschenrechte in Saudi-Arabien
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine